Diethelm Reiner Kaminski

Post-Christmas



„Wir lassen uns doch nicht zu Sklaven der Konsumgesellschaft machen und uns vorschreiben, wann Weihnachten ist“, ereiferte sich Walter Schellenbaum.
„Nur zu Erinnerung“, sagte seine Frau Marianne gleichmütig, „Weihnachten beginnt am 24. Dezember mit Heiligabend und endet am 26. Dezember mit dem 2. Weihnachtstag. Wie jedes Jahr.“
„Aber diesmal nicht“, rief Walter. „Wir verschieben es.“
„So. Hast du beschlossen. Ohne deine Familie zu fragen. Typisch. Aber daraus wird nichts. Den Blödsinn kannst du dir abschminken.“
„Beschlossen ja noch nicht“, wurde Walter kleinlauter. „Ich wollte es euch nur vorschlagen und euch überzeugen, wie vernünftig eine Verschiebung wäre. In der Kunst gibt es auch eine Postmoderne, warum sollen wir da nicht ein Post-Weihnachten einführen und damit aller Welt zeigen, dass wir über einen freien Willen verfügen und gegen den Strom schwimmen.“
„Dann überzeug uns mal“, sagte Marianne, schon leicht gereizt, weil sie das schönste Fest des Jahres gefährdet sah.
„Guck dich doch mal um. Das ganze Land im Weihnachtswahn. Hoffnungslos überfüllte Märkte und Kaufhäuser, dreist überhöhte Preise, gestresste Verkäufer, das müssen wir uns doch alles nicht antun.“
„Aber nach Weihnachten gibt es gar keine Weihnachtsmärkte mehr. Und die sind doch immer so romantisch“, wandte Marianne ein.
„Aber die Läden sind wieder leerer, die Verkäufer entspannt und freundlich und die Preise reduziert. Den ganzen Weihnachtskrempel kriegst du nach dem Fest für die Hälfte, mitunter sogar für ein Drittel.“
„Ja, ausgelesen, das, was sie nicht losgeworden sind …“
„Das stimmt nun ganz und gar nicht“, wehrte sich Walter.
„Wenn die Umtauschwelle vorüber ist, kann man die tollsten Schnäppchen machen. Und der Schlussverkauf setzt gleich zu Beginn des neuen Jahres ein. Da könnten die Kinder und auch du doppelt so viele Geschenke für das gleiche Geld kriegen.“
Marianne traute dem Frieden nicht. Sie witterte einen hinterhältigen Sparplan ihres Mannes. „Unter zwei Bedingungen wäre ich unter Umständen bereit, bei deiner Festverschiebung mitzumachen“, gab Marianne nach. „Du händigst uns das Geld aus, das normalerweise die Geschenke für jeden von uns gekostet hätten, sodass wir frei darüber verfügen können.“
„Das hätte ich sowieso vorgeschlagen“, tat sich Walter wichtig. „Und die zweite Bedingung?“
„Dass die Kinder einverstanden sind.“
„Sind sie“, sagte Walter stolz. „War gar nicht so schwer, sie zu überzeugen.“
„Und wie hast du das Kunststück fertig gebracht? Durch Bestechung oder durch Erpressung?“
„Weder noch“, sagte Walter. „Ich habe ihnen nur erlaubt, dass sie im Sommer das erste Mal ohne Eltern nach Portugal fahren dürfen.“
„Ohne das vorher mit mir zu besprechen. Nun gut, dann sind wir quitt.
Ich werde mir nämlich erlauben, über die Feiertage für zwei Wochen mit den Kindern  auf die Kanaren zu fliegen. Ich kenne ja deine Abneigung gegen Weihnachten. So erfüllen wir uns alle einen lang gehegten Wunsch. Ich wollte Sarah und Julia schon immer mal ganz für mich haben. Ohne dein ewiges Genörgele.“
„Und ich? Was  mach ich ganz allein? Und ausgerechnet zu Weihnachten?“
„Du genießt die weihnachtsfreie Zeit, entspannst dich beim Kochen und Putzen. Außerdem kannst du ja schon die Dekorationen für das Post-Weihnachtsfest im Januar vorbereiten und schon mal das Weihnachtsmenü planen.“
„Aber der  Urlaub auf den Kanaren ist dann natürlich euer Weihnachtsgeschenk“, versuchte Walter zu retten, was zu retten war.
„Das möchtest du wohl. Diese Reise ist unser Geschenk an dich, damit du endlich mal die weihnachtliche Stille genießen kannst, nach der du dich so sehnst …Du sagst doch selbst immer: Weihnachten sollte endlich wieder ein Fest der Besinnung und der inneren Einkehr werden.“
 



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