Micha-El Goehre

Scampis sind out - Bratwurst ist in oder ....

Scampis sind out -
Currywurst ist in
oder:
10 kurze und tröffliche Geschichten über die Innenstadt

1.Neulich wanderte ich des Nächstens durch die Innenstadt. Dabei kam ich an einem Juweliergeschäft vorbei, dessen Schaufenster gewöhnlich von irritierender bis abstoßender Überbestückung geprägt ist. An diesem Abend jedoch unterbrechen einige wenige purpurrote Tücher das grelle Treiben. Darauf drapiert ein sorgfältig ausgedruckter, profaner Zettel mit der Aufschrift: "Wir bedauern ihnen leider zur Zeit keine Nachtauslage präsentieren z können."
Oh Pein, oh Weh. Welch Verfehlung. Welch Schmach. Man mag sich zu Boden werfen, schreiend, zappelnd, diese ungerechte Welt verfluchend. Wie viele Unglückliche sind allein wegen der Nachtauslage dieses Juweliers den weiten Weg in die Stadt gekommen, wie viele haben alles aufgegeben, Familie und Freunde zurücklassend, nur um in der Nähe der Nachtauslage zu leben.
Ja, man mag sich suhlen und verzweifeln. Statt dessen schüttelt man den Kopf und geht weiter.

2. Dialog:
"Nein."
"Aber..."
"Nei-en."
"Ich will aber!"
(drohend)"Kinder die was wollen..."
"Aber ich will, ich WILL, ICH WILL!!"
"Nein. Und wenn ich Nein sage, dann meine ich auch Nein."
"Mwähhh...."
"Wenn du zu heulen anfängst, kannst du allein nach Hause gehen."
"Das sage ich Papa."
"Mach ruhig."
"Hüüäää..."
"Sei still. Die Leute gucken schon."
"Aber ich will eins."
"Oh, Herrgott..."
" HÜÜÜÄÄÄ!!!!"
"Na gut. Aber sei dann auch still."
(erfreut) "Hä..hä."
" Hier hast du eins."
" Will zwei."
" Ja, hier. Zwei. Jetzt komm."

3. Die Panflötenpest wütet in der City.
Man gesellt sich zu den Zuhörern, weil man sich auch an Ärmlichkeiten ergötzen kann.
Elton John wird verpustet, dann Scorpions, "Wind of change", na logisch.
Ein Klugscheißer plärrt: "Kannste auch Slayer?" Der Bambusvergewaltiger aus den Anden grinst und es gibt "South of heaven" totally unplugged. Klugscheißer irritiert, ich auch. So kanns gehen.

4. Definition von Hass. Man nehme einen regnerischen Tag und vergesse den Regenschirm. Also pflegt man das Wandkontaktverhalten und drückt sich unter schmalen Überständen durch die Innenstadt und teilt sich die paar halbwegs trockenen Quadratmeter mit wem ? Genau: mit Leuten die Regenschirme und -jacken tragen. Dabei pflegen sie die unangenehme Eigenheit, ihre Schirmkanten stets auf Augenhöhe zu positionieren. Mit diesen Leuten reden? Sie schlagen? Wozu? Solche Leute tragen auch gleichzeitig Hosenträger und Gürtel. Deren Leben muss Strafe genug für sie sein.

5. Die Lunge eines Innenstädters wird von schwarzen Rußstreifen durchzogen. Das kann man wunderbar nach einer Obduktion betrachten. Warum zum Teufel bin ich dann eigentlich Nichtraucher?

6. Ein Kind am Brunnen. Dummes Blag. Sabbert, labert Stuss, sieht generell zu fett aus und trägt dämliche rosa Quelle-Katalog-Klamotten. Kann es ja nix für, trotzdem amüsiert es den Betrachter, als es (durch eigene Blödheit) ausrutscht und in die städtebauliche Kotze, sprich ins Wasser segelt. Kind heult, Betrachter lacht sich scheckig. Alle sehen Betrachter an, gucken böse. Betrachter trollt sich und überlegt, wie viele der Bösegucker sich regelmäßig die grenzdebilen Homevideosendungen auf RTL 2
reinziehen.

7. Herbst. Ich stürme nach draußen, will durch Laub hopsen und die Schuhe durch Blätter wühlen. Keine Blätter da. Nur Pfützen und Beton. Winter. Ich stürme nach draußen, will einen Schneemann bauen. Kein Schnee da, nur Autos und Matsch. Frühling. Ich stürme nach draußen, will bumsen. Keine Frauen da, nur leere Flaschen und Burgerverpackungen. Sommer. Ich stürme nach draußen, will Blumen pflücken. Keine Blumen da, nur Konsumenten.

