Andreas Rüdig

Der Barde

Frauen sind fürchterlich und schlimm. Von Natur aus zur Schönheit und Anmut geboren, ist es die natürliche Aufgabe der Herren der Schöpfung, sie anzubeten und zu verwöhnen. Doch oh wehe! Der tägliche Alltag sieht ganz anders aus. Es fängt schon mit der Frage an: Wie teile ich der Angebeteten mit, daß ihr mein ganzes Herz gehört?

Sehen Sie die Göttin da drüben? Sie heißt Adelgunde. Ich habe mein Herz an sie verloren. Die Abfuhr, die ich erhielt, hatte es in sich. "Hau ab, du Gesäßöffnung," war noch der harmloseste Ausdruck, den ich zu hören bekam.

Was also tun? Da drüben ist ein Schreibwarenladen. Ich kaufe mir das teuerste handgeschöpfte Büttenpapier, das es dort gibt. Mein Schreibcomputer wird dann schon die anmutigsten Formulierungen einsetzen, wenn ich meinen Liebesbrief schreibe.

Was ist das? Meinen Brief an Adelgunde liegt ja wieder bei mir im Briefkasten. Was steht da? "Annahme verweigert - zurück an Absender". Ob Adelgunde tatsächlich nichts mit mir zu tun haben will? Kann nicht sein. Ein Adonis wie ich, mit seinem makellosen Körper, gelecktem Aussehen, Bilderbuchkarriere und prall gefüllter Brieftasche, muß doch einfach ihr Märchenprinz sein. Richtig? Gut, daß Sie die Frage bejaht haben. Sonst hätte es auch Schimpfe gegeben. Jetzt sagen Sie mir aber auch gefälligst, wie ich Adelgunde meine Liebe gestehen kann!

Ich habe auf Sie gehört! Und was ist passiert? Ich habe erfahren, daß diese Frau ein Wüstling ist. Ich habe ihr Pralinen geschickt. Adelgunde hat die Pralinen gefuttert und mir dann die leere Verpackung zurückgeschickt. Ich habe ihr Blumen geschickt. Die stehen beim Nachbarn auf dem Balkon. Ich habe eine Anzeige in die Zeitung gesetzt. In der Folgezeit wurde ich von wildfremden Adelgunden angerufen, die mich kennenlernen wollten. Ich habe viele andere vergebliche Versuche unternommen, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Ich werde jetzt einen letzten Versuch unternehmen, Adelgunde für mich zu gewinnen. Wenn das auch nicht klappt, können sie mein gebrochenes und zerbrochenes Herz auf dem Boden aufkehren. Ich werde eine Ode auf Adelgunde komponieren; ein Barde wird die dann übermitteln.




Adelgunde, oh Adelgunde,
ich schick dir eine frohe Kunde
dein ist mein liebend Herz
befreie es von seinem Schmerz
Sie treibt paar bunte Triebe
des Mannes hemmungslose Liebe
Suche bitte nicht das Weite
sei in unserem Bund die Zweite!

Der Barde muß gut gewesen sein. Sehr gut sogar. Die Folgen seines Gesanges waren für mich nämlich verheerend. Wie befohlen schlich er sich an einem lauen Sommerabend zu ihrer Werbung. Solbad er merkte, daß Adelgunde zu Hause war, warf er ein paar Kieselsteine an ihre Fensterscheibe und erregte so ihre Aufmerksamkeit. Kaum schaute sie aus dem Fenster, trug er auch schon sein Ständchen vor. Für meinen persönlichen Geschmack sieht er häßlich und grottenschlecht aus. Bauch hat er, Halbglatze, ist klein und Wuchs und hat ein schmieriges Lächeln im Gesicht, das seine kurzsichtigen Augen nicht erreicht. Adelgunde muß aber etwas in ihm sehen, was mir entgangen ist. Auf jeden Fall bat sie ihn in ihre Wohnung, sobald er sein Ständchen beendet. Seitdem sind sie ein paar. "Tja, Gabriel, das hättest du auch haben können," antwortet sie mir auf meinen vorwurfsvoll-fragenden Blick. "Der Barde sang so grottenschlecht, daß ich ihn irgendwie zum Schweigen bringen mußte. Lieben tue ich ihn nicht. Das bißchen Schwindelei verhindert haber, daß er wieder mit dem Singen anfängt..."

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.12.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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