Lothar Krist

Göttin Danae (Meine Suche nach den Worten)

Göttin Danae
oder
Meine Neue Suche nach den Worten
(Eine Geschichte zur Bilderserie „Kreuzschlagung“ von Ben Marcato)

Schattengewächse wachsen düster mein Geaug entlang,
ich verschatte das Tier in mir
in ihrem Lichtbewurf vor dem Kreuzermeer der Gräber.
Dieses Dunkelspiel von Schatten
bewächst meinen Bauch in ein Neues Leid.
Ich geile Traurigkeit!
Hey Schatten, ja du ... hey,
ja, lass Ihn wachsen ... leiden.

Dunkel bewegt sich ein fleischiger Wahn des Lebens. Das Fleisch reagiert am Licht, regiert ein Gieren, lässt ihn leben ... und dann sterben.

Der Wulst von Brust hebt und senkt sich in einem Neuen Rhythmus. Das Herz eines gemarterten Körpers schlägt Bumm-Bumm, Bumm-Bumm. Der Leiderleib bewegt sich zuckend, in schwabbernde Weichheiten zerfallend. Er zuckt von Ton zu Ton. Er zerschattet meinen Blick, und manchmal verirrt sich das Licht in die Dunkelheiten ihres geschundenen Leibs.

Mein Schwanz krankt sich einen Stierblick von Geilheiten entlang, er verdoppelt sich am doppelten Effekt der sich hebenden und senkenden Brust. Ihr gequältes, so stoßweise kommendes, röchelndes Atmen, das Anheben und Absenken der Brust ist Alles, was ich sehe, ... und versuche zu beschreiben, und dieses Gefühl, das so eine Kreuzigungsbewölbung einer ans Kreuz geschlagenen Göttin bei “Kriegern“ dabei bewölben kann.

Ich zerkranke. Ich bekranke mich selbst. Ich vergrabe diesen Wahn ganz tief, um ihn gleich wieder auszugraben. Ich genieße ihr Gezitter, dieses Zucken der Muskeln im Todeskampf. Ein Krampf macht mich kurz zum “Krieger“.

Ich bin krank. Ich bin so krank am Neuen Geist meiner Welt von Heute.

Ich schreibe ein Tier hinein in meine Hose, und das Alles Live. Versteht das Irgendwer? Ich bin ein Dichter, mitten heraus aus unserem elektronisch infizierten, wohlstandsvertierten Heute. Ich sitze fast täglich an meinem so und so teuren Computer und doch schreibe ich Alles Live. Versteht das heute schon Irgendwer? Live-Schreiben ist meine Antwort auf die reflexions-verunmöglichende Schnelligkeit meiner Zeit. Ich schnecke gierig nach der Alten Langsamkeit.

Danaes letzter Pupillenwurf verlächelt meinen kurzen Augenaufschlag. Ich schreibe, ja, ... ich schreibe ihr das schwere Kreuz auf ihren geschundenen und doch noch immer so wunderwunderschönen Leib. Und ich spüre dabei mein wieder so unheimlich und wieder so unzähmbar gewordenes Menschentier. Ich bin auf der Jagd nach Worten. Mein Gedankenschießgewehr schießt Stakkato nach den Worten. Ich jage den alten, aber vor Allem wohl den so neuen, noch unbekannten Worten hinterher. Mein Jagdinstinkt steht steil auf Anschlag. Ich bin ein Buchstabenjäger in dieser irren und doch auch wieder und noch immer so schönen Zeit von unserem Heute. Und ich schreibe Alles live.

Ich schreibe Rrrrhhh, ich schreibe das Grrrhhh in meine irre Zeit und amüsiere mich dabei. Ich gebe ja zu: ich bin krank, geisteskrank, so geisteskrank geworden an meiner Zeit. So irre krank.

Rrrrhhh, grrrhhh, ihre Haut ist einfach irre ... so irre weich, wie sonst nichts in dieser Welt. Erde, Erde, aufgerissene schwarze, braune, rote, gelbe, weiße Erde. Eine Haut ... soo zaaart ... soo lebendig ... so voller Wunder ... so nahrreich in ihren grünen Wiesen, Wäldern und Feldern. Ja selbst ihre Wüsten verdünen sich in ockerfarbenen Schönheiten sich entblößend in der Netzhaut unserer Augen. Und dabei vergrrrhhht sich ihre Haut nun an diesen meinen Augen, sie entführt sich nun selbst in wilde Zartheiten entloren hin und wieder zurück in den Zartschatten der im Strahl des Lichts sich verlierenden Zitterhaut eines Neuen Massentods. Ein geiles Doppelspiel. Ein irres Wunder an Irrheiten unseres so irren Lebens.

Bewegung, Bewegung, Bewegung. Alles bewegt sich nun in einem Neuen Bumm-Bumm. Bewegung, Bewegung, Bewegung. Alles fließt sachte, Alles verfließt im Bumm-Bumm. Die Hüfte verhüftet etwas mehr nach links. Ich lasse meine Augen gieren. Ich will fangen dieses Bild vom eklig Tod. Das ungeschützte Nackt der ans Kreuz genagelten Arme strahlt so heiliglich im Licht.

