Diethelm Reiner Kaminski

Ohne Eile



Lana war nun schon Ende dreißig, und noch immer hatte kein Mann sie gefunden. Lana legte Wert auf die richtige Richtung. Auf keinen Fall hätte sie gesagt, dass sie keinen Mann gefunden habe. Da war sie altmodisch und schob alles Versagen weit von sich und schrieb es allein den von Blindheit geschlagenen Männern zu. Sie hätten doch längst erkennen müssen, was für einen Schatz an Liebreiz und Weiblichkeit, Klugheit und Häuslichkeit es zu heben galt. Lana wollte sich nicht verschenken, sondern lange belagert, umworben und nach allen Regeln der Kunst erobert werden. Doch die wahren Ritter waren längst ausgestorben, es gab nur noch Raubritter, die schnell und mühelos Beute machen wollten.
Allerdings gab es da noch zwei weitere Gründe, die Männer eventuell daran hinderten, länger als ein halbstündiges Kennenlerngespräch lang bei Lana zu verweilen. Sie hatte zwei Töchter  von dreizehn und fünfzehn aus zwei hoffnungsfrohen, aber dann leider doch restlos enttäuschenden Beziehungen. Beide Freunde hatten sich aus dem Staub gemacht, nachdem sie erfahren hatten, dass Lana schwanger war. Sie zahlten nicht einmal Unterhalt, weil nicht zu ermitteln war, wo sie untergetaucht waren. Und Lana war ja auch stolz darauf, Iska und Delia aus eigener Kraft durchzubringen, obwohl sie seit Delias Geburt  arbeitslos war, worüber sie, wie sie sich eingestehen musste, auch nicht sonderlich traurig war, konnte sie sich ihren Töchtern doch so widmen, wie sie selbst es sich immer von ihren Eltern gewünscht hatte. Die intensive Erziehung hatte aber zur Folge, dass Lana die meiste Zeit im Haushalt statt in Kneipen oder Diskos zubrachte, an den klassischen Flirt- und Kennenlernorten. Doch Lana redete sich ein, wer wirklich Interesse an ihr hätte, würde sie schon finden, allen Widerständen zum Trotz.
Was es für einen potenziellen Lebensgefährten nicht eben leichter machte, war die uneingestandene Tatsache, dass er nicht nur Lana, sondern ebenso Delia und Iska von seinen unübertrefflichen Qualitäten überzeugen musste. Die drei hatten aber, was die Situation noch erschwerte, überaus unterschiedliche Vorstellungen von einem idealen Mann und Vater. Iska suchte vor allem eine flinke Hausaufgabenhilfe, Delia sich einen rund um die Uhr zur Verfügung haltenden Chauffeur mit  einem Auto, mit dem sie Eindruck schinden konnte bei ihren Klassenkameraden. Das Aussehen war ohnehin nicht verhandelbar. Der Mann, den Iska und Delia hätten akzeptieren können, hätte eine Mischung aus Robert Redford und Bruce Willis sein müssen.
Ein weiteres Jahr verging, ohne dass sich etwas an den Ansprüchen und hohen Erwartungen der Drei das Geringste geändert hätte. An der unbefriedigenden Lebenssituation allerdings auch nicht.
Dann aber, wie aus heiterem Himmel, kam Bewegung  in Lanas ruhig dahinplätscherndes Leben. Bewegung war ein Euphemismus. Heftige Turbulenzen brachen in ihr Leben herein.
Erst meldete sich Nathan, Delias Vater, telefonisch, entschuldigte sich überschwänglich für sein unverantwortliches Verhalten und bat inständig um ein Treffen. Lana war so schockiert, als habe eine Stimme aus dem Jenseits zu ihr gesprochen. Vor Schreck legte sie auf.
Doch Nathan blieb hartnäckig. Beim vierten Versuch gab Lana nach und verabredete sich für den nächsten Tag mit ihm in einem Café.
