Kurt Henke

Mit 88 war das Fliegen auch noch schön

Als Nachbarkinder mit 6 Jahren noch im Sandkasten gespielt, haben Friedel und Paul sich aus den Augen verloren. Friedel ging mit 15 zu einem Rechtsanwalt im Sudetenland in die Lehre.
Paul hatte vor, einmal Steiger oder Betriebführer zu werden. Dafür musste er einige Schulen besuchen. War Soldat geworden. Im Krieg seinen rechten Unterschenkel verloren Beide haben geheiratet. Die Ehepartner waren inzwischen gestorben.

Friedel hatte sich schon vor vier Jahren in der Panhoffstiftung in Werne-Stockum ein neues Zuhause im betreuten Wohnen beschafft. Ganz zufällig treffen sie sich im angegliederten Kaffee wieder. Friedel erkennt den Paul und spricht ihn an. Im stiftungseigenen Park sitzen sie oft in den Strandkörben. Sie haben viel Erlebtes aus der Vergangenheit auszutauschen.

Da bei erfährt Paul auch, dass Friedel in den vielen Jahren noch keinen richtigen Urlaub erlebt hat. Ihr recht früh verstorbener Mann war mit seinem eigen Haus und Garten glücklich und zu frieden. Wofür in die weite Welt fahren, wenn ich hier alles habe und glücklich lebe, war
sein unveränderlicher Standpunkt. Friedel und Paul mit ihren inzwischen fast 9o Jahren waren sich zu einer eheähnlichen Gemeinschaft näher gekommen.

Paul ein über viele Jahre begeisterter Camper. Auch die beiden Söhne von Friedel mit ihren Wohnhänger sind schon viele Jahre ausgesprochene Freunde des Campens. Ihr ständiges Ziel ist der Ossiacher See in Österreich. Sie machten Friedel und Paul das Angebot, doch mitzukommen. Paul war Feuer und Flamme. Günter machte bei der Camperfamilie einen Termin fest. Dort sollten sie in den Sommerferien für drei Wochen ein Apartment beziehen können. Paul hatte vor, noch mit 86 begeisteter Autofahrer, selber zu fahren. Das wollten Friedel und ihre Söhne nicht geschehen lassen. Ein Kompromiss wurde gefunden. Adelbert nahm das Gepäck auf der Hin- und Rückfahrt in seinem Hänger. Friedel und Paul flogen von Köln nach Villach. Andreas brachte die beiden nach Köln.

Friedel war in ihrem Leben noch nie geflogen. Sie hatte eine Heidenangst davor. Es gab viele schlaflose Nächte. Auch wenn Paul Ihr klar machen wollte, dass es nichts Schöneres gibt, als Fliegen Die Angst blieb. In Köln stand die Maschine schon Abflug bereit. Sie hatten eine geänderte Startzeit übersehen. Im letzten Augenblick erreichten die Beiden das Fallreep. Paul konnte beim Abheben der Maschine nur noch sagen, du sollst sehen, es gibt nicht Schöneres als Fliegen. Wenn das stimmt, erwiderte Friedel, dann schmeiß ich in Ossiach für alle eine Runde, Sie wurde still und immer stiller, Die Maschine hörten sie gar nicht mehr. Und wie sie über die Alpen flogen, sie zum Greifen nah, deutlich die Berge und Täler sahen, da sagte sie, mit einem Stoß der Erleichterung,--Fliegen ist doch schön. Ich glaube, das wird nicht mein letzter Flug gewesen sein. Mein Versprechen halte ich und gebe für alle einen aus.

In Villach wurden wir schon von beiden Ehepaaren Schönfeld erwartet. Beide wetteiferten darum, uns die Schönheiten Kärntens zu zeigen. Das fing schon in Villach an. So ein riesiges Kaufhaus hätte ich der Kärntner Hauptstadt nicht zugetraut. Das kam mir größer vor, als das KDW in Berlin. Die beiden Neuangekommenen hatten nicht einen so herzlichen Empfang auf dem Campingplatz von der Besitzerfamilie Meindl erwartet. Fast als wären sie, wie die Schönfelds, schon über zwanzig Mal, ihre Gäste gewesen

. Das Apartment, wie in einem guten Hotel. Frühstücksraum und Kantine in unmittelbarer Nähe, Vor der Haustür ein großer Platz. Hier fand jede Woche Donnerstag ein Platzkonzert mit Grillabend statt, Es war überhaupt außergewöhnlich, dass jedes Dorf, um den Ossiacher See gelegen, einmal in der Woche mit einer guten Kapellen ein solches Konzert auf aufzuweisen hatte.

