Stephan Lill

Gretel und Rumpelstilzchen

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Der gestiefelte Kater klopft an die Hütte der sieben Zwerge. Gretel öffnet die Tür. Sie trägt einen Bademantel. „Was ist denn? Ist doch noch so früh am Morgen. – Ach nee, ein Kater. Noch so ein zwergenwüchsiges Wesen. Hört das denn gar nicht auf?“

Jambo, einer der sieben Zwerge, kommt zur Tür und besieht sich den gestiefelten Kater. „Der Kater ist mindestens einen Kopf größer als ich. Geh er gefälligst auf allen Vieren, dann komme ich mir nicht so zwergenhaft vor.“

Jambo drückt mit seinen Armen auf die Schulter des gestiefelten Katers. Der Kater faucht. „Fass mich nicht an, sonst ergeht es dir wie den Rebhühnern. Dann packe ich dich in einen Sack und schleppe dich zum König.“

Gretel zerrt Jambo weg vom gestiefelten Kater. „Los mach Kaffee, Jambo! Die Zeiten wo euch Schneewittchen verwöhnt hat sind vorbei. Und nasch nicht wieder von meinen Lebkuchenherzen. Aber dem gestiefelten Kater, dem kannst du eines servieren. Komm Kater, ich lade dich ein. Ich weiß, deine Gegenwart bringt Segen.“

Der Kater deutet auf einen Busch der neben dem Zwergenhaus steht. „Ich habe einen weiteren Gast mitgebracht. Eine Müllerstochter. Sie versteckt sich dort im Busch. Sie wird steckbrieflich gesucht. Sie ist die Hauptverdächtige im Rumpelstilzchen-Mord.“

Der Kater steckt sich die Pfote in den Mund und pfeift laut. „Cool nicht wahr? Diesen Trick habe ich von der Prinzessin gelernt. So mit ihren beiden Fingern im Mund pfeift sie, wenn ihr Gatte nicht parieren will. Der arme Müllerssohn – das habe ich ihm eingebrockt. Konnte ich ahnen, dass die Prinzessin ein Teufelsweib ist?“

Gretel spuckt ihren Kautabak aus. „Das bin ich auch. Hast du was gegen Teufelsweiber? - Dazu wird man, wenn man es zu tun hat mit Hexen, die große Backöfen haben. Wehre dich beizeiten – das ist nun mein Motto.“

Gretel geht zu dem Busch. Die Müllerstochter tritt hinter dem Busch hervor. Sie trägt ein goldenes Kleid. Gretel: „Also kannst du tatsächlich  Stroh zu Gold spinnen? Bringst du mir das auch bei?“

Die Müllerstochter sagt: „Nenne mich Ramona, dann braucht der Erzähler mich nicht immer mit der Müllerstochter zu titulieren. – Zu deiner Frage: Ja, ich kann inzwischen Gold zu Stroh spinnen. Das Geheimnis war aufgeschrieben in dem Tagebuch von Rumpelstilzchen.“

Gretel: „Kombiniere: Du hast Rumpelstilzchen umgelegt und dann in aller Ruhe seine Hütte durchsucht. Tatmotiv ist vorhanden. Hast du ein Alibi?“

Ramona: „Ich habe sogar zwei.“

Jambo bringt zwei Tassen Kaffee. Er lacht. „Zwei Alibis – das geht doch gar nicht.“

Er stellt die beiden Tassen auf einen großen Baumstumpf. Um den Baumstumpf herum stehen sieben große Pilze. „Setzt euch. Diese Pilz-Hocker sind Spezial-Züchtungen von mir. Ich habe einen Sinn für das Praktische.“

Die vier setzen sich auf die Pilz-Hocker. Ramona sieht sich um. „Schön habt ihr es hier. Ich sehne mich nach dem Schlichten, Behaglichen. Bei mir im Palast, da finde ich meine Zimmer nicht wieder. Ich habe das Gefühl die Diener verstecken und vertauschen die beständig. Säle, Hallen – allesamt unbenutzt zumeist – ich irre durch meinen Palast tagtäglich wie durch einen Irrgarten.“

Jambo holt aus seiner Tasche vier Lebkuchenherzen. Er reicht jedem eines. „Wenn ich euch behilflich bin – darf ich dann auch eines der Lebkuchenherzen haben? Ich wollte immer Kommissar werden. Mordfälle lösen. Den Fall des toten Bären habe ich bravourös aufgeklärt.“

Gretel sagt kauend: „Den Bären hattest du selber getötet mit deinem selbstgemachten Honigwein. Wie kannst du dem Bären sieben Fässer davon vor seine Höhle stellen?“

Jambo: „Die Fässer wollte ich dort lagern. Konnte ich ahnen, dass dort ein Bär schlummert?“

Der gestiefelte Kater pfeift erneut mit Hilfe seiner Pfote. „Wir kommen ab vom Thema. Ich kümmere mich um die Müllerstochter Ramona, weil mein Herr, der Müllerssohn, in sie verliebt ist. Er will weg von seiner Prinzessin.“

