Christina Dittwald

Meine Kleider-meine Seele , ein Interview





Interview mit Herlinde, Jahrgang 1930



Hatte der Kleiderschrank Ihrer Mutter für Sie eine besondere Bedeutung ?
 
Weniger der meiner Mutter als der meiner Großmutter.
 
Warum ?
 
Meine Großmutter Frieda war eine sehr schicke Frau.  Sie hatte eine Vorliebe für Kleider, speziell für Hüte und Schuhe.
 
Hatte sie genug Geld um ihr Hobby auszuleben ?
 
Nein, im Prinzip nicht. Geschneidert hat eine Schneiderin, damals hatten viele Leute eine sogenannte Hausschneiderin. Aber die Details der Kleidung, die Perlen- Stickerei, das aufwändige Pailletten-Aufnähen zum Beispiel, das hat alles meine Großmutter gemacht.
Ihre Sachen waren immer ganz besonders.
 
Kommt daher Ihre Liebe, sich gut und schick anzuziehen?
 
Als Kind habe ich es gehasst, mich hübsch und niedlich anzuziehen ! Aber wenn meine Großmutter fort ging, war ich sofort an ihrem Kleiderschrank, um mich „groß“ anzuziehen.
Meine Großmutter war immer darauf bedacht, mich als hübsches kleines Mädchen anzuziehen – ich war das einzige Mädchen in der Familie, die anderen Enkel waren alles Jungs ! Bei denen konnte sie ihren Schönheitssinn nicht ausleben, und so musste ich eben Lackschuhe, durchbrochene weiße Strickstrümpfe und bestickte Taftkleidchen anziehen.
 
Und der Kleiderschrank Ihrer Mutter hatte gar keinen Reiz für Sie ?
 
Nein ! Meine Mutter war eher konservativ gekleidet, und ständig darauf bedacht, was sich schickt. So trug zum Beispiel meine Großmutter ihre Röcke kürzer als meine Mutter. Aber meine Großmutter hat immer darauf geachtet, daß ihre Töcher gut angezogen waren. Sie waren die elegantesten Mädchen in der Tanzstunde.
 
Wann ist Ihre Oma geboren?
1889
 
Wann hatten Sie Interesse am Schrank der Großmutter ?
 
Das muß zwischen 1937 und 1942 gewesen sein.
 
Dann kam ja auch bald der Krieg. Hat Ihre Großmutter sich trotz der schweren Zeiten gut anziehen können ?
 
Ja, besonders wenn sie ausging. Sie war ziemlich füllig, aber sie hatte immer Taille. Sie hatte eine Figur wie ein Stundenglas, und sie trug von frühester Jugend an Korsett - es gab eine Korsettmacherin, die speziell für sie arbeitete. Und ich habe natürlich die Korsetts heimlich angezogen! Ich war versessen auf diese Korsetts – da mir niemand beim Anziehen geholfen hat, habe ich die eben ungeschnürt angezogen. Und als ich 19 war, habe ich mir so ein Korsett machen lassen, bei dieser Korsettmacherin. – Ich würde mir heute sofort wieder eins machen lassen ! Diese Stäbchen und Ösen und Schnürungen, das finde ich faszinierend weiblich.
 
 
Mussten Sie die Sachen heimlich anziehen ?
 
Natürlich, ich wartete damit, bis sie beim Kaffeekränzchen war. Sie hätte es  mir nie erlaubt!
Ich erinnere mich noch sehr genau an ihre tollen Hüte. Besonders an den Hut mit der Möwe – ein schwarzer Hut, mit breiter Krempe, und vorn daruf eine halbe Möwe, mit Flügeln, und der Schnabel ging auf und zu !
Zwei von ihren Hüten habe ich aufbewahrt.
 
Hat Ihre Großmutter auch Kosmetik benutzt, oder war das nicht üblich ?
 
Nun, es hieß ja: eine deutsche Frau schminkt sich nicht. Mein Großvater war eingezogen, und als er einmal aus Frankreich auf Urlaub kam, brachte er einen Kasten mit, relativ umfangreich, so wie ein schön geschwungener Besteckkasten, das war ein Schminkkasten. Da waren Lippenstifte drin, Augenbrauenstifte, Puder, eine Kostbarkeit.
 
