Rolf Driehsen

im Namen meines Hundemädels


Ein letzter Gruß

Euch allen, die Ihr mich kennen und lieben gelernt habt. Manchmal war es nicht leicht Euch Menschen zu verstehen, doch gab ich mir größte Mühe das doch zu tun. Und ich glaube, die meiste Zeit meines Lebens hat das auch ganz gut hingehau’n. Zumindest habe ich nicht oft Schimpfe bekommen. Ich weiß daß ich meinem ‚Chef‘ ein guter Partner war und danke ihm, daß er mich nach zweieinhalb Tagen schrecklicher Schmerzen davon erlöst hat.


Welche Schmerzen fragt Ihr – nun ich will’s Euch erklären!
Am Samstag war ich mit meinem Chef noch ein paar Pferde beschlagen und tollte ungefähr bis Mittag mit meinem Kumpel Bodo durch den Stall. Der Kerl war echt lästig, ständig wollte dieser ‚Schnösel‘ mich anmachen, dabei hatte ich doch gar keine Lust. Sei’s drum, er ist halt wirklich noch ein Jüngling und hat keinerlei Respekt vor älteren Damen – sei’s ihm verziehen, ich war ja auch mal so. Gegen Mittag wurde ich dann ein wenig ruhiger und legte mich ins Stroh, denn ich bekam Bauchweh. Leider konnte ich das meinem Chef nicht sagen, so ertrug ich das noch harmlose Schmerzgefühl ohne Klagen und ließ immer noch den kleinen Kerl auf mir rumhampeln, ich knurrte ihn nichtmal an.

Als wir, mein Chef und ich dann zum nächsten Stall fuhren, mußte ich dort leider im Auto liegen bleiben, doch machte mir das nicht allzuviel, da ich ja wußte hier darf ich nicht. So wartete ich geduldig im Auto und zitterte ein wenig teils vor Kälte – ich war ja eine Frostbeule
- ein wenig aber auch wegen des dummen Bauchweh.

Dann ging’s endlich nach Hause, das Bauchweh war fast fort und ich rannte daheim rum wie immer. Ich freute mich einfach wieder bei uns im Dorf zu sein und mein Futter und mein Körbchen in erreichbarer Nähe zu haben. Wie immer gab’s auch ein Leckerli als wir ins Haus kamen. Nachdem mein Chef nun das Auto ausgepackt hatte, machte er mir mein leckeres Futter mit einer kleinen Portion Nudeln und ich machte mich darüber her als wär’s das letzte Fressen auf der Welt.

Doch dann ging’s los.

Ich bekam einen Knubbel (etwa so groß wie eine große Walnuß) an der Milchleiste und fürchterliche Schmerzen im Bauch. Es tat mir so weh, daß ich nur ganz flach atmen konnte und ich bekam Fieber. Außerdem verkrampfte sich mein Körper immer wieder, weil das ja so schrecklich schmerzte. Nachdem ich nun etwa zwei Stunden so lag und mich sonst nicht rührte, wurde mein Chef doch unruhig, er glaubte ich hätte mich vergiftet und er holte das Fieberthermometer um die Temperatur zu messen. Wie er dann feststellen mußte hatte ich wirklich Fieber, und ich hätte ihm so gern gesagt wo mir was weh tat. Doch hinderte mich nicht zuletzt mein Terrierkopf daran den Schmerz wirklich zu zeigen. Rolf, mein Chef rief nun doch beim Tierarzt an und so fuhren wir alsbald nach Kelberg. Hui, war der heut schnell! Sonst fährt der ruhiger durch die Eifelkurven.

