Sabine Brauer

Jordanien, ein Land der Gegensätze

Sechs Tage Jordanien. Viel werde ich zu sehen bekommen. Alles wofür sich Touristen interessieren. Antike Städte, Burgen, Festungen. Diese Ausgrabungsorte ähneln sich alle und nach ein paar Tagen weiß ich nicht mehr, was ich wann und wo gesehen habe. So viele Eindrücke in relativ kurzer Zeit. Ich staune darüber, wie die Menschen vor einigen tausend Jahren solche Gebäude errichten konnten, mit einfachen Werkzeugen. Es ist schon sehr beeindruckend.
Den Jordan sehe ich, dort wo Johannes der Täufer tätig war. Hier ungefähr hat Jesus sich taufen lassen. Der Jordan ist an dieser Stelle so schmal wie ein Fehnkanal und dreckig. Diesen Fluss habe ich mir viel größer vorgestellt. Er verliert von Jahr zu Jahr mehr Wasser, weil Israel und Jordanien ihren Wasserbedarf aus dem Jordan schöpfen. Ich stehe auf dem Berg Nebo, dort, wo Moses das gelobte Land erblickte. Bade im toten Meer und schwärme vom Roten Meer, das durchsichtig und grün in der Sonne schimmert. Nur schwer kann ich mich von diesem Anblick trennen. Fasziniert bin ich auch von der roten Sandwüste mit den ungewöhnlich geformten Felsen. Es ist toll, mit dem Jeep durch die Landschaft zu sausen und sich den kühlen Wüstenwind um die Nase wehen zu lassen. Wie herrlich schmeckt mir der süße Tee aus Wüstenkräutern, den wir bei unserem Halt zu trinken bekommen. Wir sitzen im Zelt aus Ziegenhaar gewebt, auf einfachen Matratzen und lassen es uns wohl ergehen. Es ist mir unmöglich, alles zu erzählen, was ich gesehen habe. Es würde ein Buch füllen.
Im Reisebus fahre ich in diesen Tagen oft an Berghängen vorbei an denen Ziegen - und Schafherden grasen. Grasen sie? Eigentlich sehe ich nur Sand und Steine und etwas vertrocknetes Gestrüpp. Doch die Tiere haben die Nasen am Boden, es sieht aus, als ob sie fressen. Ein Hirte döst unter einem kargen Strauch. Weiter geht die Fahrt, an kleinen Häusern vorbei, die mich an Silolager erinnern, die wir früher hinterm Haus stehen hatten. Kaum vorstellbar, das darin Menschen leben, doch der Müll, der überall gegenwärtig ist, belehrt mich eines Besseren. Gerade noch Armut pur, stehen dort schöne Häuser, die sicher eine Stange Geld gekostet haben, doch drum herum nichts als kahler Boden. Kein Grün ist zu sehen an diesem Ort, nichts, was das Herz erfreut.
Städte mit Hochhäusern, Moscheen, Kirchen und sogar ein beleuchtetes Mac Donnells Schild sticht mir in die Augen. Männer sitzen in altersschwachen Sesseln vor ihren Häusern und rauchen ihre Wasserpfeife.
Dann ist da die Wüste und mitten drin stehen einige Zelte. Ob es Beduinen oder Nomaden sind kann ich nicht erkennen. Doch was ist das? Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Vor dem Zelt steht eine Parabolantenne. Also sind sie nicht von der Welt abgeschieden. Fernsehen ist möglich!
In diesem Land gibt es viele Berge. Es ist ein Anblick, der mir den Atem stocken lässt. Wunderschön und majestätisch ragen sie empor. Welch ein großartiger Bildhauer unser Gott doch ist. Welche Form - und Farbenpracht. Ich kann es nicht beschreiben, so etwas muss man selber gesehen haben. Ich stelle mir Jesus vor, wie er auf den Bergen gepredigt hat und die Menschen saßen an den Berghängen und hörten ihm zu. Welch beschwerliche Wege musste er auf sich nehmen, wenn er von einem Ort zum anderen reiste. Hier in der Einsamkeit, hat sich in den letzten zweitausend Jahren sicher wenig verändert.
Das Jordantal ist fruchtbar. Hier sieht man kilometerweit Gewächshäuser. Dort wird alles angebaut, was der Mensch zum Leben braucht . Viele Olivenhaine gibt es hier, Dattelplantagen und vieles mehr.
In Aqaba am roten Meer ist die Landschaft herrlich. Man merkt, das Wasser vorhanden ist. Überall sieht man Palmen und auf einmal hört man Vogel zwitschern. Die ganze Umgebung ist auf Tourismus eingestellt. Viele riesige Hotels entstehen hier. Wenn ich es mir recht überlege, ist ganz Jordanien eine riesige Baustelle.
Weil die Grundstückspreise sehr hoch sind, werden hier die Häuser nach oben hin erweitert. Viele Häuser haben ein, zwei Stockwerke und oben ragen Pfeiler mit Stahlstangen aus den Dächern, so das bei Bedarf einfach weitergebaut werden kann, während das Haus im den unteren Etagen bewohnt ist.
Jordanien besteht zu einem großen Teil aus Wüste und Wasser ist Mangelware. Das wird uns bewusst, wenn wir die Toiletten benutzen. Die sanitären Anlagen sind fast im ganzen Land eine Katastrophe . Welch eine Wohltat ist es, wenn eine Wasserspülung mal richtig funktioniert.
Die Menschen hier sind uns gegenüber sehr freundlich. Es sind keine Fanatiker in meinen Augen, sondern liebenswerte Menschen, die einen anderen Glauben haben wie wir, den sie sehr ernst nehmen. Sie winken uns zu und suchen das Gespräch. Gerne lassen sie sich auch mit uns fotografieren. Wir begegnen jordanischen Mädchen, die einen Schulausflug machen. Sie sind besonders anhänglich. Ich genieße ihre fröhliche Ausgelassenheit. Sie schreien ihre gute Laune lauthals heraus, johlen und singen, dass mir die Ohren klingen. Immer wieder werde ich nach meinem Namen gefragt und sie lachen sich schief, wenn ich ihre Namen falsch ausspreche. Ich habe nicht den Eindruck, dass diese reizenden Dingelchen unterdrückt werden. Sie werden mir immer in lieber Erinnerung bleiben. In den Hotels sieht man nur männliche Bedienstete. Im Restaurant sind viel mehr Kellner beschäftigt, wie in deutschen Gaststätten.
Manche Frauen, die uns in den Straßen begegnen, sind europäisch gekleidet. Viele tragen Kopftücher und einige sind ganz verschleiert. Nur ein Sehschlitz für die Augen ist vorhanden. Der größte Teil der Bevölkerung besteht aus Moslems, doch werden Christen geduldet. Missionsarbeit ist jedoch nicht möglich, obwohl unser Reiseleiter immer wieder betont, das Religionsfreiheit herrscht. Ich kann mir kein Urteil erlauben, dazu war ich zu kurz in diesem Land. Doch eines weiß ich genau, hätte ich die Gelegenheit, würde ich nicht zögern für einige Wochen hierher zurück zu kommen.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.11.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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