Hans Witteborg

Manager

 
 
 
 
 
Mir fällt auf, dass ich in letzter Zeit immer auf Leute treffe, die ich gar nicht treffen will, es ist ähnlich wie beim Tontaubenschiessen. Treffe ich vielleicht zufällig meine Jugendliebe? Nein, habe ich zufällig sechs Richtige im Lotto getroffen? Nein, das Unglück verfolgt mich seit meiner Jugendzeit, wo ich beim Bolzen immer ungewollt die Scheiben getroffen habe. Somit steht fest, jedenfalls für mich, ungewollt trifft am besten. Das kann nur der wirklich nachempfinden, der als Unglücksrabe das entscheidende Selbsttor beim Fußball praktiziert! Aus dem Weg gehen? Geht nicht,
Straßenseite wechseln? Der aufmerksame Ungewollte stellt sich dir nach einigen Schritten entgegen und du prallst mit ihm zusammen.
„Ach, dass ich Sie hier treffe – ausgerechnet hier (man fragt  sich wieso ausgerechnet?) na ja, Sie gehen wohl spazieren, ein Ruheständler im Unruhezustand, Sie haben es gut! Ich hingegen“, er macht ein säuerliches Gesicht, „ich hingegen habe es heutzutage verdammt schwer, so als Manager. Kommen Sie, laden Sie mich zu einer Tasse Kaffe ein, dann erzähle ich Ihnen, was mir in der Firma so alles aufstößt“, säuselte er freundlich. Früher musste man sehr, sehr auf der Hut sein, wenn einen ein Top-Manager mit schmeichelnden Worten auf einen Kaffee bat. Das roch dann verdammt nach Entlassung, getreu dem Motto: wir wissen nicht, was wir ohne Sie machen würden aber wir wollen es trotzdem versuchen! Diese Gefahr bestand jetzt nicht. Dafür gab es zwei gute Gründe: 1. ich bin im Ruhestand und 2. ließ er sich einladen. Der letzte Umstand weckte meine Neugier, also gingen wir einen Kaffee trinken. Kaum hatten wir unseren Platz eingenommen und bestellt, schon nölte er los nach Manager-Art. Über die Service-Wüste Deutschland und wie arrogant die Bedienung die Bestellung aufgenommen hätte. In Amerika wäre die längst gefeuert. Überhaupt AMERIKA, seiner Zeit in Harvard hatte man wirtschaftliche  Zusammenhänge noch erkannt und ließe nicht unfähige Politiker Krisen lösen. Alles nur losgetreten durch Neiddebatten. Der PROFIT zählt nicht im eigenen Land! – Oha, war da nicht eine Verwechselung im Spiel? Dann müsste er jetzt fortfahren mit:
und wenn der PROFIT nicht zum Berge kommt, dann kommt der Berg zum PROFIT. So wie die aus dem klassischem Bergland stammende UBS-Bank ihre Sparschwein-Filialen auch in Deutschland hat, getreu dem Bibelspruch: kommet her zu mir, die ihr mühsam euch bereichert habt… oder so ähnlich jedenfalls.
Während meiner Gedankengänge hatte mein Gegenüber eine kleine Pause eingelegt. Dann fuhr er fort: “So ein Quatsch, das mit dem Geld verbrannt. Es wurde doch nur getauscht, Irreales gegen Irreales Buchgeld sozusagen. Etwas, was gar nicht in Scheinen existiert, die Dumpfbacken merken nicht, dass das nicht verbrennen kann.
Es war nicht da und das wurde hin und her geschoben bzw. verkauft. Luft, wozu also die Aufregung. Ich könnte mich aufregen, denn mir will man mein Manager-Gehalt kürzen. Ich darf nur noch das Hundertfache eines Facharbeiters verdienen. Wozu dann mein Studium in Oxford und die Business-School in Harvard? Das stinkt zum Himmel. Stellen Sie sich vor, ich müsste mein Geld auf den Auslandskonten noch nachträglich versteuern. Mein Vermögen würde glatt halbiert. Halbieren Sie mal einem Facharbeiter das Geld, der poliert Ihnen die Fresse. Aber ich soll bluten!“ Schüchtern wagte ich den Einwand, dass er in seinem Gelobten Land, in Amerika, bei seinem Einkommen auch ca. 70% hätte versteuern müssen, da wäre er hier doch noch ganz gut bedient. „Gut bedient, wie in diesem Saftladen hier“, brüllte er plötzlich los. „Keinen Cent, sage ich, kriegen die hier von mir und auch nicht in Deutschland. Von mir nicht!“ schrie er in das Lokal, stand abrupt auf und ging grußlos. Er hatte, wie bei Managern üblich, seinen Worten Taten folgen lassen. Das Restaurant bekam tatsächlich keinen Cent von ihm. Die Zeche zahlte ich. Wie immer sind die „Zurückgebliebenen“ nicht schnell genug vom Acker. Sie zahlen die Zeche. Das müsste euch doch irgendwie bekannt vorkommen. Wenn nicht, seid ihr bestimmt auch Manager, die immer den „kleinen Mann auf der Strasse“ treffen.
Ich wusste doch, dass ich diesmal ins Schwarze getroffen habe… nicht intuitiv, nein, aus Erfahrung, ich war schließlich auch mal…

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.11.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Die Gedichte begleiten durch die vier Jahreszeiten und erzählen wie die Natur erwacht, blüht und welkt, wissen von reicher Ernte zu berichten. Der Spätsommer im Park, winterliche Gefilde oder Mailandschaften scheinen auf. Der Autor verwendet meist gereimte Zeilen, zeigt sich als Suchender, der neues Terrain entdecken möchte. Der Band spricht von den Zeiten der Liebe, zeigt enttäuschte Hoffnungen und die Spur der Einsamkeit. Wut und Trauer werden nicht ausgespart. Es dreht sich das Kaleidoskop der Emotionen. Der kritische Blick auf die Gesellschaft und sich selbst kommt zum Zuge. Kassandras Rufe sind zu hören. Zu guter Letzt würzt ein Kapitel Humor und Satire. So nimmt der Autor seine Zettelwirtschaft aufs Korn, ein hoffnungsloser Fall.

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