Sie erlebten eine trockene, warme und schöne Sommerzeit. Die beiden Schönfelds lagen mit ihren Hänger unter schattigen Bäumen unmittelbar am See. Zum Baden dass Wasser bei über zwanzig Grad Wohlfühltertemperatur. Vor sich ein Steg, der weit in den See hinein führte Auch einen großer Prontom gab es, um sich auf dem Wasser zu Sonnen .Das war Urlaub pur. Friedels Söhne gaben sich die erdenklichsten Mühen, uns den anempfohlenen Urlaub so angenehm wie nur möglich zu gestalten. Sie waren fast jeden Tag mit uns in den beiden PKW in die Lande gefahren. Schon am Abend wurden die Vorhaben des nächsten Tages besprochen. Der See und die nahen Berge boten so unwahrscheinlich viele, schöne Reiseziele.


Im Bonsaipark Seeboden am Millstätter See haben wir lange verweilt. Eine in dieser Menge noch nie gesehener Bonsai Zwerge waren einmalig. Die vielfältigen Formen haben unsere Bewunderung wachgerufen. Die Einmaligkeit des Parks soll durch eine geplante Erweiterung für die Zukunft noch an Wert gewinnen.. Das Dorf dürfte dadurch für die nächst Zeit mächtig an Zulauf gewinnen.


Die Turacher Höhe zu erreichen, wurde auf Vorschlag von Friedel und Paul mit dem Lift vorgenommen. Auf 2000 m hatten sie eine wunderbare Weitsicht. Obwohl nur das letzte Stück auf Schusters Rappen erledigt wurde, war Friedel froh, es ohne weitere Hilfe geschafft zu haben und brachte dieses auch zu jeder angebrachten Zeit zum Ausdruck..

Vom Gipfelkreuz gab es einen wunderbaren Weitblick in das Kerntner Alpengebiet

Die zu dieser Höhe geführte Sommerrodelbahn war bis auf eine weite Strecke einzusehen. Dem Paul gelüstete es schon, dieses Sommerschlittengefährt lauszuprobieren. Er hätte gern die Fahrt zu Zweien vorgenommen. Fand aber niemand aus der eigenen Gruppe, der ihn dabei begleiten wollte. Er war schon ein Wenig neidisch, wenn die Schlitten zu zweit besetzt vorbeirauschten

Die Tage vergingen wie im Flug viel zu schnell. Eine Schiffsfahrt auf dem Ossiacher See ließ noch einmal den Blick vom Wasser über die rundum gelegenen Berge schweifen. Aus dieser Sicht konnten wir die gesamte Wucht und Erhabenheit in der Gesamtheit besser einsehen.

Den letzten Grill und Tanzabend vor unserer Haustür, bei über hundert Gästen, haben wir noch einmal ausgiebig genossen. Paul nimmt bei solchen Vergnügen wegen seiner Prothese das Tanzen selten wahr. Auf Wunsch von Friedel ließ er sich zu einem langsamen Walzer verführen. Als danach der Schlusstanz angesagt wurde, verließen sie die Tanzfläche noch nicht. Für Paul war dieser Aufgalopp doch etwas zu schnell. Der amputierte Stumpf schmerzte. Vor dem Schlafengehen stellte er dann fest, er hatte sich eine Wundstelle gescheuert. Das Bein war in`s Schwitzen gekommen. Der nasse Stupfstrumpf hatte sich in Falten gelegt und die Wundstelle verursacht.

Friedel und Paul verabschiedeten sich von der Familie Meindl mit dem Versprechen im nächsten Jahr wieder ihr Gast zu sein. Friedel machte selbst den Termin fest.

Die beiden Söhne von Friedel, hatten schon unser Gepäck für die Rückfahrt übernommen. Brachten uns wohlbehalten zum Flughafen Villach zurück. Auf der Empore hätten wir bald, mit Blick auf die startenden Flugzeuge unseren eigenen Abflug verplaudert.

Wie vereinbart standen Enkel Matias mit Silke zur Abholung schon vor der Flugsperre bereit.
Für dieses noble Entgegenkommen hatten sich Friedel und Paul schon bald mit einem netten Tagesausflug in das nahe Sauerland bedanken können.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 28.09.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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