Thomas Fischer

Die Uralten I - Der Beschützer

Die Uralten I

 

Der Beschützer

 

Aus halbgeschlossenen Augen beobachtete ich den unruhigen Schlaf Sarahs. Sie drehte und wälzte sich in ihrem Bett hin und her. Schon die ganze Nacht. Ich saß auf dem Stuhl im Schlafzimmer und ließ die Pfote über mein Gesicht gleiten.

Mein Name ist Max. Das ist zumindest der Name, der mir von Sarah gegeben wurde. Nicht der Beste, aber auch nicht der Schlechteste. Sie hätte mich ja auch Pumuckl nennen können. Das ginge überhaupt nicht. Mein wirklicher Name ist natürlich nicht Max, aber das wußte Sarah nicht. Sie hätte meinen kätzischen Namen auch nicht aussprechen können. Belassen wir es bei Max. Der Einfachheit zuliebe. Ich war ein achtjähriger graugetigerter Kater. Sarah kannte mein genaues Alter natürlich nicht. Der Tierarzt schätzte es und komischerweise lag er völlig richtig. Sarah erzählte mir einmal, meine acht Jahre würden 48 Menschenjahren entsprechen. Ich war also ein Kater im besten Alter und außerdem ziemlich gutaussehend, wie ich fand. Meine gelben Augen passten perfekt zu mir. Das linke Ohr hatte ich zur Hälfte bei einem Straßenkampf verloren, aber es gab mir ein verwegenes Aussehen und das kam bei der Damenwelt in meiner Nachbarschaft immer noch besonders gut an. Ich war Freigänger. Sarah war zwar immer besorgt, wenn ich meine Runden drehte, weil sie der Meinung war, dass es draußen in der Welt zu viele Gefahren für eine Katze wie mich gab. Sie hatte sicherlich recht damit. Aber mit den Gefahren, an die Sarah dachte, wurde ich in der Regel fertig. Gefährlicher waren die Dinge, von denen Sarah nichts wußte. Aber ich will nicht vorgreifen, dazu kommen wir später.

Ich saß immer noch mich putzend auf dem Stuhl und beobachtete den unruhigen Schlaf Sarahs. Dabei konnte ich nicht länger zusehen. Lässig sprang ich vom Stuhl und ging langsam hinüber zum Bett. Mit einem Satz hüpfte ich hoch, ging leichtpfotig zu Sarah und schmiegte mich leise schnurrend an sie, in der Hoffnung, ihr ein wenig Ruhe zu geben.

Sie war eigentlich immer eine betont ruhige Frau. In ihrem Beruf, sie war Polizistin, war das auch notwendig. Aber die Ereignisse der vergangenen Monate setzten ihr doch mehr zu, als sie es je zugeben würde. Im Grunde betrafen die Ereignisse der vergangenen Monate Sarah gar nicht direkt. Es ging damit los, etwa vor einem Jahr, dass bei einem schweren Erdbeben, in einem Land namens Japan, wo immer das auch ist, tausende Menschen starben. Doch diese Katastrophe löste eine noch größere Katastrophe aus, die zum Tod von viel mehr Menschen führen sollte. Durch das Erdbeben wurde ein Atomkraftwerk zerstört und es kam zu etwas, das Sarah als Kernschmelze bezeichnete. Diese führte dazu, dass das Land, Japan, unbewohnbar wurde. Sarah versuchte mir zu erklären, was eine Kernschmelze ist, aber ich verstand es nicht. Aber auch wenn ich vieles nicht verstand, was sie mir erzählte, hörte ich ihr immer gerne zu. Ihre Stimme hatte etwas beruhigendes. Seit diesem Unglück war nichts mehr so, wie es war, sagte Sarah immer wieder zu mir. Nahezu zeitgleich mit der Katastrophe in Japan führte ein Bürgerkrieg in Nordafrika zu einem noch viel größeren Krieg, der nun am Mittelmeer wütete und täglich viele Tote forderte. Wenige Monate später wurde dann ein berühmter Mann und seine Familie ermordet. Sarah sagte, es wäre der amerikanische Präsident gewesen. Ich verstand, dass das wohl ein wichtiger Mann war. Dieses Land namens Amerika stürzte nach dem Tod der Familie auch in einen blutigen Bürgerkrieg, der immer noch andauerte. Mir war das alles einerlei, ich setzte in meinem Leben andere Schwerpunkte, doch es machte mich traurig, wenn Sarah traurig war. Dies waren alles Dinge, die Sarah zwar betroffen machten, ohne sie direkt zu betreffen. Wäre dies alles, wäre sie zwar traurig, doch Sarah könnte zumindest ruhig schlafen.

