Astrid v.Knebel Doeberitz

Wenn Papierkörbe sprechen könnten...

 
 
… bekämen wir wohl allerhand zu hören.
 
„Aber dann müsste ich auch hören und lesen können“,würde unser Papierkorb wohl einwenden. Er ist zwar nur ein Gegenstand, der immer wieder gefüllt und geleert wird, doch wenn…
 
… Oh ja, ich habe viel zu erzählen. Schön, auch mal zu Wort kommen zu dürfen!
 
Neulich – beim Lesen in einem alten Tagebuch, das schon älter ist als ich selbst und nicht in mir gelandet ist – fiel meinen Besitzern auf, dass sie mich schon seit 25 Jahren im Wohnzimmer stehen haben und ich noch immer ganz passabel aussehe.
Immerhin habe ich seit dem Limburger Schreibwarengeschäft, in dem sie mich für den stolzen Preis von 59,50 DM erworben haben, schon fünf Umzüge hinter mir.
 
Ich bin schon etwas Besonderes, nicht nur ein gewöhnlicher Behälter für Papierabfall. Mich findet man nicht überall. Die ganze Welt ist auf meiner Außenseite abgebildet.
Zwar bin ich selbst stets in Deutschland geblieben, aber auch hier erlebt man genug.
 
Immer wieder wurde ein passender Platz für mich im Wohnzimmer gefunden.
Vor allem landen in mir die Werbeprospekte und „Käseblätter“, die aber glücklicherweise nicht nach Käse stinken. Dort steht wohl viel „Käse“ drin, daher der Name.
 
Nein, ein stinknormaler Abfallbehälter bin ich nicht, denn in mir landen keine übel riechenden Essensreste und weder Kaugummis noch Bananenschalen, Apfelreste oder was es sonst so klebriges gibt.
Wie schön, dass es seit langer Zeit schon die Mülltrennung gibt, so dass ich selbst von Plastik und Blumenresten verschont bleibe. Nur ab und zu landet – zu meinem Leidwesen – ein Papiertaschentuch in meinem Innern. Ich kann mich dagegen nicht wehren und nehme es gelassen hin.
 
Im jetzigen Computerzeitalter müsste eigentlich weniger Papiermüll anfallen, aber für mich bleibt immer noch genug übrig. Über meinen Konkurrenten, den PC-Papierkorb, der nur ein gekennzeichnetes Feld im Computer besetzt und ausschließlich virtuellen Müll aufnimmt, kann ich nur lachen. Kein Mensch kann darin Papier entsorgen, so dass er eigentlich gar nicht berechtigt ist, als „Papierkorb“ bezeichnet zu werden.
Na ja, es soll mich nicht weiter stören.
 
Interessant wird es immer dann, wenn meine Herrschaften ihren realen Papierkram aufräumen und aussortieren. Es ist für mich kaum zu fassen, wie viele alte Zeitungen, Zeitschriften und vor allem irgendwann einmal Geschriebenes aus alten Akten in mir landet, so dass ich öfter an die frische Luft zum Leeren komme, noch bevor ich das alles kapiert habe. Ist ja auch nicht mehr von Bedeutung, wenn’s weggeworfen wird!
Die große Papiertonne neben dem Haus hätte mehr zu erzählen, denn sie wird nur alle vier Wochen geleert und ist dann oft proppenvoll bis unter den Deckelrand, aber ich gehöre in die gute warme Stube und muss nicht jedem Wetter standhalten.
 
Ab und zu kann es vorkommen, dass wieder etwas aus mir herausgeholt wird, das doch noch nicht in den Müll sollte.
 
Früher gab es zwei junge Kater in der Wohnung, denen es Spaß machte, sich ab und zu in mir zu verstecken, doch die beiden habe ich längst überlebt.
Das war für mich eine aufregende Zeit und für meine Herrschaften wohl auch manchmal – immer dann, wenn Gerry und Tapsi mich umgeworfen und entleert hatten. Papierfetzen können für junge Katzen sehr interessant sein!
 
Die alte, jetzt hier lebende Katzendame Cleo findet mich aber uninteressant und ich habe bei Bernd und Astrid ein friedliches Dasein.
 
Einsam wird es immer dann, wenn sie in die Welt hinausreisen. Dann bleibe ich unbeachtet leer zurück – nur mit meinem Weltatlas um mich herum.
 
Umso besser, dass ich als Papierkorb nur ein Gegenstand bin – und alles, was in mir landet und jetzt aus meiner Sicht hier geschrieben wurde, menschlichen Gedanken entspringt.
Am Schluss landet die mit Kuli verfasste Kladde dieser Geschichte, nachdem sie in den PC übertragen wurde, wieder in mir - dem allzeit treuen Papierkorb.
 
Es ist nun einmal von Gott sehr weise eingerichtet, dass Lesen, Hören und Sprechen uns Menschen vorbehalten ist. Wie gut, denn sonst wäre es mit der häuslichen Ruhe vorbei.
 
Mögen wir uns jedoch in diesem „Fast-alles-ist-Menschen-möglich-Zeitalter“ nur nicht „zumüllen“ lassen, sondern in der Lage sein, gut zu sortieren – äußerlich wie auch innerlich.
 
 
 
Astrid v. Knebel Doeberitz, 26.02.11


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