Der alte Mann sass versunken auf der Parkbank, der Mantel hatte schon bessere Jahre gesehen und war eigentlich für die Jahreszeit zu dünn. Trotzdem schien er den frischen Wind, der ihm um den geröteten Kopf blies, zu geniessen. Mitten in der Stadt ganz für sich allein, eins geworden mit der Natur, war er weit weg. Auf dem ganzen Platz alle andern Bänke leer. Wem würde es auch einfallen, sich diesen Temperaturen auszusetzen. Passanten gingen ihren Geschäften nach, beachteten ihn nicht.
Was mochte ihm durch den Kopf gehen? Hatte er Familie? Freunde? Wie wohnte er? Kam er mit seiner Rente klar? Oder bezog er Sozialhilfe? Sollte ich mich zu ihm setzen und ein Gespräch beginnen?
Aber was, wenn ich ihn dann, aus Mitleid oder Sympathie, gleich zum Mittagessen mitnehmen würde? Ein Glas Roten würde er sicher nicht abschlagen. Und nachher eine Zigarre. Und was, wenn wir ihn dann nicht mehr los werden? Er immer wieder vor unserer Haustüre stehen würde? Obdachlos.
Also lasse ich es bleiben.
Der Alte
Versunken sass er da
wurde nicht beachtet
seine Seele weit weg
Erinnerungen trotzen auch dem kältesten Wind
Ich seh ihn bei uns
am blütenweiss gedeckten Tisch
glänzende Äuglein
rote Bäcklein unter dem wirren Bart
Um 5 geht er, wankenden Schrittes,
nach Hause sagt er, aber nicht wo.
Danke, es war schön, sehr schön.
Sehe ich feuchte Augen?
Am nächsten Morgen
schleicht er ums Haus
winke ihn herein
zum heissen Kaffee
Wir gewöhnen uns daran
langsam taut er auf
wir erfahren mehr
bis er nie mehr kommt.
Der Alte
Darf ich mich zu ihnen setzen?
Nickt kurz und knapp, nicht erfreut,
Schweigen.
Frisch, nicht?
Schweigen, Blick geradeaus.
Schon wieder ein Jahr vorbei
Hmm
Ging verdammt schnell
Schweigen.
Wirklich stramme Bise,
morgen wohl Schnee?
Schweigen.
Ich brauche etwas Warmes,
dort im Café,
kommen Sie mit?
Ich lade sie ein.
Befremdeter Blick,
Kopfschütteln,
Schweigen.
Ich erhebe mich
gehe weiter
er scheint erleichtert
endlich geht der Schwätzer.
1.1.2011
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.01.2011.
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