Fritz Rubin

Carlotta, der Weihnachtsmarktengel

 

Carlotta, der Weihnachtsmarktengel aus Salzgitter-Bad

 

 

Es war einmal...

...so beginnen ja bekanntlich viele Märchen, so auch diese kleine Geschichte von Carlotta, dem Weihnachtsmarktengel aus Salzgitter-Bad.

  Der Erzengel Gabriel hatte alle Weihnachtsmarktengel für den 6. Januar zu einer Besprechung eingeladen, der Ort war geheim gehalten worden.

Aber offensichtlich hatte irgendjemand davon erfahren und dieses Treffen miterlebt.

Auf der Tagesordnung standen die Berichte von allen Weihnachtsmärkten in unserem Land, denn in jedem Ort, in dem ein solcher Markt abgehalten wird, lebt auch ein Schutzengel.

Seine Aufgabe ist es, während der Advents- und Weihnachtszeit über diesen Markt zu wachen.

  Alle waren gekommen und hatten sich auf einer riesigen Waldwiese in einem großen Kreis um das Rednerpult versammelt. Die Rednerliste war ganz, ganz lang, und jeder Engel hatte drei Minuten Zeit, über seinen Weihnachtsmarkt zu berichten. Ziel war es wie in jedem Jahr, den schönsten Weihnachtsmarkt mit einem Pokal auszuzeichnen

  Der Erzengel Gabriel - die Engel riefen ihn kurz und bündig: „Chef“ – saß derweil auf einem goldenen Thron auf dem Podest.

Es wurde ganz ruhig auf der Wiese, die Engel hatten sich alle begrüßt, nur der Augenzeuge konnte niemanden sehen, denn sie waren für ihn unsichtbar.

  Aber ein leises Wehen verriet, dass alle da waren.

  Mit seiner festen klaren Stimme begrüßte der Chef die Anwesenden und belehrte sie über die Schweigepflicht.

Nun rief er in alphabetischer Reihenfolge die einzelnen Engel auf, ihren Weihnachtsmarkt vorzustellen.

  Jeder Engel beschrieb in schillernden Farben seinen Markt, stellte ihn ins rechte Licht, um den begehrten Pokal zu gewinnen.

  Nachdem die Vorstellung der Städte mit dem Anfangsbuchstaben „R“ beendet war, trat eine kurze Pause ein, als ein leichtes Schluchzen zu vernehmen war. Es kam aus der vorletzten Reihe – ganz hinten in der Mitte.

  „Weint da jemand?“, fragte der Chef in die Stille.

Ganz vorsichtig stand Carlotta auf und hob die rechte Hand, in der sie ein samtrotes Büchlein hielt.

  „Wie heißt du? Und woher kommst du?“ wollte er wissen.

Mit weinerlicher Stimme antwortete Carlotta:  „Ich heiße Carlotta und komme aus Salzgitter-Bad!“

  „Aber warum weinst du denn?“

  „Alle anderen Engel haben ihren Markt als den schönsten und besten vorgestellt. Ich habe aber nur einen ganz kleinen Weihnachtsmarkt zu betreuen, aber für mich ist er der beste und schönste auf der ganzen Welt!“

   „Woher willst du das denn wissen?“

  „ Das ist so“, antwortete Carlotta nun mit fester und silberheller Stimme, „ich habe ein Gedicht geschrieben über meine Erlebnisse mit den Menschen. Sie können mich ja nicht sehen, und so bin ich immer ganz nah bei ihnen gewesen, habe in ihr Herz geschaut!“

 „Und darüber hast du also ein Gedicht  geschrieben, das habe ich ja gar nicht bemerkt“, sagte der Chef mit leicht belegter Stimme.

  „Nein, Chef, das konnten Sie auch nicht, denn ich habe immer dann geschrieben, wenn eine dicke Wolke zwischen uns war“, bemerkte Carlotta mit freudiger Stimme.

 „Darf ich denn das Gedicht mal vortragen. Ich kann es aber nicht auswendig, weil ich so aufgeregt bin“.

   Von soviel Mut und Ehrlichkeit angetan nickte der Chef gnädig und gab mit seiner linken Hand das Zeichen, dass alle ganz ruhig sein sollten.

   Carlotta trat mit sicherem Schritten an das Pult, sie blickte in die Runde und sah, dass alle anderen Engel ganz erwartungsvoll auf sie schauten.