Gretel: „Aha! Ein neuer Tatverdächtiger. Der Müllerssohn hat Rumpelstilzchen umgebracht, damit keiner mehr nachweisen kann, wie seine geliebte Ramona getrickst hat mit dem Gold.“

Ramona wirft ihre Arme in die Luft und steht auf. „In jedem verdammten Märchen-Buch stehe ich als Betrügerin da. Wie konnte mein Vater dem König versprechen, dass ich Stroh zu Gold spinne? Hat er mich das jemals machen sehen? Habe ich jemals vor dem Frühstück noch ein wenig im Schuppen oder im Heuschober gesessen und habe so vor mich hin Gold gesponnen? Wir waren arm! Meine Freundinnen hatten allesamt ungeflickte Kleidung. Ich aber: dicke Patches auf meinen ausgefransten Kleidern.“

Der gestiefelte Kater: „Cool. Ich mag diesen Grunge-Look. Ich finde dich jetzt schon voll hipp.“

Ramona knickst. „Danke, Herr Kater. Ich habe deine Abenteuer mit Interesse verfolgt. Ich bewundere deinen Einfallsreichtum und ...“

Jambo, der Zwerg, unterbricht Ramona. „Ich hätte Lobhudeleien nötig. Wieso erscheinen hier immer die attraktivsten Frauen aus der Märchenwelt und keinerlei Lob oder Beachtung fällt dabei auf mich? Ich schaue empor zu diesen prachtvollen Geschöpfen: Schneewittchen war nicht die erste, die wir hier einquartiert haben. Mancherlei schöne Frauen fanden Zuflucht in unserer Zwergenhütte. Deswegen haben wir auch schon angebaut: Seht ihr, dort der Seitenflügel führt in das Gebirgs-Massiv. Dort haben wir tolle Wohnungen reingehauen in den Fels. Mit Edelsteinen geschmückt sind die Appartements. Zur Zeit sind nur zwei davon belegt. Wie ist es Ramona, kennst du noch Freundinnen von dir, die wir hier verwöhnen können?“

Ramona schaut in die Richtung in die Jambo gedeutet hat. „Kann ich mir das mal anschauen? Wer ist der zweite Gast, der bei euch logiert? Ich bin auf der Flucht und möchte nicht entdeckt werden von den Spähern des Kommissars. Sie haben Rotkäppchens Wolf angesetzt auf den Fall. Und dieser Kommissar Wolf der soll gefährlich sein.

Der gestiefelte Kater: „Ach was, der hätte keine Chance gegen mich. Bei mir bist du sicher.“

Ein Lachen ist aus dem umliegenden Wald zu hören. Kommissar Wolf springt mit einem großen Satz auf den Baumstumpf, an dem sie sitzen. Er schnuppert an den Lebkuchenherzen, die auf dem Baumstumpf liegen. „Die mag ich sicherlich. Haben wir schon über das Thema Bestechung gesprochen?“

Ramona hält mit zitternder Hand ihr Lebkuchenherz dem Wolf entgegen. „Eine Anzahlung? Ich kann gewiss noch viel mehr Lebkuchenherzen herbeiholen oder anfertigen. Denke daran, ich kann Stroh zu Gold spinnen, dann kann ich sicherlich auch Stroh zu Lebkuchen spinnen.“

Der Wolf schnappt sich ihren Lebkuchen und kaut darauf herum. „Lecker. Das mit dem Stroh als Ausgangsprodukt vergiss mal. Hört sich voll unlecker an. Das ist das Problem mit euch Märchenfiguren: alles muss mit Magie geschehen. Kann sich eine nicht mal hinstellen und tüchtig backen? Wozu hast du deine Hände? Naja, du könntest mir damit auch mein Fell kraulen. Hier oben am Rücken komme ich schwer heran.“

Der gestiefelte Kater: „Tue es nicht. Denke an Rotkäppchen und ihre Großmutter. Übel wollte der Wolf mit ihnen verfahren.“

Der Wolf: „Pah! Das sind doch alles Märchen! Kein Haar habe ich der Großmutter gekrümmt. Das hat sich dieser Jägersmann alles aus seinen Fingern gesogen. Groß aufschneiden wollte er vor seinen Jägersgenossen. Alles Jägerlatein. Dicke Sprüche. Und wer muss leiden: Ein unschuldiger Wolf , wie ich.“

Der Wolf packt den Zwerg Jambo und schleudert ihn hoch in die Luft. „Ich fang dann schon mal mit der Folter an. Wie lautet dein Geständnis, Zwerg? Los pack aus!“

Zwei der anderen sieben Zwerge kommen aus der Hütte gelaufen. Es sind Zambo und Rambo. Der Wolf schaut empor zu Rambo. „Du bist aber der größte Zwerg, den ich je gesehen habe. Bist du ein Mutant? Hast du giftige Gase eingeatmet tief im Berg?“

Der große Zwerg Rambo packt den Wolf an den Hinterbeinen und dreht sich mit ihm im Kreis. Immer schneller wirbelt er mit ihm herum. Der Wolf: „Wäre jetzt keine gute Idee mich loszulassen. Mir ist speiübel. - Lass mich los!“