Dann wollte der Großvater also, daß sein Frau sich schminkt ?
 
Wahrscheinlich ! Er hat das bei den Französinnen gesehen, die sich immer schminkten.
Also diesen Kasten habe ich dann ausprobiert. Die Augenbrauenstifte sahen anders aus als unsere heutigen, die sahen so aus wie Ölkreidestifte. Bei meinen Schminkversuchen habe ich den Stift entzweigebrochen, und mir dann dicke schwarze Balken gemalt ! Ich hätte großen Ärger gekriegt, aber das Dienstmädchen Hilde hat mich gerettet. Meine Großeltern hatten eine Musikschule mit Internat, und 36 Musiker waren vier Jahre lang da in der Ausbildung, und so brauchten sie natürlich viel Personal, zu diesen gehörte die Hilde. Sie hatte überall Zugang, kümmerte sich auch um die Instandhaltung der Aussteuer meiner Großmutter. Sie kam also in das Schlafzimmer, wo ich am Wirken war und meinte: Um Gottes Willen, wenn das die Chefin sieht ! Ich fragte, ob man den zerbrochenen Stift vielleicht leimen könnte, aber das ging natürlich nicht.
Ich dachte, es käme vielleicht gar nicht raus, weil meine Großmutter sich ja nicht schminkte, aber meine Tante wollte sich mal die Wangen rot machen, und da fiel es auf, allerdings ist nicht herausgekommen, daß ich der Übeltäter war.
Da fällt mir ein, da war auch so ein kleines Lederschiffchen drin, wo man sich die Nägel mit polieren konnte. Und der Kasten war mit Kunstseide ausgeschlagen, mit einer Borte ringsrum, und mit einem Spiegel – ich weiß nicht wo der Kasten hingekommen ist, leider !
 
Hat Ihre Großmutter auch Düfte benutzt ?
 
Da habe ich keine Erinnerung daran, aber die Mutter meines Vaters, die hat von Dr. Dralle Maiglöckchen-Parfum benutzt, die Flasche habe ich noch, ein Fläschchen aus geschliffenem Glas, eingelassen in einem Lindenholz-Behälter. Und es sind sogar noch ein paar Tropfen drin, reiner Maiglöckchenextrakt.
 
 
Können Sie sich daran erinnern, wie der Schrank der Großmutter geduftet hat ?
 
Ja, sie besaß einen Nutriapelz-Umhang, der hat ganz besonders gerochen, und so roch auch der Kleiderschrank. Ich kann den Duft nicht beschreiben, aber wenn ich ihn heute noch mal in die Nase bekäme, dann würde ich mich erinnern. Er roch wie meine Oma. Bei geschlossenen Augen hätte ich gedacht, oh , die Oma ist da.
 
 
Wie war denn Großmutter’s Interesse an Schuhen ?
 
Schuhe, ach ja, Schuhe. Wenn die Oma sagte: Ich brauche mal neue Schuhe, wer geht denn mit? Da verschwand alles, denn sie zum Schuhekauf zu begleiten war sehr anstrengend. Unter 20 Paar machte die das nicht, alles wurde anprobiert, dann stieg sie über die Mengen von Schuhen hinweg und sagte: Vielleicht das nächste Mal, ich finde nicht das Passende!
Ich wurde nie mitgenommen, meine Tante musste oft mit, die hat da wirklich darunter gelitten. Die Pumps meiner Mutter mit den 5 cm hohen Absätzen habe ich gern angezogen und bin damit herumgestakst.
Da fällt mir die Geschichte ein als in dem Ort Frankenberg, wo die Großeltern wohnten, der Stummfilm: Lajana lief,  mit der ersten Nackttänzerin, Pola Negri. Frankenberg war eine Kleinstadt, der Film war eine Sensation, jeder wollte ihn sehen, ich natürlich auch. Der Film war aber erst ab 18, also habe ich gedacht, wenn ich mich verkleide als große Dame, komme ich schon da rein. Also habe ich ein Kleid angezogen aus einem Stoff, der hieß Lavabel, und einen großen Hut mit Schleier, und viel zu große Pumps. Ich war wohl etwas unbedarft. Die Hilde hat mich erwischt, als ich das Haus verlassen wollte! Sie sagte: bist du wahnsinnig, wenn das die Chefin sieht, da kriegst du `ne Wucht! Der Oma rutschte schnell mal die Hand aus, das mußte man sehr flink sein.
 