  Sie schlug ihr Büchlein auf, atmete ganz tief durch und begann mit ihrer wunderschönen Stimme, das Gedicht vorzulesen:

 

... und leise rieselt der Schnee

 

Alle Jahre wieder, Weihnachtsmarktzeit,

Kinderaugen leuchten, staunen in die Glitzerlichter.

Duft von gebrannten Mandeln und Glühwein,

von Bratwurst und Schmalzgebackenem,

Musikfetzen: „Leise rieselt der Schnee“ und „Weiße Weihnacht“,

es ist nasskalt und neblig.

Die Großen blicken sinnend, gedankenverloren,

kramen in der Erinnerung ihrer Kinderzeit,

die Kleinen stehen am Kinderkarussell in freudiger Erwartung.

Omas und Opas haben leicht umflorte Augen,

blinzeln merkwürdig oft:

„Das Licht, das blendet so!“

Weihnachtsmarktatmosphäre

„Die gleiche Prozedur wie jedes Jahr?“

Kalte Füße, Hände gewärmt an heißen Glühweinbechern.

Saure Gurken,  Bratwurst,

heiße Schokolade mit Schuss,

Reibekuchen, Pharisäer, Grog.

Geruch von frischen Orangen und Sauerkraut.

„Ich habe dich aber lange nicht gesehen, wie geht es dir?!

Wiedersehensfreude, Umarmungen, Gespräche,

ein Hauch von freudigem Frieden

zieht über den Marktplatz.

Verklärtheit in den Gesichtern,

Vorfreude und Wehmut.,

Kinder lachen, Kinder weinen.

Der Weihnachtsmann hat eine raue Stimme,

er ist wohl erkältet:

„Warst du auch immer brav?“,

das kleine Mädchen nickt artig

und steckt ganz schnell den Lutscher ein.

Dunkelheit, Lichterfülle,

wohlig-wirres Gewusel,

bald ist „Heilig Abend“,

alle Jahre wieder...

 

... und leise rieselt der Schnee!

 Absolute Stille, als Carlotta geendet hatte, die Versammlung äußerte keinen Mucks. Der Chef saß regungslos auf seinem Thron.

   In diese Stille hinein ließ Carlotta ihre Stimme hören:

„Ja, Chef, ich habe diese Gefühle gespürt. Die Mensachen sehnen sich nach Liebe, Wärme, Geborgenheit und Frieden! Und deswegen ist mein Weihnachtsmarkt der schönste!“

  Ein leises Lächeln zuckte über das Gesicht des Erzengels Gabriel: „Carlotta, das hat du aber wunderschön ausgedrückt“, dabei klatschte er ganz laut in seine Hände.

  Und alle anderen Engel fielen in einen nicht enden wollenden Beifall ein.

Carlotta verbeugte sich nach allen Seiten, ihr Gesicht leuchtete in rosa Farben.

  Der Chef beendete mit einer Handbewegung den Applaus: „Wir wollen abstimmen. Wer bekommt in diesem Jahr den Pokal für den schönsten Weihnachtsmarkt? Ich schlage Carlotta vor.“

  Er hob seinen rechten Arm in die Höhe. Carlotta sah sich um, sie konnte es gar nicht fassen, alle Engel hatten ihre Arme in die Höhe gestreckt.

„Einstimmig“, bemerkte der Chef mit belegter Stimme, „Carlotta darf diesen Pokal mit auf ihre Wolke nehmen. Und manchmal sind die Kleinen die wirklich Großen.“

  Carlotta drehte sich zum Erzengel Gabriel um und machte einen Knicks.

„Hier ist Dein Pokal, du hast mich sehr berührt mit deinem Gedicht, ich danke dir dafür. Wir treffen uns wieder in einem Jahr an gleicher Stelle“, brummelte er vernehmlich vor sich hin, „die Versammlung ist geschlossen, auf Wiedersehen!“

  Ein vibrierender Luftzug, dann absolute Stille auf der Waldwiese.

 

Wenn Sie dann, liebe Freundinnen und Freunde, auf dem Weihnachtsmarkt einen leichten Luftzug verspüren, dann wissen Sie Carlotta ganz in ihrer Nähe.

 

 

© Fritz Rubin, Othfresen, 21. November 2009

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.11.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Wie herbstlich wird die Dämmerung,
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