In dem Vorort einer großen Stadt wuchsen drei Mädchen gemeinsam auf, die die allerbesten Freundinnen waren. Dabei zeigte sich ihr Wesen recht unterschiedlich, was aber erst deutlich wurde, als sie die unruhige Zeit des Erwachsenwerdens erreichten. Lilly, schon immer eher vorsichtig und ängstlich, verlor ihr Lachen im Zweifel an sich und der Welt. Martha, zappelig und unkonzentriert, war ständig Opfer von Kritik, weil sie kaum eine Arbeit zu Ende führen konnte. Und Sarah litt an einer trägen Gleichgültigkeit sich selbst und allem Irdischen gegenüber.
Während andere junge Menschen in der Schule, im Sport und in der Liebe Herausforderungen suchten, an den Abenteuern des Lebens schnupperten, lähmte Verdrossenheit das Gemüt der drei Freundinnen. So schlenderte sie recht lustlos an einem warmen Sommertag durch die Gassen, als sie einen neu eröffneten Blumenladen entdeckten, in dessen Schaufenster mit Blumenkränzen geworben wurde, solch seltenen Exemplaren, mit denen Mädchen ihr Haar schmücken konnten.
Neugierig zog es die Freundinnen in den Laden, wo sie staunend weitere geflochtene Kunstwerke aus Blüten und Blättern entdeckten. Ein alter Mann begrüßte sie lächelnd und freute sich, dass die Kränze Gefallen fanden. Schließlich forderte er seine Kunden auf, sich jeweils einen auszusuchen, den er ihnen zum Geschenk machen wollte. Denn er hatte sie nur aus dem Grunde geschaffen, weil sie das Haupt junger Mädchen krönen sollten.
Peinlich berührt und unsicher wollten die Drei zuerst ablehnen, aber jede von ihnen hatte bereits den besonderen Zauber eines bestimmten Kranzes für sich entdeckt und konnte den Blick kaum von ihm lassen, was dem alten Mann nicht verborgen geblieben war. Er holte drei Schachteln aus einem hinteren Raum, nahm die Kränze vorsichtig von der Wand und legte sie hinein.
Zuerst überreichte er Lilly eine Schachtel und erklärte dabei, dieser Kranz aus Gänseblümchen würde in ihr Frohsinn und Arglosigkeit wecken. Sarahs Kranz aus Rosenblüten versprach Liebe und Leidenschaft, und der Lorbeerkranz für Martha würde mit dem Streben den Erfolg verbinden. Noch benommen von diesen Worten traten die Freundinnen den Heimweg an.
Jede von ihnen setzte sich erst in der Abgeschiedenheit des eigenen Zimmers ihren Kranz auf das Haar und betrachtete sich dann im Spiegel. Lilly sah sich dabei fröhlich über eine Wiese hüpfen, kostete eine furchtlose Freude am Leben. Beim Anblick der krönenden Rosenblüten öffnete sich Sarahs Herz für eine Flut von Gefühlen, die sie wie ein Strudel mit sich rissen. In Martha hingegen breitete sich unter dem Lorbeerkranz eine große Ruhe aus, die ihre Gedanken ordnete. Bald legten die Mädchen ihre Geschenke wieder in die Schachteln zurück, aber der Zauber der Kränze blieb.
Martha erstaunt ihre Eltern und die Lehrer fortan mit durchdachtem Streben und Besonnenheit in ihren Taten, was schnell zu Erfolgen in der Schule führte. Sie entwickelte einen Hang zum Perfektionismus, der beinahe erschreckte. Lilly hingegen genoß ihr Leben in Leichtigkeit, suchte das Abenteuer und verdrehte jungen Männern den Kopf ohne ernsthafte Absichten. Auch Sarah entdeckte die Liebe doch gleichzeitig den damit verbundenen Schmerz. Hochgefühle wandelten sich in Enttäuschung, ja geradezu Hass. Und bei all diesem Neuen schien die Freundschaft der drei Mädchen keinen Platz mehr zu finden.
Es dauerte eine Zeit bis Martha im Rausch des Erfolges begriff, dass sie sich selbst in Ketten der Pflicht legte. Leichtigkeit und Gefühle waren aus ihrem Leben entwichen. Lilly hingegen erkannte, dass eine gefährliche Bedeutungslosigkeit ihr Denken zu beherrschen begann, während Sarah sich langsam in ihren Erregungen zu verlieren drohte. Doch die drei Mädchen erinnerten sich ihrer Freundschaft.
Sie trafen sich auf einer Waldlichtung, wo sie schon als Kinder gespielt hatten, und jede brachte, ohne dass sie es abgesprochen hatten, die Schachtel mit ihrem Kranz mit. Die Verwirrung über die eigene Entwicklung ließ schnell altes Vertrauen zwischen den Mädchen aufleben. Nie vorher hatten sie sich so ernsthaft über ihre Ängste, Sorgen und Nöte ausgetauscht. So wie sie das Gute in ihrem neuen Wesen erkannten, wurden ihnen auch die Fallstricke bewußter. Zwar sehnten sie sich nicht zurück nach Unsicherheit und Argwohn, doch fühlten sie, dass ihre innere Harmonie aus dem Gleichgewicht geraten war.
Die Drei öffneten ihre Schachteln mit den Kränzen und betrachteten versonnen jene Geflechte, die ihrem Wesen eine Wendung beschert hatten. Was mochte geschehen, wenn sie sie einfach wegwarfen, zertraten? Doch dann sahen sie sich an und wie ein buntes Band umflatterte ein Gedanke ihre Seelen.
Mit flinken Fingern entflochten die Mädchen die Kränze, die auf wundersame Weise immer noch frisch und grün waren. Dann gestalteten sie aus Blüten und Blättern drei neue, vollkommen gleiche Kränze. Gespannt, doch voller Überzeugung, setzten sie die Gebilde auf ihr Haar und fühlten sogleich voller Freude, wie das Gleichgewicht aus Gefühlen und Verstand in ihnen wuchs. Besonnene Vorsicht verband sich mit sorgloser Lebensfreude. Der Geist tanzte mir dem Herzen eine frohen Reigen. Und am nächsten Tag sah der alte Mann im Blumenladen drei muntere Freundinnen an seinem Geschäft vorüberziehen, die ihm glücklich zuwinkten.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.04.2011.
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