Nicolai Rosemann

Paladin

Ranziges Fett. Verwesungsgeruch. Fäkalgestank.
Der Geruch der dunklen Truppen. In der vordersten Front wechselten die Phalaxen aus Orks und niederen Halbwesen ununterbrochen die Formation. Tausende dieser Monster drängten auf den Fluss zu. Hunderte werden ertrinken, von den nachfolgenden Truppen in den Fluss gedrängt. Aber selbst danach werden noch genug die andere Seite erreichen.
Die Wargreiter hatten den Fluss bereits überwunden und ritten jetzt lanzenschwingend auf die Phalanxen der Paladine zu.
„Wir brauchen kein Schwert! Unsere Reinheit ist unsere Waffe! Unsere Reinheit ist unser Schild! Und Reinheit ist unsere Kraft!“ riefen die Paladine freudig den dunklen Wesen entgegen.
Bogenschütze feuerten schließlich geweihte Pfeile auf den Feind ab. Wargs wurden zu Fall gebracht und Gliedmaßen abgetrennt. Nicht ein Orks oder Warg erreicht die Reihen der heiligen Krieger. Sie alle vergingen in der heiligen Flamme oder fanden einen anderen schmerzvollen Tod.
„Armbrustschützen vor!“ befahl der Offizier, der als einziger einen roten Federbusch auf dem Helm trug. Die Reihen teilten sich einen Moment und die leicht gepanzerten Schützen traten nach vorne. Die erste Reihe ging in die Hocke, die andere blieb stehend.
Die ersten Orks und Halbwesen hatten jetzt das Flussufer passiert. Einige hundert waren bereits ertrunken. Brüllend wälzten sie jetzt auf die Paladine zu.
„Für die Freiheit!“ gab der Offizier den Befehl und auf einen Schlag schlug die Welle aus Bolzen zu. Die ersten Reihen der Orks wurden zurück in den Fluss gefegt. Die zweite Salve befreite einen Moment lang sogar die Furten vor der Wand aus Körpern.
Aber sofort drängten andere Kreaturen nach.
„Pfeilhagel! Kanonen!“ befahl der Offizier wieder kühl und erneut verdunkelte sich der Himmel. Jetzt eröffneten auch die Befestigungsanlagen, einige hundert Meter hinter der Phalanx der Paladine, das Feuer mit ihren Kanonen. Gischt, Körper und Blut spritzten hoch. Schmerzensschreie übertönten den Lärm der Geschütze. Danach war die Vorhut der dunklen Armee verschwunden.
„Das Schwert ist die Verlängerung unseres Armes. Und unser Arm ist lang!“
Wie einen Kanonenschlag wurden tausende Schwerter gezogen. Diverse Segenssprüche ertönten. Dann marschierten die Paladine los. Der Boden erbebte unter zehntausenden Stiefeln.
„Treibt das Böse aus ihren Körper! Schneidet die Dunkelheit aus ihren Herzen!“
Die letzten, vereinzelten Feindkräfte, versuchten erst gar nicht Widerstand zu leisten. Selbst die Schamanen und Elitekrieger der Orks, sonst gefürchtete Gegner, ergriffen feige die Flucht. Aber sie kamen nicht weit.
Das Herz der dunkeln Armee, Dämonenkrieger in schwarzen Rüstungen aus Drachenpanzer und langen Äxten aus blauem Stahl, der dämonisch glühte, marschierten auf. Sie überrannten die sich zurückziehenden Orks und trafen auf die vorrückenden Paladine.
„Bleibt standhaft! Glaubt!“ schrie der Offizier und tötete den ersten Dämonen mit einem starken Streich, der den Panzer spaltete und den Schädel der Kreatur abtrennte.
Ein Axthieb trennte den Federbusch vom Helm, verletzte aber keinen der Paladine. Die Äxte trafen zwar auf Panzer und Knochen, waren aber noch nicht im Stande Schaden anzurichten. Im Gegensatz dazu metzelten die Paladine sich durch die Reihen der Dämonenkrieger. Aber kein Laut des Schmerzens, der Verzweiflung oder der Resignation ertönte. Vielmehr stachelten die großen Verluste die anderen Dämonen zu noch verbissener Verteidigung an.
„Treibt Sie in den Fluss!“
Von der rechten Flanke strömten jetzt auch noch leicht gepanzerte Milizsoldaten in die Schlacht. Sie waren zwar nicht mehr als Bauern in Rüstung, aber auch sie bahnten sich ihren Weg. Bis der erste Feuerball kam.
 
