In der Bahn mir gegenüber sitzt eine junge Türkin. Modern und elegant gekleidet. Die Chance, meinen guten Willen zu beweisen. Ich grinse sie an, schaue ihr tief in die dunkelbraunen Augen und lege die Hand auf ihr nacktes Knie. „Cok güzel. Türkiye – Almanya – arkadas“, sage ich, um mein Interesse an ihrer Sprache und Kultur zu bekunden.
Und was macht sie? Sie stößt meine ihr so freundschaftlich entgegengestreckte Hand von sich, steht auf und setzt sich zu drei türkischen Frauen in ein anderes Abteil. Integrationsunwillig, ich sag´s doch, vielleicht sogar integrationsunfähig.
Aber so schnell gebe ich nicht auf in meinem ehrlichen Bemühen, meinen Teil zur Integration beizutragen. Ich frage Mahmut, der in unserem Betrieb, zugegebenermaßen nicht ganz ungeschickt, einen Gabelstapler fährt: „Magst am Sonntag mit in den Gottesdienst gehen? Schnuckelige kleine Kirche, ganz in deiner Nähe. Barock. Anschließend können wir dann einen zwitschern. ‚Zur deutschen Eiche‘. Super gemütliche Kneipe Ich geb dir auch einen aus.“
„Kann nicht“, sagt Mahmut.
Ich wiederhole mein großzügiges Angebot, doch Mahmut kommt über zwei Wörter nicht hinaus. „Kann nicht.“ Kann er nicht oder will er nicht? „Ich zeig dir auch unseren Heiland“, mache ich ein letztes Lockangebot. „Nix Turban. Dornenkrone. Deutsche Bescheidenheit“, aber da hat sich Mahmut schon abgewandt und sich wieder auf den Hochsitz seines Gabelstaplers geschwungen. So wird deutsche Gastfreundschaft von Ausländern belohnt. Dann eben nicht. Wer nicht will, der hat schon. Und es auch nicht besser verdient.
Ich mache einen letzten Versuch. Ich lade Ilhaliye, unsere türkische Putzfrau, für nächsten Sonntag zum Essen ein. „Wasserpfeife hab ich aber keine“, witzele ich, „die musst du dir schon selber mitbringen.“ Ilhaliye ignoriert meinen kleinen Scherz. Vermutlich hat sie ihn gar nicht kapiert.
„Mit oder ohne Familie?“, fragt sie.
Ich wittere eine Falle. „Wie viele seid ihr denn?“
„Mit oder ohne Büyükbaba?“, präzisiert sie ihre Frage.
Weiß der Teufel, was sich hinter dem Wort ‚Büyükbaba‘ verbirgt. Womöglich eine blutrünstige Hundebestie.
„Da fällt mir ein“, sage ich, „nächsten Sonntag geht doch nicht, da kriegen wir schon Besuch von Freunden. Deutschen Freunden. Vielleicht ein anderes Mal. Schade trotzdem. Meine Frau wollte Schweinekrustenbraten machen. Mit Kognak abgelöscht, damit er so richtig schön braun und knusprig wird.“
Mein Ältester berichtet beim Mittagessen: „Wir fangen im neuen Schuljahr mit Integralrechnung an.“
Es freut mich, dass das Thema „Integration nun auch endlich in den Schulen angekommen ist. Neun Ausländer in Daniels Klasse. Dank der großen Toleranz und Integrationsbereitschaft des neuen Schulleiters. Aber statt dankbar zu sein, unterlaufen sie seine Bemühungen. In den Pausen sprechen sie untereinander nicht Deutsch, wie man es von ihnen erwarten dürfte, sondern Armenisch, Georgisch, Usbekisch und anderes Kauderwelsch. Rückschläge, wohin man schaut. Aber ich bin dennoch zuversichtlich. Vielleicht schafft ja die Mathematik, was unsere Politiker und letztlich wir alle bis jetzt nicht gerafft haben.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.09.2010.
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