Eben an dem Tag, als hätten die beiden sich abgesprochen, rief Rex, Iskas Vater, an, voller Reue für seine Untreue und seine feige und schäbige Flucht. Er habe lange gebraucht, um zu Verstand zu kommen, viel zu lange, er sei damals noch ganz unreif gewesen, aber nun sei er so weit, seine Fehler zu korrigieren und Wiedergutmachung zu leisten.
Lana ließ sich schließlich dazu überreden, sich auch mit ihm, allerdings einen Tag später, in einem Café zu verabreden.
Beide, Nathan wie Rex, hatten es zu etwas gebracht. Nathan zu einer eigenen Firma für Autozubehör, Rex war erfolgreicher Anwalt für EU-Recht geworden. Nur zu einer Ehefrau oder gar einer eigenen Familie hatten beide es nicht gebracht, so sehr waren sie mit der eigenen Karriere beschäftigt gewesen. Nun stellte sich Bedauern ein über ihr vermeintlich verpasstes Glück. Beide boten, ohne dass Lana danach hätte fragen müssen, die nachträgliche und zukünftige Zahlung des Unterhalts für Delia bzw. Iskia an, und ließen durchblicken, dass sie einer Wiederaufnahme der früheren Beziehung nicht abgeneigt wären, auch die zweite nichtleibliche Tochter würden sie in Kauf nehmen.
Lana ließ im Gegenzug durchblicken, dass sie das unerwartete Angebot sorgfältig prüfen wolle, mit einer raschen Entscheidung aber nicht zu rechnen sei. Zu lange hätten sie sich vor ihren väterlichen Pflichten gedrückt. Sie würde ihnen aber, wenn sie vor kleinen Anstrengungen nicht zurückschreckten, Gelegenheit geben, das verlorene Vertrauen allmählich zurückzugewinnen. Und sie seien ja auch Fremde für die Mädchen und müssten ihnen die Chance einräumen, sich an den unbekannten Vater, ja, überhaupt an den Umstand, wieder einen leibhaftigen Vater zu haben,  zu gewöhnen.
Geschickt im Organisieren war  Lana schon immer gewesen. Wie hätte sie auch sonst ihr Leben als alleinerziehende Mutter zweier Töchter in den Griff bekommen?
Während Nathan Iskia und Delia Vokabeln abfragte, den behandelten Stoff der versetzungsrelevanten Fächer wiederholte, worauf er sich gründlich vorbereiten musste, und den Mädchen bei den Hausaufgaben zur Hand ging, holte Lana bei Rex nach, was sie in unerträglich langen männerlosen Jahren versäumt hatte. Jede Woche war Stabwechsel. Dann kümmerte sich Rex geradezu rührend um die schulischen Probleme der Mädchen und kutschierte sie in seinem Sportwagen in der Gegend herum, während Lana Nathan besuchte, um seine Ehemanntauglichkeit gründlich zu überprüfen. Nathan wusste von Rex, und Rex wusste von Nathan nichts. Und das war gut so. Iskia und Delia hatten schnell begriffen, wie sehr sie von Nathan und Rex profitierten und wahrten deshalb Stillschweigen über den jeweiligen Nebenbuhler .
Immer wenn Nathan und Rex nachfragten, ob sie das verloren gegangene Vertrauen schon zurückgewonnen hätten, wich Lana aus und sagte: „So schnell sind fast anderthalb Jahrzehnte nicht wiedergutzumachen. Noch hast du mich nicht restlos überzeugt.“
In ihrem ganzen Leben war es Lana und ihren Töchtern noch nicht so gut gegangen. Zwei um ihre Gunst und ihr Verzeihen wetteifernde Männer, zwei zufriedene Töchter ohne Schulsorgen, und nicht zu vergessen die finanzielle Unabhängigkeit … Warum hätte sie an diesem Zustand etwas ändern sollen? Eine Entscheidung für Nathan oder Rex würde den einen der beiden unweigerlich für immer vertreiben. Wo sie sich doch gerade wieder an beide gewöhnt hatte und keinen von ihnen mehr missen mochte. Das lange Warten hatte sich doppelt ausgezahlt.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.04.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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