Peter Wolf

Töten - nur ein wenig!

Guten Tag. Heute schreibt der 'Zweibeiner' von Zeus, einem schwarzen belgischen Schäferhund, der gegenwärtig leider nicht in der Lage ist, seinen aktuellen Beitrag, wie gewohnt, zu verfassen. Sie möchten sich nach der Ursache für seine Misslichkeit erkundigen? Gerne. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Sein Nervenkostüm wurde in der letzten Stunde überdurchschnittlich strapaziert.

Begonnen hatte dieser für Zeus unsägliche Tag bereits am frühen Morgen, als ich ihn im Flur vor der Wohnungstüre liegend antraf. Ehrlich gesagt, erinnerte er mich in diesem Augenblick eher an einen Staubsauger als einen einen Hund. Mit seiner Nase zog er mit hastigen und tiefen Atemzügen nicht nur die Luft aus der Bodefunge zwischen Wohnungstüre und gefließtem Flurboden ein sondern auch sämtliche Staubflusen, die sich seit dem letzten Großputz vor einigen Wochen angesammelt hatten. Ich ahnte bereits den Grund für diese "Schnüffel-Aktion". Meine Katze! Sie ist eine Freigängerin und hatte vermutlich einen günstigen Moment genutzt, um sich ins Wohnhaus zu schleichen. Vermutlich saß sie nun wartend vor der Wohnungstüre, um herein gelassen zu werden.

Zeus war sichtbar angespannt, als ich ihn in ein anderes Zimmer lockte, um dem Begehren meiner  Katze nachzukommen, die sich tatsächlich im Treppenhaus aufgehalten hatte und mich maunzend und mit erhobenem Schwanz begrüßte. Nachdem ich die Katze sicher durch das feindliche Hundeterretorium in der Wohnung geleitet hatte, startete ich mit Zeus zu unserem morgentlichen Spaziergang. Ein großer Fehler, wie sich noch herausstellen sollte!

Etwa 300 m vom Haus entfernt trafen wir auf einen anderen Gassigeher mit vierbeinigem Anhang. Diese Situation versetzte Zeus derart in Aufregung, dass ich größte Mühe hatte, seinem kraftvollen Ziehen Widerstand zu leisten. Ich merkte, dass Zeus seine Umwelt - und damit auch mich - völlig ausgeblendet und sich auf eine gezielte Konfrontation und Provokation des anderen Hundes eingestellt hatte. Nach der Gesetzmäßigkeit von 'Aktion' und 'Reaktion' erwiderte der andere Hund, ebenfalls männlichen Geschlechts, die feindlichen Gesten von Zeus und stellte wiederum die Standfestigkeit seines Herrchens auf die Probe. Kurzum: Die klassische Begegnung zweier Rüden mit ausgeprägtem Hang zum Imponieren.

Nachdem die beiden Halbstarken ihren beeindruckenden Auftritt ohne Blutvergießen beendet hatten, sind beide Herrchen mit mehr oder weniger hohem Blutdruck ihres ursprünglichen Weges gegangen. Zeus konnte sich mit einigen Spurts auf dem nächsten Acker austoben, wobei er sichtlich die Krähen vermisste, die er überlicherweise zu jagen pflegte. Auf einen adäquaten Beuteersatz musste er nicht lange warten. Eine Frau mit einer 'Wadenhupe' (= Bezeichnung des 'Zweibeiners' für Hunde mit geringer Beinhöhe) kam uns entgegen. Es ist erstaunlich, wie ähnlich sich Hunde in dieser kleinen Größenordnung verhalten. Auch dieses Fellknäuel auf vier Pfoten fing bereits aus großer Distanz bedrohlich an zu kläffen. Frau'chen erblickte Zeus und entschied sich ganz spontan, unauffällig die Richtung zu wechseln. Nämlich um genau 180 Grad. Somit lief in Sichtweite von Zeus ein kleines quietschendes Beutetier, welches an einer Leine von einer Frau gezogen wurde, was wiederum meinen eigenen Hund dazu veranlasste, mich hinter sich herzuziehen. Zeus schaltete in seinen 'Jagdmodus'. Vermutlich kreisten nur noch zwei Gedanken in seinen Gehirnwindungen herum: "Jaaagen!" und "Töööten! (nur ein wenig!)"

Die eigene Haustüre war bereits in Sichtweite. Ich tastete in meiner Tasche nach dem Hausschlüssel, als Zeus wieder seinen eingebauten Allradantrieb aktivierte und versuchte, mich über den Rasen eines Nachbarn zu ziehen, auf dem er eine Katze entdeckte. Ich erspare mir die Beschreibung der restlichen Minuten, bis wir endlich in der Wohnung angelangt sind. Abschließend möchte ich betonen, dass es keine langweiligen Tage mehr in meinem Leben gibt, seit dem ich einen Hund mit ausgeprägtem Jagdtrieb und einer Aversion gegenüber Artgenossen besitze. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.02.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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