Es sind inzwischen fast 70 Jahre vergangen. Stärker denn je denk ich an die Zeit, wie ich ihn kennen lernte. So wie er in vieler Hinsicht heute noch mein Vorbild ist. Er war nur l6 Jahre älter als ich. Sprach nie von eigenen Kindern. Ich glaubte heute er sah in mich seinen Sohn.
Mit unserer Kompanie lag ich als frisch ausgebildeter Rekrut in Belgien nahe der holländischen Grenze in den Han zur Küstenwache . Wir schrieben den Sommer l942. Die Kompanie war ins Hinterland zurückgezogen worden. Sie wurde für die Verlegung in den Osten an die Russische Front vorbereitet, Der Spieß hatte die Kompanie antreten lassen. Seine Worte waren kurz und knapp. Ich werde euch unseren neuen Kompaniechef vorstellen, der uns nach Russland begleitet. Ich brauche für ihn einen Burschen. Wer meldet sich freiwillig? Ich hatte mir mit meinen 19 Jahren gewisse Vorteile versprochen und trat auf das Wort vortreten mit weiteren 8 Soldaten vor die Kompanie. Wir wurden alle über Beruf und Bildungsstand befragt. Er wies mich an, nach dem Abtreten mich auf seiner Schreibstube zu melden.
Er gab mir bekannt, dass ich ab sofort das Amt als Bursche beim Chef übernehmen sollte. Wies mich über die üblichen Aufgaben eines Burschen ein. Die wenigen Angaben über den neuen Chef waren, er sei von Zivilberuf Richter in Verden an der Aller. Auf der Fahrt nach Russland hatten Burschen und Offiziere getrennte Abteile im Zug. Die Versorgung der Offiziere war uns so recht leicht gemacht
In Poltawa wurden wir ausgeladen. Unsere Kompanie hatte in einem großen Waldgelände,
den zugeteilten Abschnitt von Partisanen zu befreien, Dabei gab es kaum Kontakt mit dem russischen Gegner. Nur ein geringer PAK Beschuss ließ uns manchmal im Vormarsch stocken.. Durch diesen Beschuss gab es die ersten Toten Bald erreichten wir mit der Truppe das Dorf oder kleine Städtchen Starissaltov am Donezk
Wegen der Möglichkeit von verräterischer Partisanen wurde die Stadt von Zivilisten befreit.
Die Evakuierung war in sofern problematisch, da wir in den Häusern viele nicht Gehfähige Bürger und auch zurückgebliebene russische verwundete Soldaten antrafen. In einem Falle handelte es sich sogar um einen Doppelbeinamputierten. Die Fälle blieben zur Entscheidung für den Führungsstab
Der Oberleutnant bezog mit mir eines der Doppelzimmerhäuser. Die Hausbesitzerin wurde nicht evakuiert, sie durfte außer Haus wohnen, und als Putzfrau bei uns verbleiben. Führungsstab.
Durch die Putzhilfe wurde ich von meinen eigentlichen Aufgaben als Bursche voll entlastet. Das Verhältnis zum Chef wurde immer besser. Er nannte mich beim Vornamen. Nur für besondere Aufgaben wurde ich eingespannt. Die Hausbesitzerin besorgte uns regelmäßig schneeweißen Bienenhonig, Über die Herkunft haben wir sie nie befragt. Ansonsten half ich wo Hilfe gebraucht wurde .Beim Fourier galt es, die unregelmäßig eintreffenden Marketenderwaren zu verteilen. Der Chef as besonders gern Rebeplätzchen. Bald war ich in der Lage, seine Wunschgebilde herzustellen. Wenn man sie mit zwei Fingern am Rand hielt, sie nicht abkippten, dann waren sie gelungen,
.Darauf, das er mich zu seinem jüngsten, aber sehr unerfahrenen Gruppenführer machte, war ich nicht im Geringsten vorbereitet Im Rang eines Gefreiten hatte er mir keinen großen Gefallen damit erwiesen. Die nötige Erfahrung fehlte. Er behauptete, ich hätte das Zeug dazu. Das Niemandsland zum Donetzk war ein mit Sträuchern stark bewachsener Geländestreifen. Er bot also beste Gelegenheit für das Anpirschen des Feindes. Dieses Gelände war mit dem Dunkelwerden unser Beobachtungsziel, das wir des Nachts mehrere Mal begehen mussten. Immer das Gefühl zu haben, mit einem Gegner zusammen zu stoßen, war schon gewöhnungsbedürftig
Die geplante große Panzerschlacht im Mittelabschnitt bei Kursk und Orel brachte nicht die lang hingezogene, erhoffte Wendung zur Siegentscheidung. Sie war ein großer Reinfall. Ein Anfang von einem späteren Ende. Kurz bevor auch unser Abschnitt von der Rückwärtsbewegung der Front zu einem Absetzen gezwungen wurde, erhielt ich im Rahmen der zugeteilten Kompanieplätze das Angebot, den Jahresurlaub an zutreten.
