Hans Witteborg

Globalisierung



Mögen Sie Hund?

Die Frage ist gar nicht einfach zu beantworten. Fragt man einen Gewerkschafter der IG-Sowieso kommt die Gegenfrage: meinen Sie den mit „dt“ am Ende? Lipper hingegen antworten uneingeschränkt: wenn ich den vor der Hundesteuer vorbei kriege, Ja! Tierfreunde hingegen stellen mir diese Frage erst gar nicht, sie ignorieren mich neuerdings völlig. Das hängt mit der Globalisierung zusammen. „Wie das?“ höre ich Sie erstaunt fragen und tippen sich dabei an die Stirn. Bei einer Verkehrskontrolle hätte Sie das Kopf und Kragen gekostet, ich bin gnädig und verdonnere Sie nur zum Weiterlesen!
Globalisierung kommt von Globus. Der dreidimensionalen Darstellung unserer Erde, die ein Geodät ist, also an den Polen abgeflacht. Nicht so ungeduldig, ich komme noch zum Punkt! Im Germanischen Museum zu Nürnberg können Sie den ersten Globus der Welt sehen. Da merken Sie, dass die Erde keine Scheibe ist, wie man früher glaubte und sie deshalb nur scheibchenweise erkunden konnte. (Daher kommt sprach-wissensschaftlich der Ausdruck: eine Scheibe abschneiden, ich sage dies nur Ihrer Bildung wegen, die mir am Herzen liegt.) Früher stand man bei Scylla und Caryptis am Abgrund, heute sind wir da einen Schritt vorangekommen – wir stürzen keineswegs ab, wir haben ja den Globus, der weder Anfang noch Ende hat, na ja, vielleicht sind wir, was das Ende anbelangt doch ein bisschen naiv. Aber, wir gelangen überall hin auf dem Globus und alles gelangt auch zu uns. Das ist Globalisierung. Hier beginnt auch meine eigentliche Geschichte.
In unserem Dorf braucht man nicht zu verhungern. Wir haben Esstankstellen. Z.B. einen Griechen. Bei dem gibt es jede Menge Spezialitäten – aus der Türkei. Will man also nicht „dönern“ geht man zum Italiener, der ist Serbe und serviert Pizza, finden sie das komisch? Dann kennen Sie unseren Kroaten nicht, der gut bürgerliche Deutsche Küche kocht, wer will denn so was? Aber wir haben ja noch unser Nobelrestaurant, ein Gastronom, der in der Schweiz gelernt hat aber nicht nur Käse serviert – nein Kängeroo.
Das hüpft doch direkt vom Teller! Nun, ich will nicht nörgeln, es gibt auch noch einen Gourmet-Tempel für Alteingesessene, in dem es Rinderwurst gibt, eine besondere Spezialität in unserem Dorf. Ich bin nicht alteingesessen. Ich bevorzuge die Küche der Chinesen, was bedeutet ich, muss in die Kreisstadt fahren, wenn ich etwas Anständiges für meinen Gaumen zu picken will. Der Chinese hat gewechselt, es gibt einen neuen Inhaber. Hauptsache ist, die Speisenkarte ist gleich geblieben. Die Hoffnung erfüllt sich nicht, es gibt keine deutschen Übersetzungen. Der Inhaber ist auch nicht Chinese, er heißt Kim Jon, das kommt mir nicht spanisch, nein koreanisch vor. Ich kann diese Sprache nicht (was soll man denn alles lernen?) und behelfe mich mit der Sprache, die weltweit wohl von jedem verstanden wird: arabisch. Sie sind erstaunt? Nicht englisch, werden Sie fragen? Woher können Sie denn arabisch – sind Sie vielleicht ein Terror-Schläfer? Viele Fragen auf einmal. Ich kann Sie beruhigen, unter arabisch verstehe ich unsere Zahlen. Ich tippe also auf die Nummer 53. Hoffentlich schmeckt das! Nach einer Viertelstunde wird serviert. Sieht aus wie Gulasch mit Reis. Ein merkwürdiger Geruch steigt mir in die Nase. Den Geruch kenn ich: ein vom Regen nasser Hund dünstet so aus.
Hund? Koreaner? Jault da etwas auf meinem Teller? Entsetzt stoße ich mich von meinen Stuhl ab. Und dann jault dort tatsächlich kläglich ein Hund, der sich unter meinem Tisch ausgeruht hatte und sich nun getreten fühlte. Andere Gäste nahmen eine drohende Haltung ein und schimpften mich einen Tierquäler. Es leben die Vorurteile in der Globalisierung, die gegenüber fremden Ess-Kulturen und die gegenüber missverstanden Tierfreunden. Wie sang doch Reinhard Mey einst – ein Sückle Brot und Rotwein, jawohl und das zu Hause genossen, erspart einem Ärger. Aber auch damit kann man globalisieren: Rotwein aus Australien, Baguette aus Frankreich, Musik aus Amerika und Nachbarn aus Lippborg. Was will man mehr?
Bleibt, mein Verhältnis zu Hunden zu klären. Dazu hatte ich bereits ein Gedicht geschrieben, das die ausgewählten Gedichteempfänger zwar schon kennen aber mancher Leser vielleicht noch nicht.

Hund

Ein treuer Blick,
empfundenes Glück
durch weiches Schmusefell,
ein Freudensprung,
noch welpenjung,
das er das Spielzeug fände
und Rutenwedeln ohne Ende.
Ein treuer Freund, fürwahr
und ständig für dich da.
Schüttelt krausgelockt Behang
sucht deine Nähe stundenlang.
Gehorcht aufs Wort
beim Stockapport
und bei „verloren, suchen“,
doch wenn er auf den Gehweg kackt,
dann tust du ihn verfluchen,
ach, wie ist der Mensch beknackt!


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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.12.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Die Gedichte begleiten durch die vier Jahreszeiten und erzählen wie die Natur erwacht, blüht und welkt, wissen von reicher Ernte zu berichten. Der Spätsommer im Park, winterliche Gefilde oder Mailandschaften scheinen auf. Der Autor verwendet meist gereimte Zeilen, zeigt sich als Suchender, der neues Terrain entdecken möchte. Der Band spricht von den Zeiten der Liebe, zeigt enttäuschte Hoffnungen und die Spur der Einsamkeit. Wut und Trauer werden nicht ausgespart. Es dreht sich das Kaleidoskop der Emotionen. Der kritische Blick auf die Gesellschaft und sich selbst kommt zum Zuge. Kassandras Rufe sind zu hören. Zu guter Letzt würzt ein Kapitel Humor und Satire. So nimmt der Autor seine Zettelwirtschaft aufs Korn, ein hoffnungsloser Fall.

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