Ute Abele

Angst




Onkel Paul stand eines Tages vor unserer Türe im tiefen Bayerischen Wald...
Ich hatte den fremden Mann durch unseren Garten auf die Haustüre zugehen
sehen... kannte ihn nicht und überlegte, wer das wohl sei und was er wollen
könnte. Er klingelte, ich öffnete. Da stand der fremde Mann und sagte lächelnd:
„Ich bin der Onkel Paul.“ Oh... aha. Achso. Der Onkel meines Mannes; dieser war
gerade nicht zuhause. Ich hatte schon viel von Onkel Paul gehört, weil er meinem
Mann der Liebste aus der Verwandtschaft war, aber kennen gelernt hatte ich ihn
und die Tante wegen der großen Entfernung zwischen unseren Wohnorten bis
dahin noch nicht. Onkel Paul sagte, er wollte auch nur kurz bescheid sagen, dass
er und seine Frau da seien... weil sie doch immer im Nachbarort Urlaub machten,
jedes Jahr... und sie wollten uns, die wir hier neu hergezogen waren, während
ihres Urlaubsaufenthaltes gerne in ihr Lieblingsgasthaus zum Essen einladen.


So trafen wir uns alle tags darauf. Da war gleich eine Wärme und Nähe da. Es gibt
Leute mit denen kein Smalltalk nötig ist, und die beiden gehörten dazu. Tim,
unser neuer Hund, hatte Angst vor Männern und man musste aufpassen... zu
Onkel Paul hatte er aber gleich Vertrauen, zur Tante sowieso, da sie eine Frau
war. Laika, unsere Hündin, fand die beiden auch wunderbar, und so waren auch
die Hunde bei dem Treffen dabei, worüber sich sowohl Onkel als auch Tante freuten.



Es gab also keinen Smalltalk. Die Sprache kam auf vieles, die Verwandtschaft
betreffend, in der einiges im Argen lag. Die beiden waren, wie wir, ebenfalls
Außenseiter innerhalb der Verwandtschaft. Die zwei benahmen sich nicht ganz
so, wie es erwartet wurde und entsprachen auch beruflich nicht dem Bild, mit
dem man sich gerne geschmückt hätte. Onkel Paul war Gefängniswärter. Darüber
sprachen wir an diesem Abend aber nicht intensiver. Hätten wir vielleicht sollen,
es wäre vielleicht gut gewesen. Vielleicht hätte sich der gute Draht zwischen uns
noch intensivieren können und wir hätten eine Hilfe sein können. Aber es hat
nicht so sein sollen.


Onkel Paul hatte, wie wir erst später von der Tante erfuhren, die Phobie, eingesperrt
zu werden. Er, der jeden Tag so und so viele Sträflinge immer wieder einsperren
musste, fürchtete, selbst eingesperrt zu werden. Er sprach darüber nur mit seiner
Frau, und selbst mit ihr nur sehr zurückhaltend. Er hatte Angst, eben wegen dieser
irrationalen Angst irgendwann selbst in der Psychiatrie eingesperrt zu werden.
Deswegen wollte er nicht darüber sprechen und sich keine professionelle Hilfe holen.
Biss die Zähne zusammen... sperrte weiterhin jeden Tag Menschen ein und hatte
Angst... Er litt Jahre lang.


Eines Tages bekam seine Frau einen Anruf von der Polizei... Paul hatte sich aus
seiner Angst befreit. Er war mit einer Flasche Schnaps auf ein Hochhaus gestiegen,
hatte die Flasche leergetrunken und war gesprungen.



© Ute Abele






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