Vor wenigen Wochen begannen jedoch Ereignisse, die Sarah noch mehr beunruhigten, als die Ereignisse weit entfernt von ihr. Eine unerklärliche Krankheit wütete in unserer Stadt und auch anderen Städten, die das Leben vieler Menschen forderte. Dazu verschwanden immer mehr Menschen einfach spurlos. Wenige tauchten wieder auf, aber sie lebten nicht mehr. Sarah sagte nicht mehr dazu, aber es war deutlich, dass ihr der Gedanke an das, was sie gesehen hatte, Angst machte. Große Angst. Dazu kam die Besorgnis über diese Krankheit. Ich spürte das und ich spürte auch etwas anderes, etwas unheilvolles. Ich spürte die Gegenwart der Anderen.

Dabei erinnerte ich mich an Geschichten, von denen ich dachte, sie vergessen zu haben. Geschichten, die mir von meiner Mutter erzählt wurden. Uralte Geschichten, die sie mir erzählte, bevor sie mit meinen Geschwistern im Feuer starb. Nach diesem Unglück lebte ich allein. Ich blieb zunächst auf dem Land, zog aber nach einem Jahr in die große Stadt. Das Abenteuer lockte mich dort hin. Aber das Leben in der Stadt war hart. Drei Jahre lebte und überlebte ich auf den Straßen. Sarah fand mich während eines besonders harten Winters, halb erfroren und am Verhungern. Sie nahm mich auf und seitdem lebte ich bei ihr. Das waren nun bereits vier Jahre und ich fühlte mich wohl bei ihr. So sehr, wie ich mich damals bei meiner Mutter und meinen Geschwistern auf dem verfallenen Hof wohl gefühlt hatte. Der Gedanke an meine Mutter ließ mich erschauern, denn ich musste wieder an diese uralten Geschichten denken, die sie mir erzählte. Ich schmiegte mich enger an Sarah und fing an tief zu schnurren, um mich selbst zu beruhigen.

Die Geschichten meiner Mutter. Wir waren keine gewöhnlichen Katzen. Unsere Familie gehörte zu den Uralten, den ersten Domestiken, die vor mehr als sechtausend Jahren ihr Leben mit den Menschen begannen. Aber die Geschichte unserer Familie begann nicht mit der Domestizierung durch den Menschen. Mutter erzählte mir, es wäre ein Märchen, dass die Menschen die Katzen domestiziert hätten. Die Uralten hätten es lediglich zugelassen, um ihren Auftrag ungestört erfüllen zu können. Seit der Domestizierung versuchten meine Vorfahren die hohe Intelligenz unserer Art vor den Menschen zu verbergen. Andernfalls wären wir Katzen bereits vor tausenden von Jahren durch den Menschen ausgerottet worden. Menschen mochten Wesen nicht, die intelligenter waren als sie. Der Grund, warum wir uns domestizieren ließen war einfach, erklärte meine Mutter, wir konnten dadurch unseren Auftrag besser erfüllen. Seitdem es Katzen gab, lebten wir nur für einen Zweck. Wir lebten, um die Menschen zu beschützen, denn es gab Geschöpfe, welche noch weitaus unbarmherziger waren, als der Mensch selbst. Mutter bezeichnete diese Wesen in ihren Geschichten nur als die Anderen. Sie waren so alt wie die Welt und nur wir Katzen, die ihre Blutlinie zu den Uralten zurückverfolgen konnten, wußten von ihnen. Unsere Ahnen nannten diese Geschöpfe die Anderen, denn wie der Mensch waren sie Wesen aus Fleisch und Blut. Aber sie waren seelenlose Geschöpfe der Nacht, die nach menschlichem Blut gierten. Früher waren sich die Menschen bewußt, dass es die Anderen gab. Vor vielen tausend Jahren. Mutter erklärte, dass dieses Bewußtsein der Menschen über Jahrtausende geschwunden sei und sie sich der Anderen nur noch in Mythen erinnerten. Die Menschen nannten sie in diesen Legenden Asanbosam, Wrukolakas, Baobhan-Sith oder Strigoi. Heute wurden sie von den Menschen meist einfach nur Vampire genannt. Aber weder Kreuze, noch Weihwasser konnten ihnen etwas anhaben. Sie waren älter, als die Zeit. Sie existierten lange bevor es den christlichen Glauben gab. Es gab aber Waffen, die man gegen sie einsetzen konnte. Doch die Menschen haben es vergessen. Auch wir vergaßen welche Waffen es gab und selbst wenn wir uns daran erinnern könnten, wie sollten wir es den Menschen mitteilen? So standen nur wir Katzen zwischen den Anderen und dem Menschen.

