Helmut Wurm

Rundgespräch mit dem Methoden-Trainer K... in L...


 

Sokrates hat schon einiges von Herrn Dr. K… gehört, dem bekannten und erfolgreichen Trainer oder besser Förderer von neuen Lehr- und Lern-Methoden. Auch viele von Sokrates Lehrer-Bekannten haben den Namen Herr Dr. K… genannt, haben sich teilweise begeistert nach dessen Empfehlungen gerichtet oder haben sich gerade nicht nach dessen Empfehlungen gerichtet oder haben sich nur zurückhaltend mit dessen Vorschlägen befasst.

 

Gerade weil solch unterschiedliche Reaktionen zu hören sind, wenn der Name Dr. K… fällt,  wollte Sokrates ihn gerne einmal persönlich kennen lernen und auch mit ihm ihn Ruhe reden. Als er davon sprach, haben einige seiner engeren Lehrer-Freunde den Wunsch geäußert, sich an diesem Treffen und Gespräch zu beteiligen. Nun sind Lehrer schon als solche keine stets einfachen Menschen, aber die Lehrer-Freunde des Sokrates sind natürlich besonders kritische und quer-denkende Lehrer, denen viele Kollegen gerne aus dem Wege gehen und von denen auch viele Vertreter der übergeordneten Schulverwaltungen gerne unbehelligt wegen ihrer kritischen Fragen bleiben möchten. So ist ein interessantes und offenes Gespräch zu erwarten.

 

Herr Dr. K… hat sein Büro in der kleinen Universitäts-Stadt L… Ein Gesprächstermin kam leicht zu Stande und heute stehen Sokrates und seine Lehrer-Freunde vor einem Raum, an den sie von einer Sekretärin verwiesen worden sind. Ein freundlicher Mann in etwas fortgeschrittenem Alter öffnet die Tür und bittet sie herein.

 

Herr Dr. K… (freundlich): Ich  habe mir Zeit genommen, besonders weil mich der berühmte Sokrates kennen lernen möchte. Ich mache mich zwar auf viele bohrende Fragen gefasst, aber darauf muss man gefasst sein, wenn man sich mit Sokrates in ein Gespräch, auch wenn es ein Rundgespräch mit seinen Freunden ist, einlässt… Aber vielleicht wird es ja nicht so schlimm…

 

Sokrates (ebenfalls freundlich): Meine Gespräche sollen nicht erschrecken und schlimm sein, sondern meine Fragen –manchmal sind sie um der Sache willen hartnäckig und werden wohl deswegen als bohrend empfunden – sollen nur zum Nachdenken anregen… Aber ich möchte Ihnen schon jetzt im Voraus zur Beruhigung sagen, dass ich ihre Absichten als solche achte und ihnen den verdienten Respekt nicht versage. Natürlich kann es sich ergeben, dass wir in einigen Einzelfragen unterschiedlicher Meinung sind, aber die Richtung Ihrer Bemühungen ist sicher richtig, sogar notwendig für das deutsche Schulwesen.

 

Und sollten meine Begleiter die eine oder andere Meinung zu entschieden vortragen oder das eine oder andere zu heftig kritisieren, dann werde ich versachlichend eingreifen - um Ihres richtigen Ansatzes willen… Können wir unser Rundgespräch beginnen?

 

Herr K… (lachend): Dann bin ich ja erleichtert… Und es wird mir vermutlich ebenso gehen wie vielen anderen Ihrer Gesprächspartner, die dann tatsächlich ins Nachdenken, zumindest über das eine oder andere ihrer Ideen, Pläne und Tätigkeiten, gekommen sind. Ich werde mich bemühen, sachlich zu antworten, denn ich bin bereits manche Kritik gewohnt.

 

Sokrates: Fangen wir mal mit der deutschen universitären Schul-Pädagogik nach 1960 an. Damals herrschte nach meinen Erinnerungen ein allgemeiner Stillstand, eine Erstarrung. Man beschäftigte sich hauptsächlich mit theoretischen oder wenig vor Ort nützlichen Theorien und Lehr-Gebäuden. Man sollte die Arbeiten zur anthropologischen Pädagogik ausnehmen - aber sonst war es eine Mischung von pädagogischer Philosophie, beginnender politisierter Pädagogik und allgemeinen Theorie-Modellen. Das muss für Sie, Herr K… wenig interessant gewesen sein.

