Barbara Greskamp

Die kleine Pferdeflüsterin

Die kleine Pferdeflüsterin

 

Die Sonne meint es heute wieder gut mit uns, dachte Moni, als sie rittlings auf einem Strohballen saß und ihre langen Beine locker herabbaumeln ließ. Ihre Hunde tobten um sie herum, spielten und jagten sich - auch sie erfreuten sich des guten Wetters.

 

Moni wartete auf Besuch aus Holland. Man wollte ihr heute zwei Pferde bringen, die sie betreuen und auch ausbilden sollte. Es nahmen immer mehr Pferdeleute ihre Dienste in Anspruch. Es hatte sich herumge-sprochen, dass sie ein Händchen für Tiere, ja insbesondere für Pferde hat. Als ausgebildete Pferdewirtin verfügte sie außer über  einen ausgeprägten „Horsesense“ auch über die fachliche Qualifikation, Pferde zu betreuen und auszubilden. Außerdem ist sie eine junge Frau, die in ihrer Art schon ungewöhnlich war. Sie redete niemandem nach dem Mund und vertrat ihre eigene Auffassung, die sich erheblich von der der meisten Teenager Anfang 20 – und auch immer öfter von der Meinung festgefahrener Pferdeleute - abhob. Sie eckte damit auch an, aber das war ihr ziemlich egal.

 

Endlich bog das Gespann um die Ecke. Die beiden Quarterhorses – Papa Brasil mit Sohn Rio – wurden ausgeladen und in das neue Heim gebracht. Dort konnten sie sich nun – nach einer gewissen Eingewöhnungszeit – frei in der kleinen Herde von 10 Pferden bewegen.

 

Vater und Sohn gewöhnten sich schnell ein. Bald wurden sie von der Herde akzeptiert und aufgenommen.

Moni begann, mit den Pferden zu arbeiten. Am Anfang einer Ausbildung stand immer die Bodenarbeit – pferdegerecht und gewaltfrei - die sie auch akribisch durchführte. Die Pferde dankten es ihr. Es gab kein Pferd in ihrer Herde, auch keinen Hengst,  der ihr nicht wie ein Hund folgte.

 

Der Tag kam, da sie auch den kleinen Hengst Rio einreiten wollte. Sie benötigte nicht viel Zeit um zu bemerken, dass mit ihm etwas nicht in Ordnung war.

Wenn sie versuchte, ihn links herum zu reiten, schlug er mit dem Schweif und sperrte sich. Er schien Schmerzen zu haben. Moni stieg sofort ab. Sie führte ihn noch etwas im Schritt und brachte ihn dann zurück zur Herde und gab ihm sein Futter.

Die nächsten Tage versuchte sie es noch zweimal, jedoch mit dem gleichen Ergebnis. Herbeigerufene Tierärzte und Osteopathen konnten auch nicht helfen, man war ratlos. Moni bat den Eigentümer, das Pferd in einer Klinik untersuchen zu lassen. Ein Pferd mit offensichtlichen Schmerzen konnte und wollte sie nicht reiten.

 

Der Tag kam, an dem der Eigentümer das Pferd abholen und in eine Klinik bringen sollte. Moni hatte alles dafür vorbereitet und wartete schon. Das Gefährt fuhr vor und der Hänger wurde für Rio bereit gemacht. Moni führte Rio hinein und schloss die Klappe.

 

Der Pferdebesitzer schaute sie an und sagte mit einem süffisanten Lächeln:“ So, meine Liebe, ich kündige dir hiermit deinen Berittvertrag. Ich fahre das Pferd nicht in die Klinik sondern zu einem anderen Trainer in den Westerwald, der Rio so trainiert wie er ist. Mit 'nem bisschen Druck kriegt er das schon hin.“

 

Moni schaute ihn mit großen Augen sprachlos an. Vor ihren Augen lief ein Film ab. Sie wusste genau, wie so eine Ausbildung unter Schmerzen für Rio aussah. Man findet immer wieder Pferdetrainer, die ein Pferd versuchen, dahin zu prügeln wo es hin soll, ohne Rücksicht darauf, ob ein Pferd aus gesundheitlichen Gründen überhaupt im Stande war, den Anforderungen gerecht zu werden.

In ihrem Kopf ratterte es. Sie wusste: dieses Pferd darf den Hof nicht verlassen!

 

„Oh, verflixt!“ sagte sie. „ Rio hat noch mein gutes Halfter an. Das möchte ich ihm noch abnehmen!“

„Ach“ sagte der Pferdebesitzer, „ich habe dir einen Karton voll von alten Halftern in die Stallgasse gestellt. Die kannst du als Entschädigung für deine Arbeit haben“. „Nein, ich will deine alten Halfter nicht. Hol sie bitte aus der Stallgasse und nimm sie mit. Ich möchte meines haben.“ Erwiderte Moni.

Der Pferdebesitzer grunzte ungehalten und trottete in Richtung Stallgasse davon. Kaum war er um die Ecke gebogen, machte Moni die Hängerklappe auf, sprang auf den Hänger und zog Rio das Halfter vom Kopf – und dann, oh Schreck, wie dumm, legte Rio den Rückwärtsgang ein und – hopplahopp - stolperte er flugs rückwärts die Klappe hinunter. Achherrje, da stand der kleine Hengst doch tatsächlich ohne Halfter auf der Strasse… so was! Was denn nun? Der Pferdebesitzer kam zurück und staunte nicht schlecht: „Was macht das Pferd denn auf der Strasse? Bring es sofort wieder in den Hänger!“ „Oh, der ist mir doch tatsächlich abgehauen. Ich konnte es nicht verhindern! Aber ich glaube, ich kann ihn nicht noch einmal überreden, in den Hänger zu steigen. Aber du kannst es ja versuchen – es ist ja dein Pferd.“ Der Pferdebesitzer versuchte mit hochrotem Kopf verzweifelt, den kleinen Rio in den Hänger zu ziehen, zu schieben, zu zerren. Natürlich ohne Erfolg. Moni grinste still in sich hinein.

 

„Ich hol die Polizei!“ schrie der Pferdebesitzer. „Das ist mein Pferd! Ich kann damit machen was ich will!“ „Natürlich kannst du das. Lad` ihn doch auf. Ich hindere dich nicht daran!“ Ein breites Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. Endlich, nach vielen vergeblichen Versuchen,  gab der Mann vor Zorn bebend auf. „OK, dann bleibt der Gaul eben hier. Ich gebe dir noch Zeit bis zum 10. August, wie in unserem Vertrag vereinbart, das Pferd einzureiten. Dann hole ich es endgültig ab.  Deine Tricks werden dir dann auch nichts mehr nützen!“ Sagte es, schmiss sich in seinen Jeep, knallte die Tür zu und brauste davon.

 

Moni war überglücklich, Rio vor einem schmerzhaften und ungewissen Schicksal bewahrt zu haben. In den nächsten Wochen sammelte sie Geld zusammen. Viele tierliebe Menschen halfen ihr - und  schließlich kaufte sie dem Pferdebesitzer den kleinen Hengst Rio ab.

Nun wird er die medizinische Betreuung bekommen, die er braucht und alles nimmt ein gutes

 

Ende.

 

 

 

©

Barbara Greskamp

3.2.2011

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.02.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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