8. Viele Selbstmörder zieht auf den Dachboden. Oder in den Keller. Auf Brücken. Oder in den Wald. Ans Meer und die Flüsse. Ins Bett, auf die Couch und an die Heizung. Manche bevorzugen den Bahnhof. Warum versuchen die Pfeifen nicht einfach mal eine Fußgängerampel bei Grün zu überqueren?

9. Ein 7er BMW parkt auf einem Behindertenparklatz. Berechtigte Nachfrage:" Du weißt, was das für ein Parkplatz ist?"
Antwort: "Was willsu ?"
Kurze Analyse, dann: "Ist schon richtig, wie du parkst."

10.
"Scampis sind out - Currywurst ist in!" skandiert ein Würstleverkäufer mit einem meterbreiten Plakat, mitten am Hauptverkehrsknotenpunkt der Stadt gelegen.
Eine Kampfansage gegen die Fastfoodgourmet-Kultur oder der verzweifelte Aufschrei eines Grillbudenbesitzers mit Akzeptanzproblemen, man weiß es nicht. Persönlich tendiere ich zu zweitem. Seien wir mal ehrlich: Currywurst ist nix anderes als ambitionierte Bratwurst und die Bratwurst an sich gehört zum belanglosestem, was man in Naturdarm zwängen kann. Sie hat keine Lobby und das aus gutem Grund. Sicher, es mag Menschen geben, die sie mit enthusiastischem Genuss konsumieren, die den Verzehr der Rostbratprodukte mit beinahe religiösem Eifer zelebrieren. Diese Leute allerdings verbringen oft auch sehr viel Zeit vor ihren Computern, haben ein sehr intimes Verhältnis zu ihrer Schreibhand oder laufen den ganzen Tag mit dem Trikot, Schal und Käppi ihres Heimatfußballvereins herum, obwohl ihre Mutter ihnen gesagt hat, wie bescheuert das aussieht und das es mit knapp 40 doch endlich mal Zeit wäre, sich eine eigene Wohnung zu besorgen.
Man könnte nun die Fabel von der Speise des einfachen Mannes bemühen, aber das wäre Blödsinn.
Die Bratwurst ist einfach die schnelle Alternative, wenn grad nichts zur Hand ist, was wirklich schmeckt. In jedem Grill wird zu ihr stets ein großer Klecks Senf addiert und wenn man sich die Mühe macht, die gebrauchten Pappteller genauer zu untersuchen findet man stets einen Eintunkkegel in der Gewürzsoße, weil die Wurst ohne halt so interessant schmeckt, wie die Unterlage, auf der sie kredenzt wird.
Machen wir uns nichts vor: niemand wird, nachdem er/sie/es die Penisimitation im Mund laut aufjauchzend jubilieren:" Wie lecker, oh welch Genuss. Diese Freude will ich teilen mit allen. Eine Lokalrunde Wurst." Nein, sie wird würdelos in wenigen Bissen hinuntergeschlungen, schneller noch als der pappigste Burger und nächsten tags nicht ohne gewisse Anstrengungen in fast identischem Outfit ebenso würdelos wieder ausgeschieden.
"Scampis sind out - Bratwurst ist langweilig!"

Das Interessante...oder Bunruhigende an der ganzen Sache ist...ich hab nicht wirklich viel von dem Mist erfunden...Micha-El Goehre, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.01.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Ein Tag im Februar des Jahres 2006. Der EDV- Fachmann Klaus Gruschki kann kaum ausdrücken, was er empfindet, als er seine neugeborene Tochter Leoni im Arm hält. Seine Frau Michaela und er sind die glücklichsten Menschen der kleinen, süddeutschen Provinzstadt und voller Vertrauen in die gemeinsame Zukunft. Doch die Beziehung und das Glück zerbrechen. Auf einmal ist Klaus allein und Michaela mit Leoni verschwunden. Erst nach langer Suche und mit großen Mühen gelingt es dem Vater, Mutter und Kind wieder zu finden und den Kontakt zu Leoni neu herzustellen. Dann entzieht ein bürokratischer Akt dem Vater die gemeinsame Sorge fürs Kind. Gruschki weiß sich nicht anders zu helfen, als seinerseits mit der Tochter heimlich unterzutauchen. Nach einer dramatischen Flucht wird er in Österreich verhaftet und Leoni ihm gewaltsam entrissen. Er kommt in Haft und wird als Kindesentführer stigmatisiert. Doch Klaus Gruschki gibt den Kampf um sein Kind und um Michaela nicht auf …

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