Diethelm Reiner Kaminski

Lasst Blumen spechen



Kennen Sie auch diese tiefe Verletzung, die ein Mann erleidet, wenn er sich endlich überwunden, finanzielle und grundsätzliche Bedenken hintan gestellt  und ein Floristenstudio aufgesucht hat? Wenn er dort nach langen Verunsicherungen und tiefen Demütigungen, weil er nur drei Arten bei Namen kennt, einen Blumenstrauß ersteht? Wenn er diesen dann mit erwartungsvollem Blick seiner Frau oder Freundin überreicht? Und wenn diese – statt ihm überwältigt in die Arme zu sinken – nur missmutig auf die Blumen starrt und bissig bemerkt ‚Mit rosa Nelken hast du ja wieder voll meinen Geschmack getroffen‘, ‚Was für eine unmögliche Farbe.‘ – ‚Hoffentlich hast du dich auch nicht übernommen?‘
Blumensträuße, vor allem außerhalb der obligatorischen Geburtstags- und Hochzeitstermine, wecken Misstrauen und sind deshalb nicht unbedingt geeignet als Liebesbeweise. Auch wechseln viele Frauen so rasch ihre Vorlieben, dass ein Mann gut beraten ist, die momentane vorher auszuspähen, bevor er sich mit ungewissem Ausgang in Unkosten stürzt. Auch ist weniger manchmal mehr, wie Hilde Domin in ihrem bekannten Gedicht richtig erkannt hat: ‚Nur
eine Rose als Stütze …‘
Eine Rose ist unverdächtig, auch wenn der praktische Verstand gleich fragt, ob überhaupt eine passende Vase im Haushalt vorhanden ist, in der das Einzelexemplar nicht wie verloren wirkt. Ein großer Rosenstrauß weckt Misstrauen: Was will der Mann verschleiern? Möchte er sein schlechtes Gewissen erleichtern? Was steckt dahinter? Warum ausgerechnet jetzt, nach drei oder fünf Jahren?
Solche Enttäuschungen addieren sich und führen zu Frust und Mattheit in der Partnerschaft. Ich für meinen Teil habe herausgefunden, wie man Enttäuschungen nicht nur vermeidet, sondern auch noch in Erfolge ummünzt. Das Zauberwort heißt: Publikum. Sie müssen die Übergabe der Blumen öffentlich machen. Sie müssen Ihrer Partnerin Gelegenheit geben, sich vor möglichst vielen Neiderinnen als großzügig Beschenkte in Szene zu setzen.
Da hat meine Freundin z. B. neulich ihre acht Arbeitskolleginnen zu sich nach Hause eingeladen. Ich platze mit meinem in letzter Minute – dafür aber äußerst preisgünstig - auf dem Blumengroßmarkt erstandenen Strauß herein, habe sofort meinen großen Auftritt und kann mich sogar noch der Unterstützung meiner Freundin gewiss sein, die die Missgunst ihrer Freundinnen sichtlich genießt, von denen sieben von acht sich nicht erinnern können, wann ihnen ihr Mann oder Freund das letzte Mal Blumen geschenkt hat.
Meine Freundin nimmt also den Strauß freudig entgegen und bemerkt: „Danke. Wie lieb von dir, Schatz, aber du musst mir doch nicht jede Woche …“, und mit einem Blick des Triumphes in die Runde: „Das kann ich dem Martin einfach nicht abgewöhnen. Halt noch die alte Schule. Manchmal weiß ich gar nicht, wohin mit all den Sträußen.“
Der Strauß, der sich aus Ringelblumen, gelben Löwenmäulern, Schleierkraut und was weiß ich zusammensetzt, ist zwar noch scheußlicher als sonst, weil die Auswahl kurz vor dem Abbau des Blumenmarktes am Abend nicht gerade üppig war, aber die Freundinnen sind voll des Lobes und überbieten sich gegenseitig darin, die Schönheit des Straußes zu preisen: „Wie geschmackvoll.“ – „Wie gut der zu deinem Make-up passt.“ – „Und wie die Farben harmonieren.“ – „Der leibhaftige Sommer.“ Gleich darauf pflegt dann der der Klagechor einzusetzen: „Wenn meiner doch auch mal auf die Idee käme, mir wenigstens ein Gänseblümchen zu schenken. Muss ja nicht mal ein gekauftes sein.“ – „Weißt du überhaupt, wie glücklich du dich schätzen darfst?“ – „So möchte ich auch mal verwöhnt werden.“ – „Meiner würde mir nicht mal einen Topf mit Heidekraut aufs Grab stellen.“ - Jedenfalls sonnen wir uns beide in der Bewunderung der Besucherinnen. Ich bin zufrieden: Kleiner Preis – große Wirkung. Dieses schöne Erlebnis sollte ich mir regelmäßig gönnen.
Bald bietet sich wieder so eine Gelegenheit. Die Eltern meiner Freundin haben ihren Besuch angesagt. Besonders lohnende Objekte, da von ihrer Seite nur Zustimmung zu erwarten ist. Möchten sie ihre Tochter doch endlich unter der Haube wissen. Angesichts dieses besonderen Ereignisses investiere ich sogar zwei Euro mehr als üblich – für Grünzeug und Klarsichtfolie, um nicht als stillos und knauserig dazustehen. Meine Freundin empfängt mich schon an der Tür mit der Nachricht: „Meine Eltern mussten den Besuch verschieben. Sie kommen erst nächsten Monat. Lass mal gucken. Die sind doch hoffentlich nicht für mich. Weiße Lilien. Die stinken. Wickele sie gar nicht erst aus. Die kannst du morgen deiner Sekretärin überreichen. Dann gibt sie dir vielleicht endlich den Laufpass. Für wie dämlich hältst du mich eigentlich? Ich bin euch beiden längst auf die Schliche gekommen.“

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 23.09.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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