Lisa Moser

6590X


„Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“ Mit einem Nicken nahm ich ein Glas Orangensaft entgegen. Ich wollte schon daran nippen, als mir plötzlich dieser komische Geruch auffiel. „Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“, fragte mich die Stewardess mit aufgesetztem Lächeln. „Ich glaube, da stimmt etwas mit dem Getränk nicht. Vielleicht ist es abgelaufen.“ Ein glockenhelles Lachen schreckte mich auf. „Das ist nicht möglich, Miss. Ich habe die Orangen sogar selbst gepresst!“ Ich sah sie verwirrt an und sagte: „Vielleicht waren die Orangen ja nicht in Ordnung -“, „Es gibt keine Probleme mit diesem Getränk, Miss. Trinken Sie!“, sagte sie scharf. „Ich muss nichts trinken, was ich nicht will!“, „Trinken Sie.“, „Aber -“, „Wenn sie nicht sofort trinken, dann-“, „Gibt es hier irgendein Problem, Sharon?“, fragte eine andere Stewardess´. Ich starrte Sharon entsetzt an. Als sie mir drohen wollte, wurden ihre Augen rot und ihre Stimme hatte einen tiefen Klang bekommen.
Plötzlich wurde das Wort an mich gerichtet: „Entschuldigen Sie bitte diese Unannehmlichkeiten. Sharon wird Ihnen sofort ein neues Glas einschenken. Ah, da ist es schon. Ich glaube, alles war nur ein Missverständnis. Ist nun alles zu ihrer Zufriedenheit?“ Nachdem ich den Orangensaft getrunken hatte, nickte ich. „Dann ist ja alles wieder gut!“
Die zwei Stewardessen verschwanden, plötzlich drehte sich alles und ich wurde schläfrig. Auf einmal wurden meine Augen schärfer und ich konnte viel besser hören als zuvor!
„Was sollte das?!“, fragte jemand und ich war mir ziemlich sicher, dass es die Stimme von der zweiten Stewardess war. „Wie viel hast du in diesen Trunk gemischt?“, „Genauso viel wie bei den anderen, naja vielleicht ein bisschen mehr.“, „Ein bisschen mehr?! Wir sind dazu auserkoren worden, diese Aufgabe präzise auszuführen und wir dürfen uns keine Fehler erlauben. Keinen einzigen!“,
„Aber-“, „Kein aber! Und jetzt …“ Den Rest der Worte konnte ich nicht mehr verstehen, ich schlief ein.
 
Ich öffnete meine Augen und fand mich auf einer Pritsche wieder. Ich war noch ganz benommen, trotzdem versuchte ich aufzustehen. Als ich an mir heruntersah, bemerkte ich, dass ich ganz in grau gekleidet war. Verwirrt und überrascht schaute ich mich um. Ich befand mich in einer Art Lagerhalle, überall Pritschen und in einer Ecke entdeckte ich einen Kübel und einen Haufen Stroh.
Ich ging hinüber um es mir genauer anzusehen. Ekelnd drehte ich mich weg. Es stellte sich als eine Art Plumpsklo mit einem Wascheimer heraus. Widerlich!
Unerwartet ging die riesige Metalltür auf und etwas kroch auf mich zu. Ich konnte es nicht erkennen, violettes Licht blendete mich. Ich erahnte nur einen Schatten, der immer näher kam. Plötzlich bekam ich es mit der Angst zu tun. Ich konnte mich nicht bewegen, ich war wie gelähmt.
„Du bist wach?“, sagte eine Stimme. Sofort verschwand die schattenähnliche Kreatur in eine Ecke und ich war wieder allein. Nun ja, fast. „Sag, bist du etwa angewachsen? Und warum siehst du mich so verschreckt an? Ach egal. Wie ist dein Name?“ Ich konnte erkennen, dass die Stimme einer Frau gehörte und ich konnte mich auch wieder bewegen. Ich antwortete ohne zu überlegen: „Mary. Und wer sind Sie?“, „Fragen werden hauptsächlich nur vom Vorgesetzten gestellt und in diesem Fall bin es ich. Dies ist die erste Regel für Sie, Mary. Haben Sie verstanden?“ Ich nickte. „Ich fragte, ob Sie das verstanden haben. Ich verlange somit eine verbale Antwort, wenn Sie verstehen, was ich meine. Zweite Regel, Sie antworten immer mit ja oder nein.“, „Ja. Wie-“, „Sagen Sie, verstehen Sie mich nicht, Mary? Denken Sie an die Regeln! Eigentlich sollte ich Sie auspeitschen lassen und Ihnen das Futter verbieten, aber da Sie erst seit kurzem hier sind, werde ich noch ein Auge zudrücken.“ Futter, Regeln, wo bin ich hier? Die Frau trat nun auf mich zu, doch sie war alles andere als eine Frau.
Sie hatte eine Reptilien artige Haut, kohlschwarze Augen sowie schwarze Lippen und zwei Schlitze als Nase. Ihre Haare waren lang und sahen aus wie Lianen. Wenn man genau hinsah, konnte man vereinzelt exotische rote Blumen entdecken, die dort wuchsen. Sie war noch dazu ganz in schwarz gekleidet. „Übrigens, ab jetzt ist dein Name nicht mehr Mary, sondern 6590X. Komm, du hast lange genug nichts tuend herumgelungert. Jetzt geht’s an die Arbeit.“
Ich wollte eine Frage stellen, doch mir fiel schnell wieder eine der Regeln ein und so verwarf ich diese schnell. Natürlich folgte ich ihr sofort, ich hatte furchtbare Angst vor ihr.   
Draußen angekommen, musste ich mir die Hände vor die Augen halten, so hell war das Licht – es war wirklich violett! „Das hätte ich jetzt fast vergessen. Setzen Sie diese Schutzbrille auf, 6590X. Für eure Tieraugen sind die Strahlen zu stark. Es könnte leicht sein, dass Ihre Augen schrumpelig wie ein Tsarzarénhintern werden.“ Sie lachte grimmig. Ich wusste nicht, wie ein Tsarzarén aussah, geschweige denn was es war und ich war mir sicher, ich wollte es nicht wissen, doch ich setzte sofort diese verdammte Brille auf.
„Ich bringe dich zu 1526P, ein Artgenosse von dir. Er wird dich in deine Arbeit einführen. Mach keinen Ärger. Hast du verstanden?“, „Ja.“, sagte ich leise. „LAUT! Piepse nicht herum wie eine Maugelie!!!!“, „JA.“, schrie ich diesmal. „Nicht so laut. Aber was erwartet man von einer Kreatur wie dir. Los jetzt, oder es gibt hiebe!“
Ich wusste ja nicht einmal wohin, also rannte ich einfach geradeaus. „IN DIE ANDERE RICHTUNG!“, schrie sie mir nach. Sofort drehte ich um, ich wollte schließlich keinen Ärger bekommen.
Plötzlich stieß ich gegen jemanden. „Bist du 6590X?“, fragte mich dieser jemand verdutzt.
„Ja.“, „Ich bin 1526P. Komm mit.“ Schweigend folgte ich ihm. Er trug die gleiche graue Kleidung wie ich und war bis auf die Knochen abgemagert. Er führte mich zu einem Zaun und drückte mir Werkzeug in die Hände. „Unsere Aufgabe ist es diesen Zaun aufrecht zu erhalten. Du denkst wohl, dein Vorgesetzter wäre furchteinflößend, aber da hast du dich bitter getäuscht. Es gibt noch viel schlimmere Kreaturen! Sie leben dort draußen im Dschungel und sie lieben die Dunkelheit, deshalb ist es am Tag nicht so gefährlich zu arbeiten, als in der Nacht. Also mach gefälligst alles richtig, und verscherze dich mit niemanden der Vorgesetzten, wenn du nicht Nachtschichten übernehmen willst. Ich sagte, am Tag sei es nicht so gefährlich, trotzdem gibt es auch Wesen die am Tag angreifen, also sei ja auf der Hut! Übrigens weißt du deinen Namen noch?“, „Welchen?“, „Deinen Wahren.“, „Mary.“ Einen Moment blitzten seine Augen vor Freude auf. „Das ist gut! Ich meine, dass du ihn noch weißt. Dein Name ist sehr wichtig. Also vergiss ihn nicht! Hast du das verstanden? Sag nichts. Nicke.“ Ich tat was er sagte. „Ich erkläre es dir später, warum es so wichtig ist. Lass uns jetzt arbeiten. Ich zeige dir nur einmal, wie man dieses Werkzeug bedient, also schau gut zu.“
 
