Christa Astl

"Schlüsselerlebnis"



 

Ein schöner Frühlingsmorgen klettert über die Berge. Die Sonne lockt mich vor dem Wecker aus dem Bett. Es bleibt viel Zeit für ein gemütliches Frühstück. Dachte ich – doch ich bin ja nicht allein im Haus. Jakob leistet mir Gesellschaft. Er beginnt heute später mit der Arbeit. Da wir uns selten sehen, gibt es einiges zu bereden, - und die Zeit verrinnt, rinnt durch den Morgen davon.
Ich springe auf, allerhöchste Zeit, der Zug wartet nicht! Und die zwanzig Minuten zum Bahnhof wollen durchgegangen sein und brauchen ihre Zeit.
„Ich kann dich ja mitnehmen“ lädt er mich freundlich ein. Doch er hat es selber plötzlich eilig. Schnell in den Mantel, in die Schuhe, zubinden kann ich sie im Auto, Schal und Schlüssel in den Händen, steige ich ein. Leider ist  es nicht mein geräumiges Auto, wo der Beifahrersitz weit hinten ist und genug Platz und Bewegungsfreiheit zum Anziehen wäre. Alles bleibt in den Händen, auch der Rucksack, die Schuhe bleiben offen. Bei der Haltestelle an der Kreuzung will ich aussteigen. Die Ampel ist noch auf Rot, Jakob muss nicht mal auf die Halteinsel hinausfahren. Schnell springe ich raus, als Gelb wird. Er hupt, dahinter kommt ein schwerer Lastwagen. Durchs Hupen aufmerksam gemacht, blicke ich zurück, - mein Schal liegt auf dem Boden. Ich will den Verkehr vorbei lassen, ein freundlicher Radfahrer bückt sich danach und übergibt ihn mir mit einem fröhlichen Morgenlächeln. Mein Dank war hoffentlich genau so freundlich. Endlich kann ich meine Schuhe binden und den Weiterweg unter die Sohlen nehmen. Noch zehn Minuten Gehzeit, der Rucksack ist heute schwer, mir wird warm. Der Zug fährt pünktlich ein, fährt planmäßig weiter. Der Alltag nimmt seinen Lauf.
Es ist ein angenehmer, befriedigender Tag, der mir einigen Erfolg beschert. Den Kaffee vor der Heimfahrt glaube ich mir verdient zu haben und genieße ihn in der milden Nachmittagssonne.
Der nächste Schnellzug bringt mich nach Hause. Schon im Abteil richte ich den Schlüssel her, damit ich ihn dann griffbereit in der Hosentasche habe. Ich greife ins Vorfach des Rucksackes – nichts. Jaja, diese Eile in der Früh’! Ich durchsuche die drei Hauptfächer, vergeblich. Schon nervös geworden, muss auch der Schaffner warten, bis ich die richtige Fahrkarte vorweisen kann. Neuerlich wird von vorn nach hinten, von hinten nach vorn jedes Fach durchwühlt. Nichts. Was tun? Er liegt bestimmt im Auto, ist mir aus dem Mantel gerutscht. Ich rufe Jakob an: „Hast du meine Schlüssel bemerkt?“ – „Die sind dir doch heraus gefallen beim Aussteigen, deshalb hab ich ja gehupt!“
O, Schreck lass nach! und Heiliger Antonius, hilf! Aber mit seiner Hilfe rechne ich gar nicht wirklich. Auf dem Fußweg nach Hause blicke ich aufmerksamer als sonst zu Boden. Es könnte ja sein… - es ist aber nicht.
Auf der der Haltestelle gegenüber liegenden Straßenseite befindet sich ein Supermarkt. Dort hat ihn sicher jemand an der Kasse abgegeben, mit diesem Gedanken betrete ich hoffnungsvoll das Geschäft. Wieder eine Hoffnung weniger, als ich heraus komme. Ebenso ergeht es mir in den benachbarten Gebäuden.
Die Straßenböschung im Haltestellenbereich inspiziere ich ganz genau, meine Blicke richten sich auch auf die Fahrbahnmitte. Doch auch Adleraugen können nicht das sehen, was nicht da ist. – Kein Schlüssel weit und breit.
Wenigstens war jemand zu Hause, so dass ich zum Telefon kam. Nachfragen bei der Gemeinde und am Fundamt blieben negativ, „aber fragen Sie doch in ein paar Tagen nochmals nach!“, ermuntert mich eine freundliche Stimme.
Und nun warte ich und versuche, mich in Hoffnung und Geduld zu üben….

 

 
ChA 06.04.11

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.04.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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