Einige hundert Meter hinter dem Fluss erhob sich die Hügelkette, aus deren Schlund die dunklen Truppen zuerst geströmt waren.
Dort waren auch die Versprengten, dunkle Magier, die den rechten Weg aus den Augen verloren hatten und sich den schwarzen Künsten widmeten.
Ihr Feuer war selbst dazu im Stande die geweihten Rüstungen der Paladine zu schmelzen. Viele verbrannten einfach zu Staub und der schützende Film aus Magie brach schließlich. Nun rissen auch die Äxte der Dämonen tiefe Wunden. Die Phalanx schwankte und immer mehr Soldaten fielen.
Die rechte Flanke löste sich schließlich total im Durcheinander auf. Verwundete und Tote begannen sich zu stapeln. Die Verwundeten riefen um Hilfe, und als die Elitemörder der dunklen Armee begannen die Reihen zu durchforsten, um Gnade. Aber die langen, dünnen Dolche bohrten sich erbarmungslos in Herzen und Köpfe.
„Sammeln!“ schrie der Offizier verzweifelt. Zwei tiefe Schnitte führten über die Brustpanzerung. Der Krieger hinkte.
Zu allem Überfluss erbebte nun der Boden erneut. Pechschwarze und nebelgraue, schwer gepanzerte Pferde mit Rittern stürmten durch die Reihen der Dämonen und bahnten sich einen blutigen Weg durch die Paladine.
Vereinzelt versuchen sich Bodenschützen mit Salven zu wehren, aber sie wurden einfach über den Haufen geritten. Die ersten Reiter erreichten schließlich die Tore. Sofort fielen die Fallgitter.
Die Paladine waren ausgesperrt.
 
Die letzten hundert Paladine sammelten sich um ihren Offizier und bildeten so einen Schutzkreis.
„Die Flamme wird erst vergehen, wenn der letzte von uns tot hernieder liegt!“ stachelte der verletzte Krieger die Soldaten an. Und wirklich schafften sie es wieder einen effektiven Widerstand zu bilden.
Aber die Druiden schossen auch nicht mehr mit Feuer. So waren ihre Chancen größer.
Mehrere Höllenreiter waren bereits bei dem Versuch gefallen, den Kreis zu durchbrechen. Auch das hob die Moral und den Kampfwillen.
Aber plötzlich brach ein Ritter zusammen und sofort drängte ein Reiter sein Pferd in die Lücke. Mehrere Paladine brachten das Pferd sofort zu Fall, aber der Reiter wurde aus dem Sattel katapultiert und landete vor den Beinen des Offiziers.
Sofort sprang er wieder auf und rammte sein Schwert in den Rücken eines Paladins. „Eure Flamme erlischt!“ zischte er.
„Dann sterben wir mit erhobenem Haupt. Und nehmen einige von euch mit!“ fauchte der Offizier und rammte den dämonischen Reiter das Schwert bis zum Anschlag in die Brust. Der Reiter brach in die Knie, keuchte vor Schmerz und riss sich los. Blut spritzte auf die Krieger und befleckte ihre leuchteten Rüstungen. Der Reiter drehte sich dann um und schlug mit der Handkante auf den Offizier ein. Der Ritter taumelte und fiel.
Dann enthauptete ein tapferer Ritter den Dämon. „Bringt unseren Offizier weg!“ befahl er. Dann warf er sich in den Kampf. Drei Milizen führten diesen Befehl nur allzu gerne aus.
 
Am Abend war der Raum vor der Grenze mit Leichen übersäht. Unzählige tapfere Paladine waren gefallen, hatten aber mit ihrem Leben lange genug die Stellung gehalten bis Nachschub eingetroffen war. Mittlerweile standen alle zwei Meter Kanonen auf den Mauern und tausende Bogenschützen scharten sich hinter der Mauer. Ein Graben war ausgehoben worden. Der Graben war gefüllt mit Pech um, sollte die Grenzmauer fallen, eine Feuerwand zu errichten.
Das Lazarett war überfüllt. Viele tapfere Krieger würden die Nacht nicht überleben. Noch mehr waren gefallen, aber die Moral unerschüttert.
Die großen Verluste nagten zwar bereits an Kampfwille und Moral, aber die Offiziere und der neu eingetroffene General schafften es noch Aufstände und Fahnenflucht zu verhindern.
 
Der Offizier des Tages war aber jener, der die Paladine bis zu der Attacke des Reiters mit hoch erhobenem Haupt gegen die dunklen Truppen geführt hatten.
Der Schlag des Reiters hatte aber den Helm so sehr verbeult, das bis jetzt niemand im Stande gewesen war den armen Krieger von dieser Last zu befreien. Aber die Schmiede musste den Ärzten in den Lazaretten helfen, Rüstungen öffnen und immer wieder Tote zu den Scheiterhaufen tragen. Die Scheiterhaufen würden vermutlich die ganze Nacht über lodern.
Der General, der eingetroffen war, wurde De Witt genannt. Er hatte mehrere Schlachten gegen die dunklen Truppen bereits gewonnen, aber der jetzige Vorstoß hatte selbst ihn überrascht. Mitten im Reich waren sie aufgetaucht, aus dem Nichts.
Brandschatzend hatten sie sich einen Weg hier her gebahnt. Die Stimmung war gespannt. Denn wenn die Grenze hier durchbrochen werden würde, würden sich zwei Armeen hier vereinigen. Die dunklen Truppen hier, und die tausend und abertausend Monster, die sich laut den Spähern auf die Grenze zu bewegen würden. In vier Tagen würden sie hier sein.
 