 

Herr K… : Ja, es war für mich eine pädagogisch-wissenschaftliche Atmosphäre, die mir wenig zu sagen hatte… Aber ich habe, das muss ich zugeben, kein übliches Pädagogik-Studium für Lehrer absolviert. Ich war überwiegend Quereinsteiger. Aber auf einem solchen Weg bemerkt man oft die Schwächen eines Systems intensiver, als wenn man innerhalb eines Systems aufsteigt.

 

Sokrates: Können Sie uns kurz Ihren Lebensweg skizzieren? Vielleicht hilft das, Ihr Bemühungen besser zu verstehen.

 

Herr K… : Ich bin  von meiner familiären Herkunft her ein Bauernsohn und in eine kleine einklassige Dorfschule gegangen. Dort haben die älteren Schüler die jüngeren unterrichtet - anders konnte der Lehrer gar nicht den Lehr- und Lernbetrieb aufrecht halten. Dass war eine wichtige frühe Erfahrung für mich: Schüler helfen Schülern. Anschließend habe ich eine Handwerkslehre absolviert, auf Nebenwegen die mittlere Reife nachgeholt, eine Ingenieurs-schule besucht und dann das Abitur nachgemacht. Und anschließend habe ich an einer Universität Wirtschaftswissenschaften und Soziologie studiert und darin promoviert.

 

Mit einer Sondergenehmigung konnte ich an einer Frankfurter Gesamtschule Lehrer werden. Dort begann mein heutiger Interessenschwerpunkt „Neue Formen des Lehrens und Lernens“ allmählich zu wachsen. Nach einiger Zeit in der Lehrer-Praxis habe ich eine Dozenten-Stelle am Lehrerfortbildungsinstitut der evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz (EFWI) angetreten, anfangs mit dem Schwerpunkt „Wirtschaftskundliche Bildung“, und dort bin ich bis heute tätig, allerdings als Unterrichtsmethoden-Reformer mit großem Erfolg im In- und Ausland.

 

Einer der Sokrates begleitenden Lehrer: Ich habe als junger Lehrer im Mai 1982 an einem Ihrer Fortbildungs-Veranstaltungen teilgenommen. Es handelte sich um ein 3-tägiges Seminar mit dem Thema „Wie aktiviere ich Schüler? Konsequenzen für Lehrerverhalten und Unterrichts-organisation“. Wir waren damals ein kleiner Kreis und hatten uns vom dem Seminar viel mehr versprochen, als für uns dabei heraus kam. Das betraf besonders zwei junge Hauptschullehrer, die ziemlich verzweifelt über ihre schwere Aufgabe waren und Hilfe gesucht hatten.

 

Wir haben Ihnen unsere Enttäuschung im Abschlussgespräch offen gesagt. Und damals haben Sie ehrlich geantwortet - das fanden wir alle so angenehm - dass Sie ursprünglich in Frankfurt Lehrer gewesen waren, mit einigen Schülern nicht zurecht gekommen wären und deshalb ganz gerne diese Stelle am EFWI angenommen hätten und dort versuchen wollten, anderen Lehrern Hilfen anzubieten. Diese Bemerkung war für uns insofern sehr hilfreich, als wir erfuhren, dass auch andere die Lehrerrolle nicht leicht gefunden hatten… Wir fanden Sie daraufhin, ich sagte es schon, menschlich sehr angenehm und das Seminar löste sich in einer sehr harmonischen Stimmung auf.

 

Hat Sie diese eigene Enttäuschung als Lehrer dazu motiviert, in Ihrem Methodentraining den Lehrer als Lehrer im Unterricht zurück treten zu lassen?

 

Herr K… (etwas verlegen): Ich kann mich bei meinen vielen Veranstaltungen an dieses frühe Seminar und meine persönlichen Bekenntnisse nicht mehr erinnern… Aber es stimmt, dass der Lehrer in meinem Modell zurücktreten soll. Dann kann er auch weniger in Schwierigkeiten ge-raten oder scheitern.