Beim Tierarzt angekommen hatte ich ja schon ein mulmiges Gefühl im Bauch, zusätzlich zu den schrecklichen Schmerzen. Nun, hier sollte ich dem Doc was vorgehen – dabei konnte ich das doch gar nicht mehr richtig – aber mein Chef meinte, ich solle mal zu ihm kommen und so tat ich wie mir geheißen. Der Arzt glaubte aufgrund meines runden Rückens ich hätte etwas an der Wirbelsäule und verabreichte mir ein Schmerzmittel. Als ich dann nicht mehr an mich halten konnte und wieder diese Krämpfe bekam, konnte er dann endlich sehen, was mein Freund ihm die ganze Zeit zu erklären versuchte. Jetzt bekam ich auch noch eine Ladung Antibiotika, sicherheitshalber. Der Doc meinte noch, es müsse nun besser werden, doch wenn nicht sollten wir uns nochmal sehen lassen. So fuhren wir wieder Heim und mir ging’s ein wenig besser, schließlich hatte ich ja Schmerzmittel bekommen.
Der Sonntag fing wieder schlimm an, die Walnuß an meinen Zitzen war etwas größer geworden. Allerdings hatte ich Hunger und das ‚Diätfutter‘ welches mein Chef mir verabreichte war höllisch gut. Nicht daß es was besonders leckeres gewesen wäre, aber es war auf seinem Herd gekocht und was da her kommt ist für mich immer was Besonderes. Ich bin nur raus und habe meine Geschäfte erledigt, weil mein Chef mich dazu aufforderte. Ich bewegte mich so wenig wie möglich, denn alles tat mir weh. Im späten Nachmittag kam Rolf dann auf die Idee, die ja nicht verkehrt war, mir den Bauch mit Quark einzukleistern. Dazu allerdings mußte er mich aus meinem Korb heben und zum Sofa tragen. Doch weil mich alles schmerzte, knurrte ich den armen Kerl richtig böse an. Unter normalen Umständen hätt‘ ich den Quark ja abgeschlabbert, doch dazu war mir jetzt nicht zumute. Ich blieb ein wenig auf dem Rücken liegen, denn das war so schön kühl, richtig angenehm. Außerdem verabreichte er mir noch zweimal Arnika – hm, eigentlich wollt ich das ja gar nicht in meinen Mund bekommen, aber er hat’s geschafft. Ist halt mein Chef.
Montagmorgen mußte Indi dann wieder zur Arbeit. Ich blieb solange es ging in meinem Korb im Schlafzimmer liegen, und als mein Chef mich dann hochheben wollte, mich runterzutragen, konnte ich nicht anders als ihn wieder anzuknurren. (tut mir ja schon leid, er meinte es ja nur gut) Nachdem ich unter Mühen den Berg in den Garten hinter mich gebracht hatte, legte ich mich wieder in meinen Korb im Eßzimmer, mir war so gar nicht nach Leckerli-Betteln trotzdem gab mein Chef mir eines. Zögerlich nahm ich diese Belohnung an und genoß sie. Als Rolf sich anziehen ging, blieb ich ganz gegen meine Gewohnheit im Körbchen liegen und auch als er das Haus verließ. So trug er mich also zum Auto, denn er wollte mich auch jetzt nicht den ganzen Tag allein daheim lassen. Heut wär’s mir aber lieber gewesen. Naja, er wollte mich jetzt schon gar nicht allein zuhause lassen und so fuhr ich wie immer mit ihm. Der Tag war äußerst unangenehm und schmerzhaft, doch hatte Indi schon recht früh erkannt, daß es schlimm würde und so hat er seine Chefin angerufen und gesagt er müsse mit mir zum Arzt und wolle daher den letzten Kunden ausfallen lassen. So ging dieser Arbeitstag doch zum Glück recht schnell vorüber.
Als mein Chef mich dann aus dem LKW gehoben hat und mich auf den Boden stellen wollte, sind mir meine Hinterbeine fast weggeknickt und ich habe es nur Rolf zu verdanken, daß es nicht wirklich geschah, denn er hielt mich sofort aufrecht. Er ging dann zum Büro und mir fiel es sehr schwer hinterher zu gehen und ich schaffte nur ungefähr 15 Meter. Ich schaute ihn an und deutete ihm ‚ich kann nicht weiter‘, so trug er mich dann zu unserem Auto. Wir fuhren irgendwohin, wo ich dann nochmal im Auto warten mußte, ich glaube er ging Geld holen, heut fragte ich ihn nicht nach Leckerli wegen des Wartens und dann fuhren wir wieder zum Doktor. Hier waren noch zwei Katzen, die mich heut überhaupt nicht interessierten, vor uns dran. Als wir dann ins Sprechzimmer sind und die diese dicke Geschwulst (mittlerweile so groß wie eine kleine Leberwurst) befühlten tat mir das unheimlich weh und ich versteckte meinen Kopf in Rolf’s Ellenbeuge. Die Frau Doktor war sehr nett und sagte doch böses. Sie sagte nämlich, daß ich eine sehr aggressive Geschwulst hätte, weil die in so kurzer Zeit so groß wurde. Man könne sie zwar wegschneiden, doch sei absehbar, daß bald die Metastasen überall in meinem Körper wären.
Da mein Chef sich schon immer vorgenommen und mir versprochen hat mich nicht unnötig leiden zu lassen, beschloß er hier und jetzt sein Versprechen einzulösen. Das fiel ihm sicher nicht leicht, denn er hatte Tränen in den Augen (und das hat er nicht so oft), als er das äußerte. Jetzt ging alles sehr schnell, ich bekam eine Spritze in die Vene, die mich bald einschlafen ließ, darauf folgte eine Spritze die mein Herz zum Stillstand brachte. So schlief ich in den Armen meines geliebten Herrn ein und alle Schmerzen waren plötzlich von mir genommen.

Mein Chef, ich danke Dir für diese Entscheidung daß ich nie mehr solche Schmerzen ertragen muß, wie in den letzten drei Tagen. Jetzt wirst Du zwar auch einiges Leid ertragen müssen, doch weiß ich Du wirst es überstehen.

Allen anderen lege ich hiermit ans Herz meinen Chef, Rolf oder Indi wie auch immer Ihr ihn nennt nach Möglichkeit nicht über Gebühr nach meinem Leidensweg zu fragen, wenn die Zeit reif ist spricht er von selbst darüber. Behaltet mich in Erinnerung wie Ihr mich kennen und lieben gelernt habt.
 
Eure Gina (am 12. Februar 2007)
 
P.S.: Er, mein Freund wird einen schönen Platz für mein Grab finden, davon bin ich überzeugt.

 
© Rolf Driehsen

Diese Geschichte schrieb ich nach dem Tod meiner Jacky-Hündin und schickte sie an meine Bekannten und Freunde.
Zum Einen sollte sie mich vor - derzeit - unliebsamen Frage Fragen schützen, warum ich denn plötzlich allein überall auftauche.
Zum Zweiten half mir das Niederschreiben der Geschehnisse der letzten Tage dabei mit meiner Trauer besser umzugehen und diese zu verarbeiten.
Rolf Driehsen, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.02.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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