Zu Hause angekommen brach bei mir die Malaria aus, die uns bis dahin unbehelligt gelassen hatte. Während meines Genesungsurlaub und Jahresurlaub hatte sich die 6 ID durch starke Verluste mächtig reduziert. Bis zur Neuaufstellung der Einheit verbrachte ich einige Wochen beim Ersatzhaufen in Köln.
Gruppenweise von jeweils zehn Mann wurden wir im Sommer 1943 per Eisenbahn mit genauen Anweisungen zur Truppe zurück beordert. Wieder war es mir nicht meinem Interesse, diese Gruppe ohne jede Handwaffe zur Ostfront zu führen. Unser Auftrag lautete, auf die sich laufend verändernde Front zu treffen und uns einzugliedern.
In Russland an einem kleinen noch in deutscher Hand befindlichen Bahnhof mussten wir den Zug verlassen. Die Front war in Rückwärtsbewegung mit einem dicht nachsetzendem Feind. Wir mussten aufpassen, dass wir diesem nicht in die Arme liefen. Frei im Gelände laufende Panjepferde nutzten wir, um durch paralleles Reiten zur Front auf unsere Division, beziehungsweise Kompanie zu stoßen. Das gelang uns erst nach mehreren Tagen. Ich wurde vom Kompaniechef begrüßt. Dieser machte mich mit meiner Gruppe wiedder zur ZBV. Wir hatten in seiner Nähe bleibend nur auf Anweisung zu agieren. Hier erst erfuhr ich, wie schlecht es mit der eigenen Truppe stand. Jede Nacht Absatzbewegungen. Oft bis zu 50 km. Kein Verpflegungsnachschub. Den wenigen Kolchosen wurden durchsucht. Essbare Vorräte gab es kaum . Die vor uns sich zurück ziehende SS Division Groß Deutschland ließ aus Sprittmangel manchmal ganze Lastzüge stehen, die wir dann ausplünderten. Diese Plünderungen waren für uns Weihnachten und Ostern zu gleich.
Uns hatte ein riesiges Maisfeld aufgenommen. Um es zu durchqueren, brauchten wir mehrere Tage. Die Truppe war so entkräftet, dass Pistolenträger selbst ihre Karabiner weg warfen. Für die beiden PAK-Geschütze hatten wir schon länger Zeit keine Munition mehr. Der Oberleutnant versuchte immer wieder sie nicht stehen zu lassen. Wir wollten seien Wunsch gerecht werden, Doch bald musste ich ihm mitteilen, dass es nicht mehr ging. Wir ließen auch diese guten Stücke im Maisfeld zurück
Es war ein allgemeines Aufatmen, als wir vor uns eine hochgelegene Rollbahn erkannten. Hier endete auch das Maisfeld. Die Kompanie war noch nicht ganz auf der Rollbahn versammelt, als ein vollbesetzter Jeep vorfuhr. Der Oberleutnant hatte den Divisionskommandeur erkannt und machte Meldung. Sie muss unseren Zustand richtig beschrieben haben. Der Divisioner, ein kleiner, unscheinbarer, krummbeiniger Offizier sah ihn eine Weile geringschätzig an und sagte, meines Erachtens etwas zynisch, eigentlich müsste ich sie jetzt los jagen, damit sie das verlorene Material wieder einsammeln.
Oberleutnant Jänecke hatte als beruflicher Richter soviel Ehrgefühl, dass er diese missbilligenden Worte nicht verkraften konnte. Er war einige Tage nicht ansprechbar. Von der Führung einer Nachhut ist er vermisst nicht wieder zur Truppe zurück gekommen. Mit viel Mitgefühl wurde seiner noch viel gedacht.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.11.2010.
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