 

Ein anderer Lehrer aus der Begleitung des Sokrates: Ich habe früher viele Jahre das Fach „Wirtschaftskunde“ unterrichtet und gelegentlich bekamen wir von Ihnen Papier-Modelle, Ausarbeitungen, Vorschläge, ich weiß nicht wie man sie nennen soll, wie man durch Planspiele mehr Verständnis bei den Schülern für die Komplexität wirtschaftlicher Prozesse und Konflikte wecken könne. Diese Planspiele waren sehr zeitaufwendig, oft sollten sie mehrere Stunden umfassen, die man sich dann von anderen Kollegen leihen musste, und sie waren so komplex, dass die Schüler schnell das Interesse daran verloren. Wir, die Schüler und ich, haben Ihnen dann auch die Ungeeignetheit Ihrer Modelle, nachdem ich mit einem WiSo-Kurs ein solches Planspiel nach Ihren Vorgaben durchgespielt und andere Ihrer Modelle geprüft hatte, in einer ausführlichen schriftlichen Begründung mitgeteilt und begründet. Eine Antwort haben wir nie erhalten.

 

Waren Sie damals nicht mehr so ehrlich gegenüber eigenen Irrtümern, war später Kritik zu viel?

 

Herr K… (knapp): Ich habe mich tatsächlich nicht lange mit solche Planspielen befasst. Das Interesse an neuen Formen des Lehren und Lernens hat dann meine ganze Zeit in Beschlag genommen…

 

Sokrates: Offensichtlich haben Sie diese Interessen-Richtung „Planspiele für den Unterricht“ bald aufgegeben und sich, diesmal mit Erfolg, der Richtung „Neue Methoden im Unterricht“ zugewandt. Sie haben, wie ich hörte, eine ganz andere Form und Strategie des Lehrens und Lernens entwickelt. Ist das Ihr eigenständiges geistiges Produkt oder hatten Sie Ideengeber?

 

Herr K…:  Ich hatte und habe immer noch viele Ideengeber, nämlich die Schulpraxis und er-folgreiche  Lehrerideen früher und heute. Gleichzeitig sind meine Vorschläge eigene Ideen.

Ich möchte diesen Widerspruch mit einem Erklärungsversuch aus meinem ursprünglichen Fach Ökonomie erläutern:

Ich produziere besseren Unterricht. Das ist mein Produkt. Dazu habe ich eine Fertigungsstraße, mein Unterrichtskonzept, eingerichtet, an deren Ende das Produkt besserer Unterricht steht. Die nötigen Maschinen dazu, die Module, habe ich woanders entlehnt, aber die Auswahl und die Zusammenstellung der Maschinen, der Module, innerhalb dieser Fertigungsstraße sind mein eigenständiges Werk.

 

Diese Module möchte ich hier nicht im Einzelnen aufzählen. Man kann sie in meinen Büchern nachlesen und es kommen sicher im Lauf der Zeit weitere hinzu.

 

Sokrates: Geben Sie offen an, woher Sie die jeweiligen speziellen Ideen, also die Maschinen Ihrer Fertigungsstraße oder die Module Ihrer Unterrichtskonzeption her haben? Wissen also die Lehrer, von denen Sie Ideen entlehnt haben, davon?

 

Herr K… (kurz): Das weiß ich selber oft nicht mehr. Ich habe mir dann nur Notizen gemacht… Und was nützt dieses Wissen den betreffenden Lehrern? Ihren gesteigerten Wert gewinnen diese Ideen erst durch ihre Einbettung als Module in meine Fertigungsstraße, in mein neues Unterrichts-Methoden-Modell. Das eigentliche Verdient liegt dafür bei mir!

 

Es entsteht ein Getuschel unter den Lehrern, die Sokrates begleiten und auch Sokrates macht ein etwas nachdenkliches Gesicht. Dann sagt er:

 

Sokrates: Einige der mich begleitenden Lehrer möchten zu Ihrer letzten Bemerkung etwas sagen und ich meine mit Berechtigung:

 

