Schon wieder eine dieser lästigen Telefonwerbungen, vorzugsweise zur besten abendlichen Fernsehzeit.
Gewöhnlich lege ich gleich den Hörer auf, sobald ich die Werbeabsicht erkenne. Aber die Damen in den Call-Zentren sind inzwischen gewiefter geworden und geben sich nicht mehr gleich mit dem ersten Satz zu erkennen.
„Könnte ich bitte Ihre Frau sprechen? Ist Sie zu Hause?“
„Nein, leider nicht.“
„Könnten Sie mir sagen, wann Sie zu erreichen ist?“, fragt die Anruferin mit besorgter Stimme.
Nun werde ich doch neugierig.
„Frühestens übermorgen Vormittag. In welcher Angelegenheit möchten Sie sie denn sprechen? Vielleicht kann ich Ihnen ja weiter helfen.“
„Ich möchte mich mit Ihrer Frau über die Vitalität und Schönheit des Lebens unterhalten.“
Das muss ich erst einmal schlucken.
„Kennen Sie meine Frau überhaupt? Woher wissen Sie, dass es ihr an Vitalität und Schönheit im Leben mangelt.“
„Jedem Menschen mangelt es daran.“
„Und Sie schaffen schnelle Abhilfe?“
„Ja.“
„Und wie steht es mit Ihnen? Weisen Sie auch Mängel in diesen Bereichen auf?“
„Natürlich nicht, sonst könnte ich wohl kaum anderen Menschen helfen.“
„Und Sie nehmen sich nur bedürftiger Frauen an?“
„Vorwiegend.“
Mich reitet der Teufel. Die Frau würde ich mir gerne ansehen, um herauszufinden, welche Person sich hinter diesem Angebot und hinter dieser selbstbewussten Stimme verbirgt.
„Mein Bedarf an Vitalität und Schönheit ist eigentlich viel größer als der meiner Frau. Wo könnte ich Sie denn aufsuchen?“
„Aufsuchen? Gar nicht. Wir vom VVS konzentrieren uns auf Telefonberatung und -therapie. Persönliche Begegnungen lenken nur vom Eigentlichen ab und gefährden den Erfolg.“
„Und Sie machen keine Ausnahme?“
„Normalerweise nicht, aber wenn Sie für eine einstündige private Sitzung 200 € zu zahlen bereit sind, könnte ich ausnahmsweise einen Hausbesuch machen.“
Nun gibt es für mich kein Zurück mehr. Ich möchte der Sache auf den Grund gehen. Ich bestelle sie für 20.00 Uhr am nächsten Tag.
Sie übertrifft all meine Erwartungen. Wir brauchen uns gar nicht zu unterhalten. Die Beratung schenken wir uns auch. Sie schreitet ohne Umschweife zur Therapie. Nach einer Stunde – sie schenkt mir keine Minute mehr, lässt sie sich ihr Honorar auszahlen und verlässt ohne jede weitere Erklärung das Haus.
Ich fühle mich wunderbar verjüngt: vital und innerlich verschönt und sehe mein vorher düsteres Leben in neuen lichten Farben.
Zwei Tage später erhalte ich einen Anruf. Eine sanfte weibliche Stimme fragt: „Verein für Vitalität und Schönheit des Lebens. Unseren Unterlagen entnehme ich, dass Sie kürzlich unsere Dienste in Anspruch genommen haben. Im Rahmen unserer Kundennachbetreuung möchte ich gerne nachfragen, ob Sie mit unseren Leistungen zufrieden waren.“
„Uneingeschränkt. Ich bin ein anderer Mensch. Nur eine kleine Bitte.
Könnten Sie mich mit der Dame verbinden, die …?“
„Ausgeschlossen. Aber auch unnötig. Denn wie ich höre, sind Sie bereits geheilt. Bei anderen dauert die Therapie in der Regel viel länger. Wir werden übrigens Ihre nächste Telefonabrechnung automatisch mit den Gebühren für die beiden telefonischen Beratungen belasten.“
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.03.2011.
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