War die Großmutter Hausfrau?
 
Eigentlich war sie Geschäftsfrau. Sie bekochte die Musiker des Internats, und durch ihre Beziehungen zu den Geschäftsleuten konnte sie oft Dinge bekommen, die sonst nirgends mehr zu bekommen waren, wegen der schlechten Zeiten.
 
Haben Sie allein mit den Kleidern gespielt, oder mit einer Freundin ?
 
Allein. Aber ich hatte einen Onkel, Theo, 9 Jahre älter als ich, der hat hingebungsvoll mit mir und meinen Brüdern gespielt. Er hat mir die Haare vor dem dreiteiligen Spiegel gekämmt und gesagt: Wenn der Krieg aus ist, gehen wir zwei tanzen. 45 ist er dann noch gefallen. Er hatte ein großes Talent, Zarah Leander nachzumachen, und wenn dann bei meiner Großmutter Kaffeekränzchen war, riefen die Damen immer, Theo, bitte, mach die Zarah! Und dann zog er Kleider an und legte eine klasse Vorstellung hin. In einem ausgeschnittenen schwarz-weißen Kleid mit schwarzem Hut sang er: Kann denn Liebe Sünde sein?
 
 
Hat der Stil Ihrer Großmutter Ihr Bewusstsein für Mode gepägt ?
 
Ich wäre gern so schick wie meine Großmutter gewesen, aber ich habe es nie erreicht. Manchen Menschen it das Gefühl für Stil einfach angeboren. Aber mein Interesse an modischen Dingen ist bestimmt von ihr beeinflusst worden.
 
 

Vorheriger TitelNächster Titel
 

Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Christina Dittwald).
Der Beitrag wurde von Christina Dittwald auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.03.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

Die Autorin:

  Christina Dittwald als Lieblingsautorin markieren

Buch von Christina Dittwald:

cover

Die Geschichte von Ella und Paul von Christina Dittwald



Der Schutzengel Paul verliebt sich in Ella, seine junge Schutzbefohlene. Schwierig, schwierig, denn verliebte Schutzengel verlieren ihren Status. Ella hat Schutz bitter nötig... und so müssen die beiden sich etwas einfallen lassen. Eine große Rolle spielt dabei ein Liebesschloss mit den Namen der beiden an einer Brücke über einen großen Fluss. Die reale Welt mischt sich mit Fantasy und Traumsequenzen.

Möchtest Du Dein eigenes Buch hier vorstellen?
Weitere Infos!

Leserkommentare (1)

Alle Kommentare anzeigen

Deine Meinung:

Deine Meinung ist uns und den Autoren wichtig!
Diese sollte jedoch sachlich sein und nicht die Autoren persönlich beleidigen. Wir behalten uns das Recht vor diese Einträge zu löschen!

Dein Kommentar erscheint öffentlich auf der Homepage - Für private Kommentare sende eine Mail an den Autoren!

Navigation

Vorheriger Titel Nächster Titel

Beschwerde an die Redaktion

Autor: Änderungen kannst Du im Mitgliedsbereich vornehmen!

Mehr aus der Kategorie "Zwischenmenschliches" (Kurzgeschichten)

Weitere Beiträge von Christina Dittwald

Hat Dir dieser Beitrag gefallen?
Dann schau Dir doch mal diese Vorschläge an:

Weihnachten 1953 von Christina Dittwald (Weihnachten)
Der kleine Stern und der Löwe von Anschi Wiegand (Zwischenmenschliches)
Die Geschichte einer Träne........ von Andrea Renk (Einfach so zum Lesen und Nachdenken)

Diesen Beitrag empfehlen:

Mit eigenem Mail-Programm empfehlen