Kurt Henke

Wie hätte ich diesem, meinem Lebensretter danken können?

Mit sieben Jahren war ich mit meinen Eltern von Werne nach Rünthe verzogen. Meine neue Lehrerin in der Schule war ein Fräulein Plate. Ich weiß heute nicht mehr. warum sie mich besonders mochte. Jedenfalls musste ich immer, wenn wir ein neues Gedicht gelernt hatten, zu ihrer Busenfreundin, Fräulein Guddenoge, in die ein Jahr ältere Schülerklasse, diese Gedichte vortragen. An eines dieser Gedichte erinnere ich mich heute noch sehr gut. Vom Büblein auf dem Eis. Das Büblein steht und hacket mit seinen Stiefelein. Vielleicht weil ich diese Bewegungen etwas theatralisch mit vollzog. Diese Lehrerin war es auch, die mir eine halbjährige Erholungszeit nach Ostpreußen zu meinen Großeltern vorschlug, die von einem Wohlfahrtsverband organisiert wurde. Da meine Eltern das Geld für die Fahrt nicht aufbringen konnten, zahlte sie das es aus eigener Tasche,

In Ostpreußen, im Dorf Rodenau, zu dem auch das Gut meines Großvaters gehörte, der dort als Kämmerer tätig war, freundete ich mich mit dem Schweitzer gut an. Er hatte über 1000 Kühe zu beaufsichtigen. Ein Gut mit einer heute unvorstellbaren Größenordnung
Auf der riesigen Weidekoppel gab es einen großen Tränketeich. In diesem Teich lernte ich das Schwimmen, unter seiner Anleitung des Schweizers. Hundekrabbeln nannte er meine Schwimmbewegungen. Zu mehr hatte es dort auch nicht gereicht.

Diese erworbene Fähigkeit wollte ich natürlich zu Hause den Bekannten vorführen. Darum ging ich bei entsprechendem Wetter auch zum Lippebogen, fasst in Evenkamp baden. Dort gab es einen kleinen „Toten Arm“, mit einem ehrenamtlichen Bademeister. Das Wasser war über den Arm vielleicht 10 oder 15 m breit. Meine Künste stellte ich hier mit dem Hundekrabbeln vor. Eine andere Art der Schwimmbewegungen wollten mir ohne Hilfe nicht gelingen.

Wir Jungen hatten im Fuchswinkel ein kleines Waldstück in Richtung Heil vor den Lippeniederungen. Unser für vielerlei Spiele geeignetes Paradies. Hier verlebten wir schon manchen Nachmittag. Daher wusste ich auch, dass sich in 5oo m Entfernung eine in der Lippe befindliche Sandbank befand, die ich zum Schwimmen aufsuchte. Schon von Weitem erkannte ich dort Badegäste. Bald wusste ich, dass es ein Mädel meiner Klasse, Gerda Kleinhans und ihren Bruder Helmut waren. Die Lippe machte hier einen großen Bogen, mit einer Sandsteilwand auf der Rünther Seite. Gegenüber im Wernerland befand sich eine bis auf 25 m flach ins Wasser abfallende Sandküste. Gleich bei meinem Eintreffen verließ der Helmut das Wasser. Ich hatte es eilig, den beiden zu zeigen, dass ich auch schwimmen konnte. Nur ganz langsam stieg ein. Schon am Küstenrand konnte ich kaum mehr stehen.. Mein Hundekrabbeln brachte mich zwar langsam, aber sicher an das andere Ufer. Als ich mit den Schwimmbewegungen aufhörte, stand ich nur noch mit halben Körper im Wasser. Nach einer kleinen Ruhepause ging es wieder zurück.

Dort angekommen machte ich den großen Fehler, mich zu früh im Wasser aufrecht stellen zu wollen. Dabei tauchte ich ganz unter Wasser. Ich hatte die Steilwandküste mit dem tiefen Grund nicht mehr berechnet. Schluckte sehr viel Wasser. War nicht mehr bei Sinnen. Die Schwimmbewegungen vergas ich und tauchte noch ein oder zweimal unter. Der Helmut, nur zwei Jahr älter als ich, sprang von oben ins Wasser. Packte mich und wollte mich bis auf den Rasen oberhalb der Sandbank ziehen. Dazu brauchte er aber die Unterstützung seiner Schwester Gerda, die ebenfalls nachgesprungen war. Als ich mich ein Wenig erholt hatte, schaffte man es gemeinsam mich oben auf dem Rasen zu legen. .Es verging schon eine Weile, bis ich nach meinen gestammelten Dankesworten angezogen war und mächtig geknickt den Heimweg antrat



Obwohl Helmut nur einige hundert Meter durch Gartenland von uns wohnte, hatte ich bis dato keinen besonderen Kontakt zu ihn. Auch weil er nicht in der Fußballmannschaft von der Waldemaystraße mitspielte. Dieses Ereignis hat uns näher gebracht.. Mit meinen beiden Nachbarfreunden Willi und Otto, spielten wir viel im Fuchswinkel. Ein kleiner Laubwaldbusch der vor dem Abfall in die Lippewiesen für alle unsere Spiele herhalten musste. Wir waren zu viert dort angekommen, sahen von Weitem ein uns bekanntes Lehrmädchen aus dem Konsum mit einem Jungen Mann hinter einer großen Weißdornhecke verschwinden. Wir Jungen waren neugierig, was das wohl auf sich haben konnte. Liefen durch ein Runkelfeld in Richtung Weißdornhecke. Das hatte wahrscheinlich der Bauer Schulze Heil beobachtet, Mit einem Krückstock kam er uns nachgelaufen. Wir fanden zum Glück schnell ein Schlupfloch in der Hecke, um das Runkelfeld verlassen zu können. Das Loch war ziemlich klein. Es dauerte eine Weile bis drein Mann von uns durch dass Loch verschwunden waren, Nur der Letzte, unser Helmut schaffte es nicht ganz. Der Bauer haute ihn den mit einer Eisenspitze beschlagenen Stock so kräftig auf den Hintern, dass er laut aufschrie. Wir haben den Schaden mit ein paar Taschentücher abgepolstert und das Bluten zum Stillstand gebracht.

Als wir den Helmut anschließend nach Hause gebracht hatten, dort wohlweißlich verschwiegen, wie er an den blauen Hintern mit der Wunde gekommen war. Ich freute mich jedenfalls, auch ihn einmal einen kleinen Liebesdienst erwiesen zu haben. In diesem Sommer hatte ich noch viele Lehrmeister, die mir das Brustschwimmen und auch das Schwimmen auf dem Rücken beibrachten.

Das gab mir die Sicherheit und den Mut, wie viele meiner Kameraden, vom Brückengeländer der Brück in den Kanal zu springen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.10.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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