Aleksandar Gievski

Alle Neuen heißen Clark



Bewusstlos und auf den Bauch geworfen lag ich, in dem hell erleuchteten, rechteckigen Raum, auf den kalten weißen Kacheln. Als ich langsam aufwachte hatte ich den Geschmack von Blut in meinem Mund. Das grelle Licht blendete mich und ich musste meine Augen erst dran gewöhnen. Ich drückte mich mit beiden Armen hoch, dabei zog ich Fäden von Spucke und Blut nach. Ich spukte sie weg.
Der Raum in dem ich war war bis zur Decke mit den sterilen weißen Kacheln überzogen. In einem Eck an der längeren Wandseite war der Eingang - ein Türrahmen ohne Tür – und dem gegenüber, von mir aus links, erstreckte sich von einer Seite bis zur anderen eine Holzbank mit drei Sitzbalken und darunter eine metallene Stellage um die Schuhe darauf abzustellen, so wie man es aus Turnhallen kennt. Benommen schwankte ich zum Eingang und blieb davor stehen um durch zu schauen. Zuerst dachte ich es wäre ein breiter Gang gewesen denn ich konnte zwei weitere Eingänge auf der anderen Seite sehen. Es war aber so dass es vier identische Räume gab, alle so wie der in dem ich aufgewacht bin und der Gang war eine Diele. Der einzige Unterschied war nur dass die zwei Räume gegenüber im Dunklen lagen. Unten auf dem Boden konnte ich zwei Lichtquellen ausmachen. Ein rotes und ein helles Licht. (das helle von dem Raum daneben aber das wusste ich noch nicht)
Bevor ich weiter ging lehnte ich mich an die Wand um durchzuschnaufen und putzte mir mit dem rechten Daumen die Nase. Muss eine alte Angewohnheit von mir sein. Dann steckte ich meinen Kopf vorsichtig durch die Öffnung. Rechts verlief eine glatte Wand aber darüber in der Decke konnte ich ein großes Loch sehen. Ein Weg nach irgendwo? Dann drehte ich meinen Kopf nach links und erkannte sofort die rote Lichtquelle.
Ein durchsichtiger Kunststoffvorhang trennte am Ende der Diele eine dahinter liegende Küche, in der zwei Männer, unter rotem Licht, Essen zubereiteten. Einer stand rechts an der Küchenzeile, der andere saß hinten drin auf einer Eckbank.
„Hey, Clark! Komm rüber! Vielleicht hast du auch ein wenig Hunger?“ schrie mir der etwas Dickere  in der Ecke zu. Was sollte ich tun. Einerseits hatte ich Angst, doch andererseits brauchte ich Informationen. Also ging ich in die Küche.
 
„Komm, setze dich zu mir und iss etwas mit uns.“ sagte der Dicke.
„Den Fraß aus dem Kühlschrank würde ich nicht fressen an deiner Stelle. Der ist bestimmt vergiftet.“ sagte sofort der Kerl der jetzt, mir den Rücken zugewandt, neben mir stand.
„Ach, das kannst du doch gar nicht beweisen... und es ist immer noch besser als deine Kakerlaken.“ Ich schaute ihm über die Schulter und tatsächlich lagen ein dutzend Kakerlaken in seiner Pfanne. Mir drehte sich der Magen um. Nicht nur wegen dem Anblick auch der Gestank in der Küche war unerträglich. Faule Eier oder verdorbener Fisch trifft es nicht annähernd.
Der Typ neben mir drehte sich um. Pures Entsetzen stieg in mir auf. Sein halber Kopf war bandagiert und nur ein Auge schaute heraus, das völlig blutunterlaufen war und eine pechschwarze Pupille besaß. Ihm fehlte die Oberlippe und man konnte seine obere Zahnreihe sehen.
„Nichts ist besser wie selbst gefangen. Oder etwa nicht, Clark?“
Dieser hässliche halb zerfressene Kopf auf diesem abgemagerten Körper der nur von einer ungewaschenen Jeans-Latzhose bedeckt war, trieb mir die Angst bis ins Mark.
„Könnt ihr mir sagen wo wir hier sind? Wie komme ich hier her? Ich muss mein Gedächtnis verloren haben denn ich kann mich an nichts mehr erinnern. Und wieso nennt ihr mich Clark?“ fragte ich sie.
„Wir nennen alle neuen Clark.“ antwortete mir die Fratze.
„Komm, bleib hier und iss mit uns. Hier ist es wenigstens warm.“ sagte der Dicke und er hatte Recht. Durch das rote Licht wirkte es wirklich wärmer. Trotzdem wollte ich nicht bei den beiden bleiben und ging zurück in den Raum wo ich aufgewacht war und hockte mich auf die Bank um mich auszuruhen und Kraft zu sammeln. Dabei hoffte ich dass keiner von meinen zwei neuen Mitbewohnern zu mir rüber kommen würde. Dann wurde ich wieder bewusstlos.
 