Rambo: „Deine Flugbahn könnte am massiven Felsgestein enden. Wäre das in deinem Sinne? Ich könnte dich auch über unser Zwergenhaus fliegen lassen in einem schönen hohen Bogen. Was möchtest du nun?“

Der Wolf atmet schwer und keucht: „Ich ... nehme ... die Flugbahn über die Hütte.“

Rambo lässt den Wolf los und der Wolf schleudert aus der Kreisbewegung heraus voll gegen die Hütte. Der Wolf rappelt sich auf. „Mein Kreuz! Das wirst du mir teuer bezahlen, Zwerg! Ich ...ich verklage dich auf Schmerzensgeld. Wirst schon sehen.“

Rambo: „Und das ist der böse Wolf aus dem Rotkäppchen-Märchen? Die Grimm-Brüder haben mächtig übertrieben. Er ist so possierlich.“

Der gestiefelte Kater: „Das ist meine Rolle: der possierliche Kater mit dem guten Herzen. Wolf, schnapp mir diese Rolle nicht weg. Sonst prügel ich dir das Possierliche aus deinem verlausten Leib.“

Der Wolf klopft sich sein Fell ab. „Der Mörtel von dieser Zwergenhütte bedeckt mein schönes Fell. Welche Bausubstanz verarbeitet Ihr? Das wirkt wie eine Mischung aus Honig und einer übelriechenden Pflanze.“

Gretel: „Komm Wolf, setz dich zu uns an diesen Baumstumpf-Tisch. In gemütlicher Runde können wir diesen Rumpelstilzchen-Mord sicherlich schnell aufklären. Ich bin blitzgescheit. Wir gehen die Liste der Verdächtigen durch – und die Wahrheit wird siegen."

Der Kommissar Wolf humpelt zu ihnen und setzt sich vorsichtig auf einen der Pilz-Hocker. „Die sind stabiler als man denkt.“

Der Wolf sackt mitsamt des Pilz-Hockers zu Boden.

Jambo steht über ihm und blickt ihn an. „Du liegst ja schon wieder auf dem Boden. Es ist doch gut, wenn man einen  großen, starken Bruder hat. Rambo ist allerdings nur mein Halbbruder. Sein Vater war der Riese Goliath.“

Ramona reicht dem Wolf ihre Hand und zerrt ihn an seiner Tatze wieder empor. „Ich backe dir so viele Lebkuchen wie du willst. Du sprachst von Bestechung. Was ist dein üblicher Tarif? Womit kann ich dir eine Freude machen?“

Jambo, der Zwerg, beugt sich zu Ramona hinüber und sagt: „Frage mich doch mal, womit du mich erfreuen könntest. Prinzessinnen finde ich sexy.“

Ramona: „Das ist es ja: als Müllerstochter, da trägst du alte, zerschlissene Kleidung, arbeitest viel und hast für Liebe keine Zeit – und außerdem fehlt es an Interessenten.“

Zambo, der dritte Zwerg setzt sich auf Ramonas Knie. „Schneewittchen ist gut klar gekommen mit uns. Der Job wäre frei. Schneewittchen hat gekocht, gebügelt, gesaugt und unsere Betten gemacht. Soll ich dir mein Bett mal zeigen?“

Ramona stößt den Zwerg Zambo von ihren Knien. „Bloß gut, dass die Gebrüder Grimm nicht zu detailliert Schneewittchens Aufenthalt hier bei euch beschrieben haben. Das wäre nie als Kinderbuch zugelassen worden.“

Der Wolf: „Du glaubst ja gar nicht, was in Bezug auf uns Märchen-Figuren alles geflunkert, erlogen und herbei-phantasiert wird. Und ich bin zumeist der Leidtragende: als zuverlässiger Lieferant für böse Taten – so hat man mich abgestempelt.“

FORTSETZUNG FOLGT

Inhalt:
Die Märchenwelt ist in Aufruhr: Der blutige Mord am Zuhälter Rumpelstilzchen versetzt die Bewohner in Angst und Schrecken. Wer ist der Mörder? Wird er wieder morden? Was ist sein Motiv? Fragen, auf die niemand eine Antwort weiß. Niemand? Hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen hat sich längst ein neues Hausmädchen einquartiert: Gretel hatte genug von den plumpen Annäherungsversuchen ihres Bruders und dem Medienrummel nach der Hexensache, und zog sich zurück in die Ruhe der Natur. Doch jetzt ist wieder ihr Scharfsinn in brenzligen Situationen gefragt: Bekannt für ihr kluges Handeln im Lebkuchenfall, bitten die Bewohner des Märchenlandes sie um Hilfe. Wird es Gretel rechtzeitig möglich sein, den Killer zu entdecken und zu stoppen? ***

Dieses Buch ist mein Beitrag zu einer splitstory.com Story.
Die Inhaltsangabe stammt nicht von mir, sondern von http://bittersuesss.wordpress.com

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.09.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Cinderellas Wahl

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