Ein Lehrer:  Ich hatte ein knappes Jahrzehnt vor der erstmaligen Veröffentlichung Ihres Unterrichts-Modells in seiner 1. Fassung bei meinen Schülern die Praxis eingeführt, dass zu Beginn jeder Unterrichtsstunde eine 5 Minuten lange Kurzwiederholung von zurückliegendem Unterrichtsstoff durch einen Schüler stand. Die jeweiligen Wiederholungs-Themen hingen am Schuljahresbeginn in einer Liste aus und jeder Schüler musste eintragen, welches Thema er wählte. Diese Kurzwiederholungen begannen stets mit den Worten: „Liebe Mitschüler, ich erinnere euch an folgendes Thema…“. Diese Kurzwiederholungen mussten frei vorgetragen werden, denn sie sollte erinnern an… und das freie Sprechen üben. Anschließend wurde sie benotet. Jeder Schüler durfte sich aber für seine „Wiederholung“ einen Spickzettel mit 10 Stichworten anfertigen und in der Hand behalten. Ich habe das so begründet, dass jeder Professor einen Spickzettel hat, wenn er eine Rede hält und dann dürften auch Schüler einen kleinen, knappen Erinnerungszettel benutzen. Diese Idee kam mir bei einem Vortrag in einer benachbarten Universität, als der vortragende Dozent einen kleinen Spickzettel aus der Tasche zog. Bei den Schülern wurde diese Idee bald sehr beliebt und auch andere Kollegen wurden gebeten, ebenso zu verfahren.

 

Später hat eine Schülerin von mir in L…, wo sie auch an der kleinen Universität tätig sind, einige Semester Pädagogik für das Lehramt studiert. Ich könnte mir denken, dass diese Schülerin in Seminaren von dieser Praxis des Spickzettels und vom Üben des freien Sprechens berichtet hat und diese Idee so zu Ihnen gelangt ist. Denn sie empfehlen ja gerade des Üben freien Sprechens als wichtigen Baustein Ihres Unterrichtsmodells und das Anfertigen eines Spickzettels mit 10 Stichworten. Ist das reiner Zufall?

 

Herr K… (kurz, kühl): Ich kann mich nicht mehr bei allen Bausteinen erinnern, woher ich sie habe, bzw. ich halte es für unwichtig, darüber zu berichten.

 

Ein anderer Lehrer:  Mir fiel vor ca. 2 Jahrzehnten auf, dass einer Reihe von Schülern, mehr als man erwartet, abstraktes Denken schwer fällt und dass man für diese Schüler deswegen die Zusammenhänge optisch veranschaulichen und verbildlichen muss. Das ist ja schon eine alte Erkenntnis, z.B. der Montessori-Pädagogik. Meine neue Idee war nun, dass ich keine fertigen veranschaulichenden Folien kaufte oder selbst anfertigte, sondern die Schüler bat, den Unterrichtsstoff selber bildlich so zu visualisieren und zu strukturieren, wie er für sie am anschaulichsten und damit am besten behaltbar wird. Ich nannte das: „Schüler sollen eigene Tafelbilder und Strukturbilder anfertigen“.

 

Die Ergebnisse waren interessant. Die einen Schüler malten den Stoff in regelrechten Bildern, andere machten Mischungen von Zeichnungen und Fluss-Diagrammen und die dritten listeten eine Reihenfolge von Stichworten mit unterschiedlichen Unterstreichungen auf. Wichtig war nur, dass den Schülern keine fertigen Veranschaulichungen vorgelegt wurden, sondern dass jeder Schüler die ihm geeignetste Form wählen und selber anfertigen konnte. Danach wurden dann reguläre schriftliche Arbeiten zum Unterrichtsstoff geschrieben und ich meine bis heute, die Ergebnisse wurden besser, ohne dass die Anforderungen von mir gesenkt wurden.

 

Ich habe nun Beispiele solcher von Schülern angefertigten Tafelbildern und Struktur-Bildern gesammelt und diese Mappe Ihrem damaligen Mitarbeiter, Herrn M…, für einige Wochen zur Einsicht gesandt, nachdem wir vorher mündlich bei einem Besuch in unserer Schule schon darüber gesprochen hatten. Später habe ich Sie in einem Briefwechsel auf diese Möglichkeit hingewiesen, durch schülereigene Visualisierungen und Strukturierungen den Übergang von Gelerntem ins Langzeitgedächtnis zu fördern. 

 

Mittlerweile empfehlen Sie ebenfalls als ein Baustein Ihres Unterrichts-Modells solche Struktur-Bilder und Struktur-Visualisierungen. Geht das auf meine Anregungen zurück?

 

Herr K…:  (knapp): Ich kann mich nicht mehr bei allen Bausteinen erinnern, woher ich sie habe, bzw. ich halte es für unwichtig, darüber zu berichten.