Meine Mutter sagte, dass die Anderen unsere uralten Gegner waren, die wir seit Anbeginn der Zeit im Stillen bekämpften. Der Biss einer Katze in den Hals vernichtete das Geschöpf augenblicklich. Auch meine Mutter konnte mir nicht erklären, warum das so war. Wahrscheinlich hätte mir ein menschlicher Wissenschaftler den Grund nennen können. Vielleicht aber auch nicht. In diesem uralten Krieg verloren viele unserer Vorfahren ihr Leben, aber auch viele der Anderen wurden vernichtet. Aus diesem Grunde mieden sie normalerweise Orte mit einer großen Katzenpopulation. Brachen jedoch Zeiten an, in denen die Not am größten war, Zeiten in denen das Verschwinden vieler Menschen nicht weiter auffiel, dann kamen sie heraus, in Scharen, und ließen sich auch nicht von ihren Todfeinden abschrecken. Das passierte in der Vergangenheit während des Schwarzen Todes, der die Menschen dahinraffte und während der vielen Kriege, die über die Jahrtausende von den Menschen in nahezu regelmäßigen Abständen angezettelt wurden. Diese Ereignisse boten den seelenlosen Geschöpfen die Gelegenheit reichlich Beute zu machen und im Moment konnten die Zeiten nicht besser sein. Überall auf der Welt starben die Menschen in Massen, auch hier in unserer Stadt starben immer mehr an dieser Krankheit.

Eigentlich habe ich die Geschichten meiner Mutter immer als Märchen abgetan. Nicht unbedingt eine Gutenachtgeschichte, wie sie im Buche steht, aber dennoch nur ein Märchen. Aber seit einigen Tagen spürte ich nachts etwas unheilvolles auf den Straßen. Etwas, dass mir das Fell im Nacken zu Berge stehen ließ. Ich konnte es aber nicht überprüfen, denn ich durfte nachts nicht hinaus. Sicher, ich hätte einfach eine meiner täglichen Streifen durchs Revier über die Nacht ausdehnen können. Dann hätte aber Sarah kein Auge zugetan. Das wollte ich ihr nicht antun. Außerdem habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt, meine Nächte in einem warmen Bett verbringen zu könnnen. Wer einmal wie ich auf der Straße gelebt hatte, der wußte die angenehmen Seiten des Lebens durchaus zu würdigen. Die tägliche Fütterung durch Sarah zog ich auch der langwierigen Jagd auf Mäuse oder Vögel vor. Ich fing die kleinen Viecher zwar immer noch, um nicht völlig einzurosten. Wenn ich aber die Wahl zwischen Sarahs Leckereien und rohen Mäusen oder Vögeln hatte, dann mußte ich nicht lange überlegen. Der Gedanke an blutiges Fell und Federn ließ mich erschauern. Daheim schmeckte es einfach besser. Daher ließ ich meine Beute meist wieder frei, nachdem ich bewiesen habe, dass ich immer noch ein Raubtier war. Viele meiner domestizierten Artgenossen quälten ihre Opfer und töteten aus Spaß an der Freude. Wären sie Menschen, würde man sie wahrscheinlich als Serienmörder bezeichnen und wegschließen. Ich habe immer nur getötet, wenn es sich nicht vermeiden ließ, wenn es um mein Überleben ging. Ich bezeichnete mich gerne als ein edles Tier gegenüber meinen weiblichen Bekannten, aber vielleicht lebte ich einfach schon zu lange unter Menschen und bin völlig verweichlicht. Wie dem auch sei, die vergangenen Nächte spürte ich, dass etwas nicht in Ordnung war und das ließ all die alten Geschichten meiner Mutter wieder aufleben. Tagsüber stellte ich dann Nachforschungen an. Doch keiner meiner Artgenossen schien etwas ungewöhnliches bermerkt zu haben. Sie schauten mich auch ziemlich seltsam an, wenn ich die Uralten erwähnte. Scheinbar schien die Erinnerung auch unter den Katzen zu schwinden. Während meines Lebens auf der Straße lernte ich auch nur einen alten Kater kennen, der von den Uralten wußte. Er war ein steinalter, namenloser Kerl mit vielen Verstümmelungen, kaum noch in der Lage, sich selbst zu versorgen und er erzählte Geschichten von seinen Kämpfen mit den Anderen. Damals tat ich ihn als harmlosen Spinner ab und brachte ihm Mäuse, bis ich nach einigen Wochen wieder weiter zog. Heute bin ich mir nicht mehr so sicher, dass er tatsächlich ein Spinner war. Vielleicht sollte ich mich auf die Suche nach ihm machen. Aber ich traf ihn vor fünf oder sechs Jahren und lebte wahrscheinlich schon lange nicht mehr.

