Helena Ugrenovic

Powermän meets Powerwomän

Claire, eigentlich Clara, aber da Clara zu wenig hip und zu fest flop, hat sie sich kurzerhand umgemogelt, ist 30 Jahre alt, glücklich moderne Single-Lady, Werbeassistentin, D&G-gekleidet, fährt einen BMW Z3 Cabrio mit Innenlederausstattung und legt mehr Automeilen zurück als ein Brummifahrer mit Europarelationen. Dauernd auf Achse, unterwegs zu Szenekunden die Szeneprodukten ein szene-trendiges Outfit verpassen, sieht ihre strähnchenblonde, modisch-freche Kurhaarfrisur bei jeder Witterung exakt genau gleich aus und kein noch so hoher Absatz oder noch so feines Riemchensandalettchen an ihren gepuderten Füsschen beeinträchtigt Gas- oder Bremspedal.
Auch nach einem 12-Stunden-Marathon-Meeting-Brainstorming-Arbeitstag sieht sie aus wie gerade zurück aus einem Wellness Wochenende und feiert und tanzt mit ihren Szenekollegen in Szenelokalen bis in die Puppen.

Neben bei spricht sie 5 Sprachen fliessend, besucht den New-Media-Kurs in einem der neuesten Szene-Gebäude das aussieht wie Lloyd´s of London, formt zwei Mal in der Woche ihren braungebrannten Body im trendigsten Aerobic-Lokal der Stadt und beim Bowlen bricht keiner ihrer french-manikürten Fingernägel ab. An Eröffnungspartys und Vernissagen ist sie Ehrengast.

Claire ist eine geborene Siegerin. Sie ist ein Sonntagskind.

Claire ist eine Powerfrau.

Amanda, immer schon Amanda, ist 29 Jahre alt, verheiratet, Mutter von zwei süssen Kindern, gelernte Fremdsprachenkorrespondentin in Auszeit, fährt einen Golf, da klein, handlich und praktisch und ist Profi im Kleinst-Parklücken-Finden während Stoss- und Drangzeiten. Amanda ist eine richtige Dompteuse, Akrobatin und High-Level-Managerin. Kids und Ehemann voll im Griff, ist sie in der Lage, während dem Butterbrotschmieren einen Krawattenknopf zu knüpfen, eine Windel zu wechseln und Kleinkind Nummer Zwei auf die Finger zu hauen, wenn dieses Kleinkind Nummer Eins den Löffel bis zum Hals steckt und die Krawatte im Erdbeereingemachten von Oma versenkt.
Ausserdem kann sie telefonieren, kochen, Gardinen aufhängen und Aufgaben kontrollieren in Einem, ein Fahrrad flicken, neue Kräuter ziehen, Nägel einhämmern und sogar den Gartenzaun reparieren. Zur Freude von Kleinkind Nummer Eins und Zwei erhält das Kinderzimmer jeden Monat einen neuen Anstrich mit neuen Figuren, je nachdem, welche Comic-Helden auf der Hitliste der Kids auf Platz Eins stehen. Sie backt Plätzchen für Schülerfeste, organisiert Schminknachmittage für die Kolleginnen von Kleinkind Nummer Zwei, übersetzt zu Hause Texte für 7 verschiedene Zeitschriften, organisiert Nachtessen für die Geschäftsfreunde des zweiten Ringträgers und ist die perfekte Gastgeberin.

Amanda blättert jeden Morgen die verschiedenen Tageszeitungen durch, surft im Internet auf den hiesigen Ladies-Sites und ist sowohl über die Verschluckattacke des amerikanischen Präsidenten an einer möderischen Bretzel als auch über die neuesten Feng-Shui-Studien und Modetrends an der spanischen Treppe in Rom informiert.

Auch nach einem Fensterscheiben-Fingermalfarben-Nachmittag und bunten Klecksern im Gesicht sieht sie zum Anbeissen aus.

Amanda ist ein Montagskind.

Amanda ist eine Nur-Hausfrau.

Fred, eigentlich Alfred, aber da zu europäisch und zu unamerikanisch, nennt er sich Fred W. Bla-Bla der Zweite, war schon in der Schulzeit die Mathe-Chemie-und Physikleuchte schlechthin. Grosszügig übersieht man Freds letzte-Schrei-Brille, seinen immer weiter nach hinten rutschenden Stirnansatz, seinen untrainierten, bleichen Körper und die Leidenschaft für Endlosdiskussionen über Gammastrahlen, atomare Katastrophen und die chemische Zusammensetzung von Yoghurts, Mikrowellenfood und Hamburger. Fred ist der potentielle Ernährer und das Oberhaupt seiner Familie. Von morgens um sieben bis abends um sieben sorgt er dafür, dass seine Perle sich den Hairstylisten, die Kosmetikerin, den Jahresurlaub unter Palmen, das Cabrio, die Tennisstunden, Designermöbel, Markenklamotten und noch so manches andere Zückerchen und seine beiden Kids Reitpferd, Schlagzeugunterricht, Sprachaufenthalte im Ausland, grosszügiges Taschengeld, Motorrad, trendy Outfits und eine Computer High-Tech-Anlage leisten können.
Artig hockt er in Pärchen-Scrabble-Runden und mogelt fast nie, hilft seiner Perle bei trauten Nachbars-Barbecues, ignoriert Jetlags und Herzstolpern genau so wie Krisensitzungen und Mitarbeiterkürzungen und richtet es ein, dass er bei Elternabenden wenigstens die letzten zehn Minuten davon noch teilnehmen kann. Fred ist ein Jäger und Sammler. Als Jäger ist er nimmermüde damit beschäftig, für seine Perle und die beiden Tropfen nur das Beste zu erwirtschaften. Als Sammler hat er es längst aufgegeben, Kreditkartenbelege und Rechnungen nach Perle und Tropfen zu sortieren. Er bezahlt sie einfach.

An welchem Tag er geboren wurde, hat er vergessen, da er seit Kindesbeinen an damit beschäftigt ist, seinem Image als Jäger und Sammler gerecht zu werden. Obwohl in einer Open-Mind-Future-Kultur geboren, konnte er sich seine Rolle nicht aussuchen, da er schon als Fünfjähriger beim Spielen mit kleinen Mädchen Ken in die Hand gedrückt bekam und nicht Barbie, aufgrund deren Lebensstil, pinkfarbenem Cabrio, beneidenswerten Berufsrichtungen, schicken Klamotten und einem noch schickeren Schloss, er sich eventuell noch andersweitig gerollt hätte.

Fred ist ein Mann.

Der einzige Wehrmutstropfen in Freds Dasein ist der, dass Männer wie er nicht die gleiche Bezeichnung von Frauen wie Claire erhalten, dass Frauen wie seine Perle ihn niemals als Powermän bezeichnen, sondern es als das Normalste unter der Sonne ansehen und Fred viel lieber eine Frau wie Amanda geheiratet hätte.

Fred bleibt ein Mann.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.02.2003. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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