Ich war völlig erschöpft und erleichtert zu gleich, als wir wieder in die Lagerhalle zurückdurften.
Zu essen bekam ich eine Schüssel mit einem grün-gelblichen Brei – Schleim trifft es eher – und ich ging zu 1526P. Um ihn herum saßen noch andere, die gespannt seinen Worten lauschten.
„Sie weiß noch ihren Namen. Es ist perfekt! Sie müssen ihr wohl eine falsche Dosis verabreicht haben-. Da bist du ja. Wir haben gerade von dir gesprochen. Setz dich zu uns. Ich werde dir jetzt etwas erzählen. Schwörst du mit deinem Leben, dass du es niemanden erzählst, vor allem nicht den Upikas?“, „Den was?“, „Upikas? So nennen sich die Vorgesetzten. Also, schwörst du?“, „Ja, ich schwöre.“, als Zeichen meines Schwurs hob ich die Hand aufs Herz.
„Mein Freund 6733Ö hat sich bei den Upikas weit nach oben gearbeitet. Er sortiert in der Bibliothek Bücher und vor ein paar Jahren stieß er zufällig auf dieses.“ Sofort holte er ein dickes Band hervor und schlug es auf. „Hier steht etwas von einem Tempel, in welchem sich ein Portal befindet, dass einen in seine Welt zurückbefördert. Doch dieses öffnet sich nur, wenn eine Person der Reisenden, in unseren Fall, der Flüchtenden, seinen Namen nennt. Und nun kommst du ins Spiel. Hättest du deinen Namen nicht gewusst, hätte ich dir dies alles nie erzählt. Wir warteten Jahre darauf, dass den Upikas ein Fehler passiert, und wir hatten schon aufgehört zu hoffen. Doch jetzt bist du da! Du bist jetzt unsere einzige  Hoffnung. Es gibt nur ein paar Probleme. Wenn wir uns zum Tempel aufmachen wollen, müssen wir bei Nacht flüchten, wo es niemand bemerkt. Und der Tempel befindet sich im Dschungel. Es könnte, nein es gibt wahrscheinlich Tote. Ich frage dich trotzdem, bist du dabei?“
Abwartend sahen mich er und die anderen an. Ich überlegte lange.
Ich hatte meinen Beschluss gefasst. Ich wollte nicht länger hierbleiben, als ich musste: „Ich komme mit. Aber kann mir irgendjemand erklären warum und wie ich in diese komische Welt gekommen bin! Und was verdammt noch mal sind  Tsarzarén oder Maugelien?!?“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 09.03.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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