Die Kinder spielen nun wieder Tod. Hey Gameboy, o Gameboy, peng-peng nun, bumm-bumm und tot-tot. Die Drohnen umfliegen den geschändeten Leib, Geschoße, gehärtet mit dem Uran einer Neuen Zeit, DU-Raketen schlagen ein, zerfetzen Mutter Erde den ausgemergelten Leib, peng-peng nun, bumm-bumm und so strahlender Tod. Die Drohnen speien nun Feuer, Verwinseln und braundreckigen Kot. Die Bonesmen, die lachen, sie frohlocken, um Ölfelder zocken, legen die Pipeline dann, wie geplant, durch dann menschenleeres Land ... nach hier ... und werden reicher ... während der Rest der Welt in Armut versinkt. Versteht das heute schon Irgendwer?

Die Kinder des Friedensmenschen von Gestern, der nur an das Gute geglaubt, seine Söhne wie Töchter, sie haben gut getroffen. Sie sind ja alle soo guuut. Sie wurden ja soo gut erzogen, soo antiautoritär. Doch der Joystick, der Joystick, der lag auf dem Gabentisch ... zu Weihnacht, zu Ostern, zum Geburtstag und sonst, der sah kein Blut und kein Leid, drum hat er jetzt kein Herz dafür. Dieser Joystick, dieser Joystick, der hat sich nun tief in Seelen und Herzen gegraben, und der Finger, dieser Kinderfinger, der macht nun Peng-Peng und Bumm-Bumm. Und der Bonesman, der Bonesman im Weißen Haus, der hängt diesen Zeigefingern nun den Goldenen Joystick um. Bitte, glaub mir, der weiß, dieser Bonesman, der weiß ganz genau, wofür. Und die Kinder, die Kinder, die noch gar nicht begreifen, sie verschlenkern im Jubel die sauberen Hände, sie klatschen und toben, sie tanzen und lieben, sie leben ihr Leben einfach so weiter, wie bisher. Sie haben das Blut, sie haben das Leid nie gesehen. Und wenn sie dann endlich begreifen, dann bringen sie den Tod auch verzweifelt zu dir.

Wie beschreiben diese Bewegung, diese so nur Fingertanzbewegung eines Neuen Tods? Wie beschreiben diese Bewegung eines Neuen Massenmordtods, geboren aus gestern noch so zarten, feingliedrigen und noch so unschuldigen Kinderfingern? Wie beschreiben dieses Vielvielmehr an Bewegung, als bloß dieses sichtbare, kurze Fingerkrumm, die verfließen soll in eine Neue Wortbewegung meines Neuen Zynikums, meines Geschichtsgedichts, diesem Neuen Mehr als gestern noch Prosa und diesem Neuen Nochvielvielmehr als gestern noch bloß Gedicht? Es muss sein wie eine satirende Atombombenberührung der Sprache hinein implodierend in den Wahn dieser Neuen Zeit von Morgen.

Miss La Bumm, Miss D, Danae, Göttin Danae, o Urmutter Erde du, du Urmutter allen Lebens meiner Welt, bewege Dich, bewege Dich doch dort oben am Kreuz am Rande des Lichts, bezarte dieses Rhythmusgebäude, beliebe diesen Tonpalast der Zeit, dieses so Neue Peng-Peng und Bumm-Bumm.

Sei Kitsch mir, sei purer Kitsch der Worte, sei meinen Dichtergefühlen enteinzigtes Seelengedicht. Lass mich ertrinken in Deinem Wortherzgehäuse. Lass mich vereinsamt Dir sagen: Ich liebe Dich.

O Miss D, Miss La Bumm, Göttin Danae, unser aller Mutter Erde, sie bewegt sich noch zitternd, so zuckend dort oben am Kreuz am Rande des Lichts. O, wie beschreiben als Nichts von einem Dichter dieses Dein letztes Erzittern, dieses Dein letztes Verzucken, dieses Dein letztes Bewegungsgedicht?

Meine Dichterseele zerkrankt an seinem so hilflosen Ich. Ich wollte doch immer nur ein Maler sein, doch die zittrigen Hände wollten das nicht. Dabei wäre dann Alles viel leichter. Zumindest für mich. Einem Dichter, der seine Zeit ins Grab schreibt, dem verzeiht man nicht.

Doch ich bin bloß so ein kleines Nichts von einem wortsuchenden Dichter, der nur schreibt, was er so um sich sieht und riecht, und hört und fühlt, und sonst Nichts. Ich schreibe nur von den kleinen Dingen unseres Lebens, sowohl im Guten, wie auch im Bösen, über mehr schreiben, das kann ich nicht.

O, ... weiß jemand, wie schwierig das ist? Ich bin ja kein verwegener Träumer, der sich in Irrealitäten versteigt. Ich schreibe ja nur, was ich sehe und rieche, was ich höre und fühle, mehr Phantasie habe ich nicht ... und ich bin kein Maler, bloß ein armer, Buchstaben klaubender, an sich glaubender Dichter, und so einem verzeiht man nicht. Und so bleibt mir denn Nichts, als die Entsehung, Entriechung, Enthörung, Entfühlung, ... so bleibt mir denn nichts Anderes übrig, als die Entlarvung, die Entdichtung meiner Zeit von Heute und Morgen, zu mehr reichen meine phantasiearmen Worte nicht.

Ich liebe Dich, o meine Göttin Danae. Von Dir Mutter Erde, da komm ich, zu Dir Mutter Erde, da geh ich auch wieder hin. Doch wer, bitte, wer weiß heute schon noch ... Wer Du bist?

Danae? Unser Aller Göttin Danae? Mutter Erde! Warum denn sonst bekriegen Wir Dich? Warum nageln WIR DICH nun wieder ans Kreuz? Und vor Allem: Warum schweigen Wir Alle immer wieder so laut an Dich? Ich weiß es nicht.

© Copyright by Lothar Krist (29.11.2002)

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.01.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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