Nikolaus Abend, Advent, Weihnachtszeit, davor graute Herr Klein, denn er war allein. Seine Frau war lange tot, Kinder hatte er keine, Verwandte waren alle mit sich selbst beschäftigt. Er war einsam, traurig und unglücklich, ganz besonders in dieser Zeit. Der Pflegedienst der ihn betreute, ihm mal kleine Besorgungen machte, war fast die einzige Verbindung zur Außenwelt. Oft saß er am Fenster, schaute sehnsüchtig hinaus, wenn zarte Schneeflocken vom Himmel wirbelten, und eine weiße Decke über die Stadt breitete. Das war ein friedliches Bild, das manche Erinnerung an glücklichere Zeiten weckte. Er liebte Musik, doch sie machte ihn so traurig, dass er kaum wagte das Radio einzuschalten. Wie gern hatte er früher den Kinderstimmen gelauscht, den festlichen Weihnachtsliedern als sein Lenchen noch gelebt hatte, und seine kleine Tochter Mia. Mit 20 Monaten war sie innerhalb von Stunden gestorben, es war als sei ein Stern erloschen, und er und seine Frau hatten das nie wirklich verwinden können. Aber sie hatten sich, das hatte es leichter gemacht.
Doch nun, da sein Lenchen auch nicht mehr lebte, schien sein Leben leer und sinnlos. Er hatte keine Aufgabe mehr, gesundheitlich ging es ihm schlecht, Nachbarn kannte er nur flüchtig, sah sie nur wenn er mal am Fenster saß. Er schaute hinaus, als der nette Pfleger vom Pflegedienst das Haus verließ. Der winkte noch einmal freundlich, und wollte gerade in sein Auto steigen. Herr Klein sah einen kleinen Jungen bei ihm stehen. Der Pfleger deutete auf das Fenster wo er Herrn Klein wusste, und fuhr davon.
Die folgenden Tage verbrachte er alte Herr wie immer, er las ein gutes Buch, aß ein wenig, trank eine gute Tasse Tee, betrachtete ab und zu die verschneite Strasse mit den weihnachtlich geschmückten Fenstern, sah den milden, stillen Kerzenschein; das war fast alles.
Mühsam stand er auf, ging zum Bild seiner Frau, entzündete dort eine Kerze und sprach mit ihr.
In diese trüben Gedanken hinein erklang die Türglocke. Da er nicht gut zu Fuß war, dauerte es eine Weile, bis er sie erreichen konnte. "Wer das wohl sein kann" dachte er bei sich, und schüttelte etwas ungläubig den Kopf, bevor er die Tür vorsichtig öffnete.
Der kleine Junge stand draußen den er die Tage vorher am Auto hatte stehen sehen. "Hallo Herr Klein, ich bin Gabriel", sagte der Kleine forsch, "darf ich rein kommen"? Etwas verdattert nickte der alte Mann, machte den Weg frei und bat den Jungen ins Zimmer. "Ich habe die Tage den " Engeldienst gesehen" plapperte er drauflos und gefragt wen er besucht haben und warum er so heißt. " Ach ja, ich habe dich gesehen", erwiderte der alte Herr. " Genau, er sagte mir dass Sie allein sind, und so wollte ich mal nachsehen und fragen, ob ich vielleicht öfter kommen darf. Ich kann auch einkaufen oder sonst hier im Haus helfen, wohne gleich nebenan".
Herr Klein war sprachlos, freute sich aber über das unbefangene Geplapper des Jungen und bat ihn herein. "Wissen deine Eltern von dem Besuch", fragte er vorsichtig. " Na klar doch, sie sagen auch dass man sich helfen muss, nur kennt sie kaum einer, da sie nie draußen sind", antwortete er.
Die Zeit verging wie im Fluge, beide lachten zusammen da Gabriel lustig erzählen konnte. Als sie sich verabschiedeten bemerkte der Kleine: "Morgen bringe ich meine Mama mit, und Weihnachten verbringen Sie mit uns ". So geschah es.
Herr Klein hatte Tränen in den Augen, so gerührt war er. Er erlebte ein Weihnachtsfest wie er es aus früheren Jahren kannte und fand in den Nachbarn eine neue Familie. Das hätte er nicht zu hoffen gewagt.
Er lächelte;' Gabriel heißt der Junge', schmunzelte er. Manchmal wohnen Engel gleich nebenan...
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.12.2010.
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