Falk Peter Scholz

Die Tage der Madame Caniche

Die Tage der Madame Caniche

 

 

    Die Tauben stürzten wie kleine silberne Düsenjets herab, an diesem Tag im Bois de Bologne. Dann setzten sie zur Landung auf diesem ungewöhnlichen Baumstamm an, der keiner war.
Erst jetzt erkannte ich, dass es sich gar nicht um einen Baumstamm, sondern um eine Person handelte.    Diese Person erschien mir wie einer anderen Epoche entsprungen!  Ihr äußeres wirkte auf den ersten Blick erschreckend, ihre Kleidung wüst und verbraucht.  Sie trug einen langen grauen Mantel, der völlig von den Hinterlassenschaften ihrer Kinder,( so nannte sie ihre Tauben) bedeckt war.   Die Person die sich beim näheren Hinschauen als eine ältere Dame entpuppte, griff in eine kleine Papiertüte, entnahm dieser etwas, und warf eine handvoll davon hoch hinauf in Richtung des strahlend blauen Himmels.   Die Silberflügel erhoben sich, und fingen das Futter noch in der Luft.

Sieht es nicht so aus als würden sie tanzen“, sprach die Alte mich an.   Sie hatte mich offenbar bemerkt, und wohl auch meine erstaunte Geste wahrgenommen. Jetzt lächelte sie leicht.

  Die Freizeit die mir während meines Studiums blieb, verbrachte ich sehr oft hier. Ich verbrachte sie genau hier an diesem Platz, doch die merkwürdige ältere Dame war mir noch nie aufgefallen. Es war fast so als wäre sie aus dem Nichts erschienen. Aus dem Nirgendwo!


     Auf eine seltsame Art faszinierte mich diese Dame, und so besuchte ich auch weiterhin den Park, jeden Tag um die selbe Zeit.   Dieses Szenario wiederholte sich alltäglich, und man fragte sich ob diese Dame die man hätte leicht für eine Vogelscheuche halten können, schon seit Anbeginn der Zeit hier verweilte.     Ab und an sprach ich sie nun auch an, fragte aber nie nach ihrem Namen oder den näheren Umständen ihres Aufenthaltes im Park.
   Eines Tages als ich wieder im Bois de Bologne verweilte, die Dame wieder wie aus dem Nichts erschien, (es wirkte als wäre sie mit dem kleinen Wald verwachsen) an diesem Tag trat eine Frau japanischen Aussehens an die Mutter der Tauben heran. Beide unterhielten sich angeregt, und die Japanerin machte zum Schluss auch noch ein Foto von ihr. „Haben sie gewusst wer das ist“, sprach die kleine Frau mit den schmalen Augen mich an. Ich verneinte ohne wirklich zu wissen wie mir gerade geschah. „Das ist Rosalie Caniche!   Ein wundervoller Mensch.
 Sie war einst ein gefeierter Star und wahrlich berühmt.    Auf jeder französischen Bühne war sie als Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin bekannt und geliebt. Ein echtes Idol für jung und alt.“

    Ich konnte nicht so ganz nachvollziehen was mir da erzählt wurde, doch ich war echt erstaunt über die Art und Weise wie sie es erzählte, und so fragte ich mich ob und wie ich die Taubenmutter wohl unterschätzt hatte.

 Wer war sie?    Rosalie Caniche, nie gehört.  Und genau aus diesem Grund nahm ich mir vor ihre Geschichte genau zu studieren.   Schon am darauf folgenden Tag besuchte ich Bibliotheken und Internetcafés.  Ich las ebenfalls alte Zeitungsberichte, und laut denen war Rosalie Caniche ein Star vergangener Tage.   Es war genau so wie die Japanerin mir berichtet hatte. Rosalie Caniche war ein Gott, als Talent verschrien, und ein jeder Mann in Paris liebte sie.   Jeder verehrte sie.
  Ich fragte mich wie ein solcher einstiger Star nur so enden konnte, von der Welt verlassen, mit nichts als ein paar Tauben als letzte Freunde. Je mehr ich über Rosalie in Erfahrung brachte, desto mehr wunderte mich ihr Lebenswandel. Sie musste doch einst im Geld geschwommen sein.    Sie bekam Preise über Preise, Auszeichnungen aller Art, und sogar die Ehrenbürgerschaft verliehen.   Diese Umstände musste ich unbedingt in Erfahrung bringen. Es zerriss mich förmlich. Von diesem Wissensdurst geleitet, besuchte ich am folgenden Tag den Bois de Bologne und traute meinen Augen nicht.  Eine riesige Menschentraube hatte sich um den Star von einst versammelt.  Es waren Leute die wie wild fotografierten,wieder andere ließen sich Autogramme auf alte Filmplakate geben, und wieder andere umarmten die Dame die mich so sehr faszinierte.     Erst nach einer gefühlten Ewigkeit wie es mir erschien, hatte sich die Traube aufgelöst, und ich konnte sie wieder erkennen.   Sie strahlte und schien diese unerwartete Aufmerksamkeit richtig genossen zu haben.   Wir unterhielten uns lange, und dann erzählte ich ihr dass ich einen Artikel über sie schreiben wolle. Über ihr Leben, vor und nach dem Ruhm der so schnell verblasste. Rosalie Caniche hatte keinerlei Einwände, und so so erzählte sie mir während sie ihre Kinder fütterte die Geschichte ihres Lebens.   Vom schnell schwindenden Ruhm, falschen Freunden, und dem Leben eines Stars.   Weiterhin berichtete sie mir von ihrer früheren Liebe Albert, mit dem sie sich eine kleine Dachgeschosswohnung am Montmartre kaufte, und dass dies das einzige war was ihr geblieben sei. Sie sprach von all den Verlusten, Enttäuschungen und ihrem unrühmlichen Abgang Ende der sechziger Jahre.   Erst jetzt erfahre ich, dass sie damals ganz plötzlich als vermisst gemeldet war.  Sie verschwand ganz einfach über Nacht.
  Bis zum heutigen Tage hatte sie keiner wiedergesehen. Bei ihrem jetzigen Aussehen wäre es wahrscheinlich auch gar nicht möglich gewesen, doch fragte ich mich auch; woran die Japanerin sie wohl erkannt hatte. Im Internet gab es alte Fotos von ihr, und sie war wirklich mal eine echte Schönheit. Tags darauf erschienen sogar Leute von der Zeitung, und wieder einen Tag später ein hiesiges Kamerateam. Wann immer ich sah wie sie umlagert wurde, und sich vorbeigehende Touristen fragten, was wohl dieser Auflauf zu bedeuten habe, bemerkte ich auch wie ihre anfängliche Euphorie wich. Ja ich möchte sogar behaupten es war ihr sichtlich unangenehm. Ich habe Madame Caniche danach nur noch ein einziges mal gesehen. Wieder unterhielten wir uns angeregt und ausführlich, und wieder erkannte ich dieses Glitzern in ihren Augen. Genau wie damals als ich sie zum ersten mal sah. Rosalie erzählte mir, sie hätte es lieber gehabt dass sie von niemanden erkannt worden wäre und die Zeit als man sie noch mied, verabscheute und vergaß, wäre wohl die schönste in ihrem Leben gewesen.

   Danach war sie wieder im Nirgendwo.   Genauso plötzlich wie sie erschienen war, war sie nun wieder verschwunden.
Meinen Artikel habe ich dennoch beenden können, und tief im Inneren wusste ich es. In dieser kurzen Zeit war sie wieder ein Star.
 Denn es war ihre Zeit.

 Es waren die Tage der Madame Caniche!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.03.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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