 

Ein dritter Lehrer: Ich habe, gegen teilweise heftigen Widerstand der Kollegen und der Schulverwaltung, den Fragenkatalog bei schriftlichen Arbeiten derart zu erweitern, dass nicht mehr alle Fragen beantwortet werden mussten, sondern die Schüler einige Fragen übergehen konnten. Mir war diese Idee bei Klausuren innerhalb eines eigenen Fortbildungsstudiums gekommen, bei dem ich gut vorbereitet in Klausuren ging und dann manchmal Fragen gestellt bekam, zu denen ich nicht gut antworten konnte. Das meine ich, kann jedem passieren. Und damit die Schüler den Fragestellungen eines Lehrers nicht so hilflos ausgeliefert sind, habe ich den Fragenkatalog eben etwas erweitert, aber verlangt, dass jeweils 3 oder 4 Fragen nicht beantwortet werden brauchen, aber dann durchgestrichen werden müssen.

 

Darüber habe ich Ihnen ausführlich Bericht erstattet und Sie gebeten, diese Praxis unter dem Stichwort „schülerfreundlichere Gestaltung von Klassenarbeiten“ als weiteren Baustein in Ihr Unterrichtsmodell aufzunehmen. Halten Sie diese Idee für sinnvoll und haben Sie sie als Modul übernommen?

 

Herr K…:  (knapp): Ich kann mich nicht mehr bei allen Bausteinen erinnern, woher ich sie habe, bzw. ich halte es für unwichtig, darüber zu berichten. Das betrifft auch mögliche neue zukünftige Bausteine… Und außerdem: eine Idee ist noch nicht alles, sondern erst durch ihren Einbau in einen Produktionsprozess und ihre Vermarktung bringen den entscheidenden Erfolg.

Das ist wie in der freien Wirtschaft…

 

Sokrates:  Und vermarktet haben Sie Ihr Unterrichtsmodell wirklich erfolgreich. Auch deshalb sind Sie ein erfolgreicher, bekannter Unterrichts-Erneuerer. Sie haben mit dazu beigetragen, den Stillstand in der Schul-Pädagogik zu überwinden… Es geht den Kollegen bei ihren Fragen nur darum, dass etwas Anerkennung auch auf die kleinen Lehrer fällt, von denen Sie wichtige Ideen bekommen oder genommen haben. Man sollte von seinem verdienten Ruhm etwas an die Kleinen abgeben können, die mit dazu beigetragen habe, z.B. als Ideen-Lieferanten…

 

Aber was Ihre Methode der Vermarktung betrifft: Sie haben um sich eine größere Anzahl von Multiplikatoren gesammelt, die in den Schulen für Ihr Modell werben. Übertreiben diese nicht manchmal mit ihren Werbe-Sprüchen? Einige tun so, als sei alles Bisherige falsch und unnütz gewesen oder Ihre Module seinen das neue Heil des Unterrichts.

 

Herr K…: Ich lasse diesen meinen Freunden freie Hand, denn sie sind von meinen Modulen überzeugt. Ich werde mich hüten, diese Begeisterung zu mildern. Sie nützt der Verbreitung meiner Erkenntnisse, auch wenn manchmal etwas zu sehr gelobt wird, das gebe ich zu.

 

Sokrates:  Zu begeisterte Fans können auch das Gegenteil hervorrufen, nämlich den Verdacht auf Ruhmsucht und übersteigertes Selbstgefühl. Davor habe ich immer gewarnt und davor möchte ich auch Sie warnen. Solcher Verdacht mindert die Breitenwirkung einer Bemühung und ruft Gegenbewegungen hervor. Sie haben viel Richtiges und Wichtiges gesammelt, aber man sollte es behutsam verbreiten, damit es langfristig Beachtung behält. Denn das wünsche ich Ihnen…

 

Herr K…: Diese Vorwürfe können auch durch Neid hervorgerufen werden. Ich lebe damit, dass ich endlich die richtige Unterrichtsmethode gefunden habe und einsichtige Lehrer und Schulen darin fortbilde. Wo ich nicht das verdiente Verständnis finde, da kann ich nur sagen: Viel Feind, viel Ehr…

 

Sokrates: Und da bin ich der Meinung, dass der frühere Unterricht nicht immer schlecht war. Die ganz einfachen Unterrichtsformen wie Unterrichtsgespräch, Lehrer-Erzählung oder sogar Lehrervortrag haben bei vielen Themen und in vielen Situationen weiterhin volle Berechtigung.

