Hans Witteborg

Als der Hauspoet sich zum Sterben legte

Große Persönlichkeiten stolpern über Skandale. Für unwichtige Menschen wie mich hat das Schicksal nur ein paar mickrige Bakterien, im Höchstfall auch mal einige Viren bereit.
Die kommen ganz unvermittelt angeflogen und kündigen sich in Form heftiger Erkältung z.B. zwei Tage vorher bei einem lieben Menschen an, in diesem Fall bei meiner Frau. Ich aber bin ein Mann und infolgedessen als solcher todkrank.
Ich schlief drei Tage fast durch, verlor innerhalb kurzer Zeit sieben Kilo an Gewicht und war ohne Fieber regelrecht am Spinnen. Beinahe hätte ich den Rekord des Suppenkaspers gebrochen. Beinahe! Meine Beine fühlten sich wie Pudding an und ich kroch mehr als dass ich ging. Wenn Ihr es genau wissen wollt: die Bewegungen von Juppi Heesters nahmen sich gegen die meinigen aus wie ein Springbock in der südafrikanischen Savanne! So, nun wisst ihr Bescheid.
Als meine Frau mich nach vier Tagen liebevoll fragte wie es mir ginge, antwortete ich schwach: „hätte ich heute Nacht die Kraft gehabt, ich hätte mich mit meinem Jagdgewehr erschossen!“
Das ist wieder mal typisch für dich, sagte sie lächelnd, du denkst nur an dich. Stell dir die Schweinerei mit der Leiche mal vor. Wenn du das nächste Mal so etwas vorhast, dann gehe gefälligst in den Wald!“ Wie Recht sie hatte! Sofort sah ich eine Szene vor meinem geistigen Auge: die Haustür fiel leise ins Schloss, das Auto rollte nachts um drei Uhr aus der Garage. Das nahe Wäldchen war schnell erreicht. Um es noch gruseliger zu machen, es herrschte dichter Nebel und irgendwo in der Ferne rief der Kauz, der Totenvogel.
Dann fiel der Schuss.
Anhand der Autonummer hatte die tüchtige Polizei natürlich schon den Verdacht wer das Opfer war. Wie im richtigen Krimi forderte man meine Frau auf die Identifizierung durchzuführen.
„Ist das Ihr Mann?“ Meine Frau schüttelte traurig den Kopf. “Sehen Sie genau hin, sind sie sicher?“ „Ganz sicher, entgegnete meine Frau, „mein Mann hatte einen Kopf!“
Zurück zur Wirklichkeit.
Hunderte Fliegen umschwirrten mich. „Bitte, mach das Fenster zu,,“ bat ich. „Es ist kein Fenster offen.“ Ich brütete, wo ich das Insektenspray hingestellt hatte. Das müssen die kleinen Biester geahnt haben, dann plötzlich verschwanden sie spurlos.
Da ich tagelang nicht am Computer war, schaute meine Frau nach den E-Mails. Ich hatte eine.
„Da wünscht dir jemand gute Besserung!“ Was nur einer?? Enttäuschung machte sich breit.
Da müht man sich jeden Tag seine Leser zu unterhalten… und dann nur einer?
Ich stellte mir vor: ich lag aufgebahrt in der Friedhofskapelle. Um mich herum mein FAN.
Tränen der Wut stiegen in mir auf. Ich erhob mich aus dem Sarg und schrie: „ich spiele nicht mehr mit!“
Nach einiger Zeit kam dann die Entwarnung. Es gingen noch ein paar Nachrichten ein. Aber meine Frau ist diskret, was in meinen Mails stand, würde sie nie an Aussenstehende verraten.
Ich kann mich nicht mehr an alles genau erinnern. Deshalb weiss ich auch nicht, ob sich das Nachfolgende so abgespielt hat und überlasse meiner Fantasie die Lücken zu füllen.
Eines weiss ich jedoch noch ganz genau, dass ich irgendwann in einer Decke eingehüllt im Wintergarten sass. Ab da gibt es nur verschwommene Erinnerungen..
Meine Frau und ich husteten im Chor, was sich anhörte wie wütendes, entferntes Hundegebell. Konnte das ohne Folgen bleiben? Nein!
Es klingelte an der Haustür. Meine Frau schleppte sich mehr als dass sie ging (ich war ja krank), um nachzuschauen, wer uns da besuchte. „Mach nicht auf,“ flüsterte ich ihr hinterher. Die Angetraute bediente die Sprechanlage.“Ja, bitte?“ „Guten Tag, ich bin von der Gemeindeveraltung. Ich komme wegen der Hundesteuer,“ sagte eine energische Frauenstimme.
„Wir haben keinen Hund.“ „Aber ich habe es doch eben noch bellen hören!“ Das war mein Mann….der Hund. Ich meine mein Mann ist …ein Hund“ Lautes Husten aus der tiefsten Lungenhöhle. „Ich höre ihn doch!“ „ Mein Mann ist ein Hund….ich meine umgekehrt…“ die mir Angetraute verhaspelte sich. Dann schrie es gequält aus ihr heraus, jenes Zitat von Götz von Berlichingen. Ganz im Original. Und Ruhe war!
Die Frau vor der Tür war offenbar geschockt. so ein schlimmes Wort war in unserer sittenstrengen Gemeinde seit urdenklichen Zeiten ausgestorben. Niemals, wirklich niemals hatte man hier Derartiges gehört. Die Laienspielschar unseres Dorfes hatte Goethe deshalb auf den privaten Index gesetzt. So´n Kerl durfte man doch nicht spielen! Man hatte vorgeschlagen für die Spielzeit etwas Lustiges auf die Bühne zu bringen. Eine Operette z.B.“Pariser Leben“ von Jaques Offenbach. Doch dann kamen sofort Bedenken. War nicht schon in dem Titel ein ganz, ganz frivoler Straßenausdruck?. So was kriegte man im Dorf nicht über die Lippen. Selbst die Apothekerin fragte immer ganz schüchtern wenn jemand zwei Päckchen Lutschbonbons verlangte: Banane- oder Himbeergeschmack?“
Da war Schiller schon unverdächtiger. Man einigte sich für die Spielzeit auf „ Die Jungfrau von Orleans. Erstens war „Jungfrau“ immer gut und zweitens verfügte man, „Kyrill“ sei Dank, über genügend Brennholz für den Scheiterhaufen.
Praktisch sind meine Mitbürger schon.. das kann man ihnen nicht absprechen!
So – weil ich euch immer alles ganz genau erläutern muss, habe ich den roten Faden verloren, selbst Schuld.
Gute Besserung euch allen!
Oder bringe ich da schon wieder etwas durcheinander….



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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.12.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Vom Ufer aus von Hans Witteborg



Die Gedichte begleiten durch die vier Jahreszeiten und erzählen wie die Natur erwacht, blüht und welkt, wissen von reicher Ernte zu berichten. Der Spätsommer im Park, winterliche Gefilde oder Mailandschaften scheinen auf. Der Autor verwendet meist gereimte Zeilen, zeigt sich als Suchender, der neues Terrain entdecken möchte. Der Band spricht von den Zeiten der Liebe, zeigt enttäuschte Hoffnungen und die Spur der Einsamkeit. Wut und Trauer werden nicht ausgespart. Es dreht sich das Kaleidoskop der Emotionen. Der kritische Blick auf die Gesellschaft und sich selbst kommt zum Zuge. Kassandras Rufe sind zu hören. Zu guter Letzt würzt ein Kapitel Humor und Satire. So nimmt der Autor seine Zettelwirtschaft aufs Korn, ein hoffnungsloser Fall.

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