„Frauen gehören nicht an die Front.“
„Ohne sie wären wir bereits überrannt worden. Die dunklen Flammen müssen vernichtet werden!“
„Das werden sie. Aber nicht von der!“
Langsam kehrten die Sinne des Offiziers zurück. Dann knackte auch schon der Helm und helles Licht blendete sie.
Langes, blondes Haar breitete sich über ihre Schultern aus. Sie blinzelte.
„Berichten Sie!“ befahl ein Krieger in goldener Rüstung.
„Wer sind Sie?“ fragte der Offizier trotzig.
„Maya. Das ist General De Witt. Er wurde auf Befehl des Königs hier her verlegt um unsere Angriffe zu koordinieren.“
„Was auch dringend von Nöten ist. Ihr habt euch von einem einfachen Reiter schlagen lassen!“ fügte De Witt hinzu.
„Das war ein Unfall.“
„Eine Niederlage für uns. Es nagt an der Moral der Männer“, konterte De Witt.
„Dann lasst mich zu ihnen sprechen“, Maya wollte aufstehen, aber der Arzt riss sie zurück. „Das vergessen wir mal besser, Maya“, flüsterte ihr Adjutant. „Du bist ganz schön zugerichtet worden.“
„Und morgen?“
„Das werden wir dann entscheiden.“
 
In der Nacht lag Maya hellwach auf der Pritsche. Niemand war in der Nähe. Absolut niemand. Deshalb war das Reißen der Zellwand auch so gut zu hören. Maya spannte ihre Muskeln. Eine schwarze Gestalt schlich sich an ihre Pritsche heran. Angewidert verzog Maya das Gesicht. Der nächtliche Besucher stank. Ein Wunder, das er unbemerkt bis hier her vorgedrungen war.
„Ich sehe, du bist wach, Hexe. Umso besser. Dann siehst du, wer den Rächer ist“, kicherte die Gestalt. Ein Kristall leuchtete auf und blendete Maya. Dahinter versteckte sich das graue Gesicht eines Albae. Die schwarzen Augen glitzerten wie Diamanten in der Nacht. Blendend weiße Zähne, zu mörderischen Fängen zugefeilt, gaben dem Krieger ein schauderhaftes Aussehen.
„Dein Tod heißt Moertes“, kicherte er Albae und zog seinen langen, dünnen Dolch. Er setzte auf das Herz von Maya an und sah ihr tief in die Augen.
„Schade, dass du keine Albae-Frau bist. Ich wäre noch frei“, zischte er.
„Sei nicht überrascht“, antwortete Maya. Ihre grünen Augen füllten sich mit schwarz und ihre Haare verloren einen Teil des Glanzes. Überrascht setzte Moertes ab.
„Du bist eine Albae?“ fragte er überrascht.
„Ja, und? Wem willst du das erzählen?“ fragte Maya amüsiert. Moertes wich verwirrt zurück. Dann steckte er den Dolch weg. „Flieh mit mir. Morgen wird diese lächerliche Anlage überrannt werden. Du weißt ja, die Pfeile unseres Volkes verfehlen ihr Ziel selten.“
„Ich habe einst jemandem Loyalität geschworen“, antwortete Maya und stand auf. Sie war etwa gleich groß wie der Albae. Langsam, in eleganten Schritten, ging sie auf ihn zu. Sie ergriff ihn an der Schulter und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Aber es waren nicht die dunklen Geschwister!“
Dann zog sie den Dolch aus Moertes Gürtel und stieß ihn in sein Herz. Ohne einen Laut starb Moertes. Langsam ließ Maya ihn zu Boden gleiten und wischte den Dolch ab. Dann zerrte sie die Leiche vor das Zelt. Schnell sprach sie ein Totengebet der Albae, worauf sie sich wieder auf ihre Pritsche legte. Schnell schlief sie ein.
Ihr Geheimnis war gewahrt.
 
Vier Tage später kam es zu der größten Schlacht überhaupt. Die Grenzwälle wurden zerstört, aber kein Soldat der dunklen Truppen überlebte. Kein einziges dunkles Wesen überlebte den darauf folgenden Kreuzzug in ihre Heimatreiche.
Bis auf einen Albae. Einen Albae in der Rüstung eines heiligen Paladins.

Die Geschichte habe ich in einem Workshop geschrieben. Ein paar Dinge würde ich heute bestimmt anders schreiben, doch insgesamt ist das Bild, das sie vermittelt stimmig. Wobei das Ende abgehakt scheint, weil der Workshop eben nur ein Wochenende gedauert hatNicolai Rosemann, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.03.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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