Während ich über all dies nachdachte, verfiel ich selbst in einen unruhigen Halbschlaf aus dem ich plötzlich herausschreckte. Ich hob meinen Kopf, spitzte meine Ohren und öffnete meine Augen weit. Es war so dunkel, als ob das wenige Licht der Nacht verschluckt worden wäre. Ich spürte eine Präsenz. Ich spürte seine Präsenz. Jemand war answesend. Nein, etwas war anwesend. Mein Nackenfell sträubte sich. Langsam richtete ich mich auf. Mein Schnurren wandelte sich in ein leises, drohendes Knurren, wie es nur Katzen zustande brachten. Ich versuchte weiter etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Ich legte meinen Vorderkörper tiefer und richtete meinen Hinterkörper auf. Sprungbereit. Während ich die Dunkelheit musterte, wurde Sarahs Schlaf immer unruhiger. Unruhiger, als es ihr Schlaf diese Nacht ohnehin schon war. Langsam gewöhnten sich meine Augen an die nahezu absolute Dunkelheit. Ich konnte mittlerweile dunkle Schemen im Schlafzimmer erkennen. Mein Blick wanderte langsam von links nach rechts, bis ich an den schemenhaften Umrissen einer Figur in der Schlafzimmertür hängen blieb.

Ich hatte noch nie einen gesehen, aber ich wußte, dass ich einen Anderen vor mir hatte. Mein Knurren wurde zu einem lauten, schrillen Fauchen. Sarah schreckte aus ihrem Schlaf, richtete sich auf ihren Ellbogen halb auf und fragte in die Dunkelheit: „Max, Maxie, was ist los? Was hast Du?“ Ich hasste es, wenn sie mich Maxie nannte. Aber in diesem Moment war es mir völlig egal. Ich hatte den Anderen fixiert und langsam kroch ich auf dem Bett weiter auf ihn zu. Ich fauchte, wie von Sinnen. Sarah tastete links auf dem Nachtkästchen nach dem Schalter für die Lampe. Nein, dachte ich bei mir, laß das, Sarah. Ich drehte meinen Kopf zu ihr und fauchte sie wütend an. Doch sie verstand mich nicht. Menschen!

Sie presste den Schalter und das Licht ging an. Aber statt den Raum zu erleuchten, schien es die Dunkelheit nur ein wenig zu verdrängen. Aber der Andere war nun zu erkennen. Er stand da, in der Tür, leicht gebeugt. Er war groß. Ich hatte noch nie ein Wesen wie ihn gesehen. Er war häßlich, hatte einen monströses Schädel, mit spitzen Ohren und völlig ohne Haare. Das Geschöpf bleckte die Zähne und ließ seine Fänge sehen. Der Andere war nackt mit faltiger, bleicher Haut, seine langen Arme endeten in Händen mit langen Klauen. Auch er machte ein fauchendes Geräusch und knurrte, wie ein wildes Tier. Langsam ging er auf das Bett zu. Sarah sah ihn und mit einem entsetzten Gesichtsausdruck fing sie an laut zu schreien. Aber statt vor Angst zu erstarren, beugte sie sich immer noch schreiend zum Nachtkästchen, riss die Schublade heraus, und griff nach ihrer Dienstwaffe. Der Blutsauger kam immer weiter auf uns zu, bis er am Ende des Bettes stand. Nicht nur Sarah spürte Angst und Entsetzen. Mir ging es kein bißchen besser. Ich stand sprungbereit am Fußende des Bettes, wie von Sinnen fauchend. Die Augen aufgerissen und starr vor Angst starrte ich ihn an. Der Andere blickte mit einem hasserfüllten Blick auf mich und kam immer näher.

