„E 10, voll bitte“, sagte der Kunde an der Tanksäule zum Tankwart.
„Geht mich nichts an, aber ich frage trotzdem: Sind Sie sicher, dass Ihr Motor den neuen Kraftstoff auch verträgt?“
„Das ist mir herzlich egal. Ich verlasse mich ganz auf die Aussagen meines Dienstherrn. Der ist Umweltminister und hat sich für E 10 stark gemacht.“
„Wenn Sie meinen. Aber welcher Mensch bei klarem Verstand vertraut schon den Aussagen eines Ministers.“
„Ich schon. Sonst würde ich nicht für ihn arbeiten. Und ich hätte auch nicht seine Partei gewählt. Ich halte auch weiterhin zu Karl Theodor. Adel verpflichtet.“
„Wozu?“
„Zu Treue und Loyalität. Auf irgendwelche Werte muss man sich doch noch verlassen können.“
„Und was hat das mit dem E 10 zu tun?“
„Ich bin der Fahrer.“
„Von wem?“
„Unseres Umweltministers.“
„Und der hat ihnen gesagt: Tanken Sie E 10 …“
„Nein, er hat gesagt, tanken Sie Super. Aber wenn schon der eigene Fahrer nicht mehr an die Versprechen seines Ministers glaubt …“
„Und was hat er versprochen?“
„Dass E 10 der Kraftstoff der Zukunft sei und bestens verträglich für die Motoren aller Autotypen.“
„Taschner, was rumpelt der Motor heute so?“, fragte der Minister den Fahrer seines Dienstwagens. „Haben Sie Zucker in den Tank getan?“
„Zucker nicht, aber E 10. Ich dachte mir, wir müssen doch mit gutem Beispiel vorangehen …“
In diesem Augenblick begann der Motor erst zu stottern, dann zu stinken, dann zu qualmen. Der Wagen blieb stehen und bewegte sich keinen Meter mehr.
„Schnell raus hier“, rief der Minister, „oder wollen Sie , dass wir verbrennen? Bei dem Ministerschwund in der Koalition. Das können wir der Angie jetzt nicht antun. Rufen Sie die Feuerwehr oder die Polizei oder den Abschleppdienst, oder meinetwegen alle drei. Stehen Sie nicht rum. Tun Sie endlich etwas. Und rufen Sie mir eine Taxe. Ich komme noch zu spät zum Benzingipfel. Wenn Sie gefragt werden: Kein Wort davon, dass Sie E 10 getankt haben, sonst kann ich gleich einpacken. Wenn Journalisten Sie fragen sollten, was Ihr Minister tankt, sagen Sie: „Wir würden natürlich E 10 tanken, um die hervorragende Eignung des neuen Kraftstoffes öffentlich unter Beweis zu stellen, aber das lassen die veralteten Vorschriften zum Betanken von Dienstfahrzeugen leider noch nicht zu. Auch das wird auf dem Gipfel zur Sprache kommen. Und das nächste Mal halten Sie sich gefälligst an das, was ich Ihnen sage, haben Sie verstanden?“
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.03.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).
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