Christa Astl

Wie es früher war

 
Zwar bin ich erst nach dem Krieg zur Welt gekommen, aber es war trotzdem noch eine schwere Zeit. Mein Vater, ein Südtiroler, musste Ende seine Heimat verlassen. Da wir nicht mehr zurück durften, mussten wir uns hier eine Wohnung suchen. Für kurze Zeit hatten wir irgendwo ein Zimmer, später kauften wir diese Baracke. Im Laufe der Jahre wurde sie ausgebaut, umgebaut, verputzt, geweißelt, ein kleines Häusl blieb sie trotzdem.
 
Ursprünglich bestand sie aus einem großen Zimmer, in dem gekocht, gegessen und gelebt wurde, daneben gab es noch ein kleines, in meiner Erinnerung recht dunkles „Kammerl“, in dem unsere Betten gestanden waren. Die Einrichtung war entsprechend arm und einfach: verschiedene Stühle, verschiedene Betten, die die Eltern  schon vor der Hochzeit hatten, ein Nachtkästchen, ein wurmstichiger Schrank aus Mutters Besitz, Vaters Nähmaschine und ein „Kanonenöfchen“. Ein selbst gezimmerter Hocker, auf dem ein Blechkübel und eine Schüssel standen und ein wenig Geschirr auf einem Wandbrett vervollständigten den Hausrat.
 
Wenigstens musste man in dieser armen Zeit kein Holz kaufen, Tannenzapfen und abgebrochene Äste durfte man sich im nahen Wald holen. Mit mir im Kinderwagen fuhr Mutter los, um ihren vorbereiteten Zapfenvorrat  heim zu transportieren. Ich, das etwa einjährige Baby, wurde dann einfach oben drauf gesetzt. War der Wagen zu hoch beladen, war ich zu unruhig, waren die Löcher in der Straße Schuld, ich purzelte jedenfalls heraus. Eine Beule am Kopf, vielleicht ein paar Abschürfungen, mehr ist aber gottlob nicht passiert.
 
Wir waren sehr oft im Wald um Holz oder um Beeren. Und der Wald war meine erster und mein besonders lieber Spielplatz. Ich liebte die Stille, hörte die Vögel, schaute ihnen zu, wenn sie hoch oben in den Ästen im Winde schaukelten, und träumte davon, mit ihnen zu fliegen. Unter den Bäumen baute ich meine kleinen Häuschen aus Rinden und Stöckchen, fein mit Moos ausgepolstert. Zapfen waren meine Kühe und Pferde, Ästchen und Steine meine Hausleute. Stunden konnte ich so ganz alleine verbringen, während die Eltern Brennholz suchten. Von weitem hörte ich sie hacken und schneiden. Beim Nachhause-Gehen trug jeder seine Last: Der Vater die dicksten Äste in einer aus einem alten Kinderwagen selbst zusammen gebauten „Kraxe“, die Mutter schleppte Kleinholz zum Anfeuern und ich hatte meinen kleinen Rucksack prall gefüllt mit Zapfen. Ein kleinerer Baum oder ein großer abgebrochener Ast wurde nachgezogen und erst zu Hause zerschnitten. Ich bekam natürlich auch meinen Knüttel zum Nachziehen.


Das war die erste Kinderzeit "in meinem Häuschen"
Nun steht es still und leer und wird demnächst abgerissen.
Doch die Erinnerung daran bleibt bestehen.

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Christa Astl).
Der Beitrag wurde von Christa Astl auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.09.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

Bild von Christa Astl

  Christa Astl als Lieblingsautorin markieren

Buch von Christa Astl:

cover

Sie folgten dem Weihnachtsstern: Geschichten zu meinen Krippenfiguren von Christa Astl



Weihnachten, Advent, die Zeit der Stille, der frühen Dunkelheit, wo Menschen gerne beisammen sitzen und sich auch heute noch Zeit nehmen können, sich zu besinnen, zu erinnern. Tirol ist ein Land, in dem die Krippentradition noch hoch gehalten wird. Ich habe meine Krippe selber gebaut und auch die Figuren selber gefertigt. So habe ich mir auch die Geschichten, wie jede wohl zur Krippe gefunden hat, dazu erdacht.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (7)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Erinnerungen" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Christa Astl

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Der bunte Osterhase von Christa Astl (Kinder- und Jugendliteratur)
Der Fall der Berliner Mauer- Berlin Text 2 von Kerstin Köppel (Erinnerungen)
Berlin ist die einzige Stadt... für Ingrid Grote von Kerstin Köppel (Erinnerungen)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen