Joana Angelides

Unsere Maus „Speedy“

Wir haben eine Maus. Nicht vielleicht eine dieser kleinen, meist beigefarbenen Plastikdinger auf dem Schreibtisch, mit denen man den Cursor am Bildschirm herum dirigiert, nein eine wirkliche lebendige kleine graue Maus.

Unsere Küche liegt an der Rückseite des Hauses, ebenerdig mit einem wunderbaren Ausblick auf den naturbelassenen Garten. Uns gefällt es so und außerdem ist es weniger Arbeit. Das geben wir aber natürlich nicht zu!
Am Abend blieb auf dem Küchenschrank ein Stück Käsebrot liegen und am Morgen war es angeknabbert. Sofort wurde Georg unser Sohn bezichtigt, das Brot angeknabbert zu haben. Was er bestritt!

Der Umstand, daß sich ähnliche Vorfälle häufen, ließen den Schluß zu, wir haben eine Maus in der Küche!

Zwischen dem Kochherd und dem ersten Küchenschrank ist ein zirka zehn Zentimeter breiter Spalt und dort dürfte sich der Eingang in unsere Küche für unsere Maus befinden.

Und gestern sah ich sie. Ich sah sie nicht in voller Größe, sondern nur ihr kleines Hinterteil und das rosa Schwänzchen. Als ich die Küche betrat versteckte sie sich in der Ecke beim Mixer und steckte ihren Kopf ins Dunkel, in der irrigen Meinung, wenn sie mich nicht sieht, sehe ich sie auch nicht!

Nach eingehendem Familienrat kamen wir zu dem Schluß, es muß eine Mausefalle her. Ich meine, es fürchtet sich ja kein Mensch vor so einer kleinen Maus, aber es ist unhygienisch. Und außerdem, sie wird ja keine Waise sein! Also gibt es Eltern, Geschwister und Tanten und Onkel, dieser kleinen Maus. Ich sah schon eine Invasion der gesamten Mausefamilie in meiner Küche.

Ich ging also in ein Küchenwarengeschäft und kaufte eine Mausefalle. Ich fühlte mich veranlaßt, dem Verkäufer zu erklären, ich bräuchte diese Falle für meine Tante am Land usw. Denn wie soll ich ihm erklären, daß wir Mäuse in der Küche haben?
Ich glaube aber, er hat überhaupt nicht hingehört, oder es war ihm egal.

Mit diesem Ding bewaffnet, betrat ich die Küche. Ich richtete etwas Speck und ein Stück Käse her und packte die Mausefalle aus. Nach genauerer Durchsicht der Gebrauchsanleitung, die nur aus einem Blatt bestand, versuchte ich zuerst den Käse einzuspannen. Nachdem ich mir dreimal den Finger eingeklemmt hatte und fürchterlich schrie, kam mein Mann in die Küche, sah sich das Ding fachmännisch an und spannte den Käse ein, der sofort in weitem Bogen wieder aus der Falle sprang, als sie zuschnappte und er gerade noch im letzten Moment alles fallen ließ.
Nach mehrmaligen Durchlesen des Zettels mit der Zeichnung (man gebe A zu D etc.....) schafften wir es dann doch, daß der Käse in der Falle eingeklemmt war und placierte sie in den Zwischenraum zwischen Herd und Küchenkästchen.
So, nun hieß es, die Nacht abzuwarten.
Am Morgen stellten wir fest, daß der Käse weg war, die Falle zugeschnappt, aber es war keine Maus drin! Sie mußte sich links und rechts an Herd und Küchenkästchen abgestützt und den Käse seelenruhig heraus gegessen haben. Anders konnte ich mir das nicht erklären.
Also, morgen kommt Speck rein.
Das Resultat war das selbe. Speck weg, keine Maus.
Doch als mein Sohn in der darauf folgenden Nacht in die Küche kam, um sich ein Glas Milch zu holen, saß sie seelenruhig am Küchentisch und knabberte genüßlich an den Reiskeksen, die wir dort zurück gelassen hatten. Sie schaute ihn mit ihren kleinen Knopfaugen an und erweckte seinen ganzen Zorn. Er fühlte sich ausgelacht. Er ergriff das Knochenbeil vom Regal und begann mit großem Zorn in Richtung Maus auf dem Küchenkasten tiefe Kerben zu hinterlassen, aber die Maus war viel zu schnell und schon wieder weg.

Wir haben dann neue Küchenkästchen gekauft und den Zwischenraum beim Herd verbaut. Die Mausefalle haben wir weggeworfen.
Seitdem wurde "Speedy" unsere Maus, nicht mehr gesehen. Aber wir wissen, daß sie da ist, wahrscheinlich im Garten und mit ihr die ganze Mäusefamilie.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.01.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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