Da zerrissen Schüsse die Nacht. Ich wußte, was Schüsse waren. Habe sie auf dem Land oft gehört und meine Mutter erzählte mir, was Schüsse anrichten konnten. Die Kugeln schlugen in das schreckliche Wesen, schwarzes Blut spritze aus den Wunden, aber der Andere ging weiter, bis er am Fußende des Bettes stand. Die Kugeln schlugen weiter in ihn ein. Es schien, als ob die Nacht nur noch aus spritzendem schwarzen Blut bestand. Aber auch wenn die Kugeln große Löcher in den bleichen Körper des Anderen rissen, schienen sie keinerlei Wirkung zu zeigen. Doch durch Sarahs Reaktion war das Wesen abgelenkt von mir.

In diesem Augenblick erinnerte ich mich an alles, was mir meine Mutter über die Kämpfe meiner Vorfahren mit den Anderen erzählte. Meine Augen schlossen sich zu Schlitzen und ich sprang, wie ich noch nie in meinem Leben gesprungen bin. Später würde ich nie wissen, wie ich es schaffte, mit einem Sprung an die Kehle des Blutsaugers zu springen. Mit meinen Krallen tief in der pergamentartigen Haut seines von schwarzem, dickem Blut verschmierten Oberkörper, zog ich mich hoch und biss mit weit aufgerissenem Maul in seinen ungeschützten Kehlkopf. Ich biss zu, als ob ich den Verstand verloren hätte. Ich riss meinen Kopf zurück, ein großes Stück seines Halses in meinem Maul, während mir sein Blut aus der Wunde über den Körper spritzte. Der widerliche Geschmack des schwarzen Blutes ließ mich fast ohnmächtig werden, vor Übelkeit. Ich ließ ab von ihm. Sprang zurück auf das Bett. Landete auf meinen Pfoten. Ich drehte mich, um sofort wieder angreifen zu können, zitternd, dennoch bereit alles zu tun, um Sarah zu schützen, aber der Andere stand nur mit aufgerissenen Augen und seinen klaffenden und blutenden Wunden da. Bewegte sich nicht, kam nicht näher. Ich setzte an, um erneut an ihm hochzuspringen und das zu beenden, was ich begonnen hatte. Aber in diesem Moment passierte etwas unglaubliches. Der Andere schien vor meinen Augen zu verwelken, zu verwesen und plötzlich implodierte das Wesen und zerfiel vor unseren Augen zu schwarzer Asche.

Es blieb nichts von ihm übrig, außer das schwarze Blut, das überall im Zimmer, an den Wänden, dem Teppich, auf dem Bett und vor allem an mir klebte und ein Häufchen Asche. Es war still. Ich hatte nicht bemerkt, dass Sarah aufgehört hatte zu schreien. Ich drehte mich besorgt nach ihr um. Sie saß da, mit weitaufgerissenen Augen und starrte mich ungläubig an. Ich ging langsam auf sie zu, etwas wackelig auf meinen vier Beinen. Als ich bei ihr war, nahm sie mich in ihre Arme, das Blut an meinem Körper völlig missachtend, drückte mich, immer nur meinen Namen wiederholend, fest an ihren Oberkörper und ausnahmsweise störte es mich nicht, dass sie mich mit dem verhassten „Maxie“ ansprach. Leise fing ich an zu schnurren. Wir blieben lange so sitzen.

Damals wußte ich es noch nicht, aber in dieser Nacht führte ich den ersten Kampf im letzten großen Krieg um den Fortbestand nicht nur der Menschheit sondern der ganzen Welt. Mit einem Gefühl tiefer Traurigkeit wußte ich aber, dass dies meine letzte Nacht bei Sarah sein würde, dass es an mir lag, den Kampf gegen die Anderen aufzunehmen und meine Vorfahren, die Uralten, in das kollektive Gedächtnis der Katzen zurückzurufen. Ich drückte mich dichter an Sarah und versuchte nicht an den nächsten Tag oder die Zukunft zu denken. Die Ruhe der Nacht wurde bis zum Morgengrauen immer wieder durch entsetzliche Schreie zerrissen.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.03.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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