Und viele Schüler müssen didaktisch vom Lehrer an die Hand genommen werden und können nicht durch Ihr Unterrichtsmodell und speziell nur durch die Hilfe anderer Schüler gefördert werden. Ihre Unterrichtsmodule sollten in einen normalen Unterricht eingebettet sein und nur dosiert angewendet werden. Dann wirken sie am besten. Denken Sie doch mal, es wäre jeden Sonntag Weihnachten?... Dann wäre ja Weihnachten nichts mehr wert.

 

Ein Lehrer:  Und was mich stört ist, dass Ihre Methoden-Freaks oft haufenweise Kopien aus Ihren Büchern machen, Kopien von Arbeitsblättern, und glauben, ich muss wirklich glauben sagen, dass schon durch das Ausfüllen von Arbeitsblättern des Herrn K… der Unterrichtserfolg gesteigert wird. Sie sollten gegen solche naiven Umsetzungsversuche ihrer Empfehlungen Einspruch erheben. Sonst wird der Name K… mit Kopien-Flut verbunden. Das ist nach meiner Ansicht aber kein guter Unterricht.

 

Ein weiterer Lehrer: Und es sollte nicht dazu kommen, dass man mit den Namen K… und seiner Unterrichts-Methode das Gefühl von Intoleranz verbindet. Es ist leider an manchen Orten schon so weit. Es geht nicht, dass Kollegen, die sich Ihrem Neue-Methoden-Konzept nicht anschließen oder nur teilweise anschließen können, als altmodische, gestrige, schlechte uneinsichtige Lehrer vor den anderen Kollegen, vor Schülern und Eltern abgestempelt werden. Denn wir haben es ja eben von Sokrates schon gehört: nicht alles Frühere war schlecht, bei manchen wird der Wert wieder neu entdeckt werden… Es gibt bereits manche Arroganz und noch schlimmer Intoleranz vor Ort…

 

Herr K… (wird allmählich unsicher, schaut auf die Uhr): Ich muss an meine Zeit denken… Es wartet ein Schulleiter zu einem Gespräch auf mich, der unbedingt meine neuen Methoden in seiner Schule gegen alle Widerstände durchsetzten möchte… Das erfüllt mich natürlich mit Stolz… Ich habe nämlich Recht, ich sehe den richtigen Weg für die Schul-Zukunft…

 

(Dann etwas verlegen) Natürlich kann es sein, dass hier und dort etwas schief gelaufen ist, dass Übertreibungen und Missverständnisse eingerissen sind… Wie heißt der Wahlspruch des Sokrates? Lasst uns darüber nachdenken… Gut, ich werde das tun… Nun ist es für mich doch etwas schlimmer gekommen, als mir angedeutet wurde…  

 

Sokrates (beruhigend): Niemand möchte Ihre Verdienste im Allgemeinen mindern, das habe ich schon zu Anfang dieses Gespräches angedeutet. Sie haben entscheidend zur Überwindung des Stillstandes in der Unterrichts-Forschung beigetragen und Sie haben im Besonderen neue Bewegung in die Unterrichts-Modul-Forschung gebracht. Aber im Einzelnen wurde manches überwertet, falsch in seiner Wirkung beurteilt und verabsolutiert. Und vielleicht wurde in der Praxis manche Reformbemühung zu Reformismus und zu einer intoleranten Ideologie. Darüber sollte nachgedacht werden…

 

Und Herr K…, wenn Sie sich an dem Menschen Herr Dr. K… wieder mehr orientieren könnten, der 1982 in seinem missglückten Fortbildungs-Seminar durch seine Ehrlichkeit einen so guten Eindruck hinterließ und Fehler und Übertreibungen Ihres jetzigen Systems korrigieren würden, dann würde das Ihren Bemühungen viel nützen. Ich wünsche das Ihnen und Ihrem Erfolg. 

 

Damit verließen Sokrates und seine Lehrer-Freunde den kleinen Gesprächsraum. Ob sie einen nachdenklichen oder missmutigen oder beleidigten oder in seinem Stolz verletzten Herrn K… zurück ließen, konnten sie nicht sagen, weil sie sich taktvoll nicht umdrehtenDie Zukunft wird es zeigen.

 

 

(Aufgeschrieben von discipulus socratei, der bei dem Gespräch als stiller Protokollant dabei war)

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.12.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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