Karl-Heinz Fricke

Meine Bergmannsjahre (vierter Teil)

Kurz vor der Währungsreform waren wir wieder in der Grube und gingen unserer Arbeit nach. Am 21.6.1948, an einem Sonntag, trat die Währungsreform in Kraft. Jeder Bundesbürger erhielt als Anfangskapital 40 Mark. Die Hungerei war vorbei, denn die Geschäfte waren zum Bersten voll mit Lebensmitteln und langentbehrten Waren. Die 40 Mark waren schnell ausgegeben, und wer Arbeit hatte, der verdiente jetzt gutes Geld. In der Grube kräftig rangeklotzt, um gut zu verdienen. Die Gedinge vor Erz wurden weiterhin per Tonnenzahl bestimmt und in der Aus- und Vorrichtung per aufgefahrenen Meter. Vor Erz war es angebracht es nicht zu übertreiben, denn man war schnell dabei das Gedinge zu kürzen, wenn man über 18 Mark Tagesverdienst hinausschoß. Ein Bergmann musste also auch rechnen können. Ein Holzbau wurde mit 10 Mark bezahlt. Es gab allerdings auch Tage, an denen nichts richtig klappte, und dann musste man versuchen, es wieder rauszuholen.

Ich wurde einem alten Hauer als Helfer zugeteilt. Wir bauten einen Querschlag ab,

der unter hohem Höhendruck stand. Unsere Baue wurden immer mehr heruntergedrückt und knistern und knacken in den Hölzern war Begleitmusik.Otto,

mein Hauer, entstammte der Familie Holzbach, die in der Stadt die Drehorgel ertönen ließ. Er war ein gemütlicher Kerl, allerdings musste ich manchmal das Denken für ihn übernehmen. Nachdem wir den Querschlag ausgeerzt hatten, mussten die Hohlräume mit Bergesand zugeschaufelt werden. Einer Versatzrolle, also einem kleinen Schacht, der auf die obere Sohle führte, entnahmen wir den Bergesand. Dieser etwas körnige Sand hatte allerdings den Nachteil, dass er nicht flüssig aus der Rolle herausrutschte. Nun wollte Otto hineinkriechen und den Sand losstochern. Gerade zwei Wochen vorher war ein Bergmann dabei zu Tode gekommen. Er erstickte in dem Sand, der sich plötzlich löste. Ich sagte zu Otto, dass ich eine bessere Idee hätte den abgehangenen Sand in Gang zu bringen, er solle sich nur nicht vor das Rollenloch stellen. Ich kletterte schnell zur oberen Sohle hinauf, wo der Bergesand in die Rolle gekippt wurde, schnappte mir eine leere Kipplore und füllte sie mit Wasser aus der Rohrleitung. Dann schob ich die Lore vor das Rollenloch und entleerte sie. Ich hörte, wie sich der Sand in Bewegung setzte. Zufrieden, dass es geklappt hatte, stieg ich die Eisenleitern wieder herunter. Unten lag ein Haufen Sand, der aus der Rolle herausgespült worden war, aber von Otto gab es keine Spur. Ich begab mich zum Nachbarstoß und man fragte mich, ob ich Otto ertränken wollte. Er war nass wie eine Katze gewesen und sei rausgefahren. Na, da würde ich mir ja am nächsten Tage etwas anhören können. Das Gegenteil trat ein. Otto hatte über Tage erzählt, warum er nass geworden war. Ich hatte eine Erfindung gemacht, die dann stets von allen befolgt wurde. Eigentlich eine logische Sache, aber man arbeitete vielfach noch mit althergebrachten, nicht ungefährlichen Methoden. Nachdem der Querschlag versetzt war, hieß es den nächsten darüberliegenden anzufangen, nachdem einige Vorrichtungen dafür getroffen worden waren. So ging es weiter, bis die obere Sohle erreicht war. Wir hatten gutes Geld verdient, aber das sollte sich für mich ändern, denn ich wurde in die Aus- und Vorrichtung versetzt, und ich sollte mit Fritze Fasshauer Aufbrüche auffahren. Doch davon wiederum im fünften Teil meines Bergwerkslebens.

Karl-Heinz Fricke 13.9.2010

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