Als ich zu mir kam lag ich auf der Bank in dem dunklen Raum gegenüber. Ich wollte mir die Nase putzen doch es ging nicht. Mein Körper war gelähmt und ich konnte nur meine Augenlider bewegen. Ausgeliefert und hilflos schaute ich durch den Raum. Obwohl es dunkel war sah ich ihn, den Kerl mit der Fratze. Er stand im dunkelsten Eck und starrte in meine Richtung. Vermutlich wartete er nur darauf, dass ich aufwachte. Dann ging er auf allen Vieren runter und krabbelte zu mir rüber. Sein Kreuz war so weit nach unten gedrückt dass er aussah wie eine radioaktive Riesenspinne. Er blieb kurz vor meinem Gesicht stehen und ich konnte seinen ekelhaften Atem riechen.
„Denk dir nichts. Du liegst nur hier weil sie die ganze Scheiße hier sauber machen. Wenn sie fertig sind wirst du dich wieder bewegen können. Mit der Zeit wirst du immun gegen das Gas sein. So wie ich. Dann kann dir die Scheiße nichts mehr anhaben.“ sagte er kurz bevor er zusammen zuckte weil Schritte auf uns zu kamen und er wieder in sein Eck krabbelte.
Ich konnte das Pochen in meiner Brust spüren. Der Eingang verdunkelte sich. Eine große und kräftige Gestalt in einem schwarzen Overall und einer Gasmaske auf, die über seinen ganzen Kopf ging, stellte sich breitbeinig in den Türrahmen. Er hielt einen Schlauch in der Hand der an irgendetwas an seinem Rücken befestigt war und sprühte dann eine Art Rauch in den Raum. Nur wenige Sekunden später viel ich wieder in Ohnmacht.
 
Ich erwachte erneut und um mich herum war diesmal alles rot. Obwohl ich Klamotten anhatte fühlte ich das Brennen auf meiner Haut, hervorgerufen von dem roten Licht das mich von allen Seiten bestrahlte. Wie ein starker Sonnenbrand der mich komplett überdeckte. Dicht neben mir lag die Fratze und schlief. Wir befanden uns in einem kleinen Raum oberhalb der Küche, der mir davor nicht aufgefallen war. Vor Panik und Ekel schob ich mich raus und ließ mich einfach die zwei drei Meter runter plumpsen. Wie ich am Boden lag und versuchte die Schmerzen runter zu schlucken, sah ich wieder das Loch in der Decke. Ich war mir sicher, dass das der einzige Weg nach draußen war. Mit neuer Motivation sprang ich auf und riss den Vorhang von der Küche weg. Der Dicke saß  an seinem Platz. Er sagte mir etwas aber ich hörte ihm nicht zu. Ich packte den Tisch an dem er hockte und zog ihn raus in die Diele. Dann bemerkte ich das zweite Entsetzen. Unterhalb der Teile war der Dicke zerfressen oder verfault. Ein Stumpen von seinem linken Bein, an dem Adern herab hingen, war noch vorhanden, nur rechts wo früher mal ein Bein war ist jetzt nur noch ein offenes Loch aus dem, wie ich denke, schon die Innereien zu sehen waren.
Trotz des Schocks zog ich den Tisch bis unter die Öffnung. Ich hangelte mich nach oben in dem ich mich an den Seiten abstützte. Der Deckel, obwohl ich nichts sehen konnte, war durch einen Hebelmechanismus leicht zu öffnen.
Tageslicht peitschte mir ins Gesicht. Ich kroch weiter raus und legte mich flach hin.
 
Da bin ich jetzt, in einer verlassenen Stadt. Der Eingang zu dem Bunker, in dem ich war, befindet sich mitten auf den Marktplatz. Ich bin in diesen Kiosk hier eingebrochen um mich mit Nahrung und Trinken einzudecken. Ich schreibe diese Zeilen hier um etwas von mir zu hinterlassen bevor ich weiter gehe.
 
Ich weiß nicht wer ich bin, wo ich bin, wohin ich gehen werde und was mich noch erwartet.
 
Euer Clark 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 03.04.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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