Es hatte zwar über Nacht ein wenig geregnet und der
Boden schien etwas dunkler zu sein als noch gestern, aber
der Untergrund sah stabil und belastbar aus, und konnte
ich nicht rechts auf den Feldern frische Traktorspuren
erkennen, die kaum eingesunken wirkten?

Es roch modrig nach Wald und nach kürzlich auf die
Felder gebrachter Gülle, aber bald würden das Gras und
die Blätter wieder wachsen und die Welt in frisches Grün
tauchen. Welch schöner Sommer würde mich erwarten,
körperlich fit und mit der völligen Freiheit, in die weite Welt
zu fahren?

Die Landstraße war schon längst nicht mehr in Sicht
und der Weg wurde immer schmaler und rutschiger.
Der Wald hatte aufgehört und damit auch die den Weg
stabilisierenden Baumwurzeln. Bald begann mein drei
Tonnen schweres Fahrzeug zu schlingern, und in einer
Kurve rutschte das Heck weg und ich saß fest.

Mein Herz klopfte wie wild.

Nur die Ruhe bewahren, befahl ich mir. Ich stieg aus und
besah die Situation. Die Räder steckten zwanzig Zentimeter
tief im Schlamm, aber darunter schien fester Grund zu sein.
Also stieg ich wieder ein und beschloss, mein Fahrzeug
heraus zu schaukeln. Immer abwechselnd Rückwärtsgang,
Gas, zweiter Gang, wieder Gas, und tatsächlich brachte ich
den Wagen aus der alten Spur. Aber wenn ich draußen war,
rutschte er immer wieder in ein Schlammloch, das ich eben
erst selber produziert hatte….

Verzweifelt kratzte ich mich am Kopf und überlegte. Wenn
ich jetzt nur würde einen Bauern anrufen können, der mich
mit seinem Traktor auf sicheren Grund zog. Warum nur
hatte ich mein Handy ausgerechnet jetzt nicht dabei?

Im Radio lief wie immer leise Musik, die ich kaum noch
hören konnte, denn mein aufheulender Motor beim
Schaukeln übertönte jedes Geräusch. Die Kühlwasser-
Temperatur stieg zusehends, und immer, wenn ich es einen
Meter vorwärts oder rückwärts geschafft hatte, landete ich
wieder im Schlamm.

Wenigstens hatte ich meine neuen Winterreifen mit dem
groben Profil drauf. Der Vorderradantrieb belohnte mich
jedes mal beim rückwärts Gas geben mit zwei Fontänen
Schlamm, und bald konnte ich durch die Windschutzscheibe
kaum noch etwas sehen.

Nun hing ich auch noch einseitig tiefer. Als ich versuchte,
auszusteigen, bemerkte ich eben noch rechtzeitig, dass
der Wagen sich extrem nach rechts neigte, wenn ich das
Trittbrett verließ. Also blieb ich drin, und die Tränen der
Verzweiflung schossen mir in die Augen.

Ich starrte vor mich hin und wusste keine Lösung für mein
Problem.

Im Radio spielten sie Geanny von Falko. Ich drehte laut,
und der arme, tote Falko powerte meinen Adrenalinspiegel
hoch. Ich schüttelte wild den Kopf. Es war undenkbar,
mein Wohnmobil auf die Seite kippen zu lassen, wenn ich
ausstieg um Hilfe zu holen. Der Schaden wäre groß und
würde mich viel kosten…

Ich musste eine andere Lösung finden.

Denk noch mal richtig nach, befahl ich mir und atmete tief
durch. Erfreu’ dich am Wetter und am blauen Himmel. Was
soll maximal passieren? Später lachst du darüber...

Fünf, sechs Rehe wechselten meinen Weg, aber die
konnten mir auch nicht helfen.

Mein Gehirn arbeitete langsam wieder normal. Mit der
Scheibenwaschanlage reinigte ich die Frontscheibe, und
diesmal versuchte ich es mal mit kühlem Verstand:

Ich gab wesentlich weniger Gas. Rückwärtsgang, zweiter
Gang, Rückwärtsgang, zweiter Gang, und ich kam immer
nur wenige Zentimeter vorwärts oder rückwärts, aber ich
rutschte kaum noch, kam aus der Spur und landete auf
dem etwas tiefer gelegenen Feld, wo grünes Winterzeug
wuchs. Dort fanden die Vorderräder in einer Traktorspur
Halt, krallten sich in die Furche und zogen mich aus dem
Schlamm.

Ich weiß nicht mehr genau, wie ich die Straße erreichte.
Aber dass ich an der Einmündung nicht Richtung Heimat,
sondern zurück zur LKW-Waschanlage fuhr, geschah
spontan, und das Gesicht des Mannes, der den Wagen
abspritzte, werde ich nie vergessen.
 
© Jürgen Berndt-Lüders