Es geht ganz schnell. Rajan ist nicht auf Gerüche, sondern auf Gesichter dressiert. Zu ernste, nachdenkliche oder gar wütende Gesichter kann er nicht leiden. Er springt einen Menschen, der sich zu keinem Lächeln durchringen kann, so plötzlich an, dass er unter Rajans Gewicht zu Boden geht, und fixiert ihn dort mit Körper und Pfoten. Wenn der Umgeworfene jetzt – sozusagen in letzter Sekunde – doch noch lacht oder wenigstens grinst, dann beleckt Rajan freundschaftlich sein Gesicht, und alles ist gut. Wehe aber, er stößt auf Gegenwehr. Dann ist Blutvergießen unvermeidlich.
Rajan ist ein Mienenspürhund. Er ist nicht unser einziger, aber unser bester. Er gehört zu einer stattlichen Staffel von zwei Dutzend in jahrelanger mühevoller Arbeit dressierter persischer Hirtenhunde. Ein Versuchsprojekt des Staatsschutzes, das das Ziel verfolgt, die düstere Stimmung in unserem Lande aufzuhellen. In anderen Ländern wird nachweislich viel mehr gelacht und gelächelt, obwohl die Menschen in unserem Staat mit seinen stolzen Errungenschaften allen Grund hätten, glücklich zu sein und dieses Glück auch auszustrahlen. Da viele das nicht zu begreifen scheinen, müssen wir eben ein wenig nachhelfen. Wer einmal unter Rajan oder seinesgleichen gelegen hat, vergisst die kleine Erinnerung nie wieder. Er geht fortan mit einem Dauerlächeln durchs Leben und steckt andere mit seinem Lächeln an.
Zwei Dutzend persischer Hirtenhunde können nicht eine ganze Gesellschaft verändern, das wissen wir Initiatoren des Projekts, aber wir stehen ja auch noch ganz am Anfang. Wir sind dabei, es großflächig auszuweiten. Zu Hilfe kommt uns die Eigendynamik, die es zu entwickeln beginnt. Taucht irgendwo ein Hund auf, und es muss durchaus keiner unserer dressierten persischen Hirtenhunde sein, hellen sich augenblicklich die Mienen der Menschen auf. Das lässt uns hoffen, dass wir letztlich mit einer überschaubaren Zahl von Mienenspürhunden auskommen können, denn welche Frau, welcher Mann, welches Kind möchte schon zeitlebens mit entstelltem Gesicht herumlaufen?
Es gibt in unseren eigenen Reihen Stimmen, die sagen: „Was soll der ganze Aufwand? Wir haben bewährte Methoden, die nichts kosten und den gleichen Effekt haben.“
Wir antworten ihnen: „Der Vorteil des Hundeeinsatzes liegt auf der Hand. Wir können bei Beschwerden sagen: 'Bedauerlicherweise gibt es sehr viele streunende Hunde in unseren Städten. Harmlose Geschöpfe im Grunde … Solange sie nicht gereizt werden. Unsere strengen Gesetze zum Schutze des Lebens verbieten es, sie abzuschießen. Tut selber etwas: Seid freundlich zu ihnen, lächelt sie an, nehmt sie auf, gebt ihnen zu fressen, macht sie zu euren Freunden und nicht zu euren Feinden, dann geschieht euch nichts. Wirkt selber aktiv mit an eurem privaten Glück. Euer Staat unterstützt euch dabei. Er lässt euch nicht im Stich.'"
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.09.2010.
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