Andreas Rüdig

Ordo Ecce Hominem

 

Die Thule - Gesellschaft wurde 1918 von Rudolf von Sebottendorf gegründet. Die antisemitische Geheimgesellschaft war eine Dachorganisation alldeutscher, vaterländischer und völkischer Verbände. Der Gründungsort? Er heißt München. Sebottendorf hatte zuvor den Germanenorden geführt, in dem viele kleinere Gruppierungen vereinigt waren. Die Gesellschaft wollte einflußreiche Männer als Mitglieder gewinnen, so politschen Einfluß gewinnen und so rassistische Propaganda verbreiten. Ihr Emblem zeigte das Hakenkreuz mit einem Strahlenkranz hinter einem senkrecht stehenden Schwert. Inhaltlich wurde die Gesellschaft von der politischen Wirklichkeit überholt, so daß sie 1937 problemlos verboten werden konnte.

Ich würde Ihnen hier gerne eine Geschichte erzählen. Meine Geschichte, um genau zu sein. Aber ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Ich möchte schließlich nicht in einem schlechten Licht erscheinen. Und ich möchte Sie, liebe Leser, auch nicht über Gebühr erschrecken. Also fang ich jetzt mal ganz vorsichtig an.

Ich bin Männerrechtler. Ein überzeugter Männerrechtler sogar. Wir Herren der Schöpfung müssen aus der Knute des Feminismus befreit werden. Der Feminismus demütigt uns. Er erniedrigt uns. Er zwingt uns zu Zugeständnissen, die unter unserer Würde sind. Schlimm daran: Wie der Artikel "der" schon andeutet, ist der Feminismus keine Erfindung der Frauen; dann würde er nämlich richtigerweise "die Feminismus" heißen. Der Feminismus ist eine Erfindung von Männern, von überzeugten Frauenrechtlern, die der Ansicht sind, daß Frauen auch Rechte haben. Diese Teufelszeuglinge übersehen dabei, daß die Pflicht, die unterstützende Arbeit für den Mann, die weibliche Hingabe und Liebe die vornehmste Aufgabe der Frau ist. Ohne diese Elemente wäre die Frau ein blasses, unscheinbares Wesen, das hilflos durch die Welt irrt und nicht weiß, was es tun soll.

Ich spreche da aus Erfahrung. Meine Frau mein, emanzipiert zu sein. Sie behauptet,  selbstbewußt und vor allem: gleichberechtigt zu sein. "Gib mir die Fernbedienung," fordert sie beispielsweise regelmäßig, und das selbst dann, wenn die Sportschau läuft. Auf meine bitterbösen Blicke reagiert sie nicht. Irgendwelche blöden Arztpraxen-Fernsehserien sind ihr wesentlich lieber als das hochdramatische Geschehen auf dem Fußballplatz. Obsiege ich, hängt prompt der Haussegen schief. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. An diesem Zustand muß sich etwas ändern.

Um einen falschen Eindruck zu vermeiden: Mir geht es darum, einen Männergeheimbund zu gründen. Wir wollen im Geheimen, Verborgenen und hinter den Kulissen für die Emanzipation der Männer aus der Knechtschaft der Frau eintreten. Mit obskuren politischen, okkulten oder sonstigem Gedankengut wollen wir nichts zu tun haben. Wir distanzieren uns ausdrücklich davon.

Jesus war schwul. Das ist eindeutig erwiesen und bewiesen. Nehmen Sie nur die Bibel als Beispiel. Dort tritt er zwar für die Rechte von Frauen ein. Die Bibel berichtet aber an keine Stelle darüber, daß er eine Freundin, Frau  und gar Kinder hatte. Auch von sexuellen Erfahrungen wird dort nicht berichtet. Oder doch? Ist die Bibel eine Fälschung? Gab es in der Anfangszeit des Christentums möglicherweise Evangelien, die genau darüber berichteten? Sind sie eventuell im Laufe der Kirchengeschichte aus der Heiligen Schrift herausgeschrieben worden?

Hier eröffnet sich ein interessantes Forschungsgebiet. Grund genug, den "Ordo eccce hominem" (auf deutsch: "Kirchliche Vereinigung siehe den Mann!") zu gründen. In ihr sollen möglichst alle männerbewegten Verbände, Vätervereinigungen, Homo-Gruppen, antifeministische Zusammenschlüsse und interessierte Einzelpersonen zusammengeschlossen sein.

Wir treffen uns regelmäßig bei mir im Heimwerkerkeller. Da mein mir angetrautes Weib handwerklich ungeschickt ist, ist dies der einzige weiberfreie Raum. Jeder von uns trägt eine schneeweiße Kutte. Die Anfänger, die Nochnichteingeweihten, tragen eine Ledermaske, die den ganzen Kopf umhüllt und nur Augen, Nase und Mund freiläßt.

Die Wissenden tragen eine kegelförmige weiße Kopfbedeckung, die vom Gesicht nur die Augen freiläßt. "Omni pro hominem" ( = "Alles für den Mann!") lautet unser Wahlspruch. Unser Enblem zeigt ein leuchtendes Abzeichen der Männer (Kreis mit Pfeil nach oben rechts in Gold) vor einem zerberstenden weiblichen Spiegel in schwarz.


Sag mal, Solarius, hat unsere Eingabe an das Stadtparlament gefruchtet?

Ja, aber anders als wir gedacht haben.

Stimmt. Wir bekommen keinen Männerbeauftragten.

Und warum nicht? Hat sich unser Stadtoberhaupt dazu geäußert?

Ja; er hat Angst vor den wildgewordenen Emanzen in der Stadtverwaltung. Der Mann hat offensichtlich Angst, daß die Weiber ihm auf die Pelle rücken, ihn beschimpfen, mit Eiern bewerfen, ohrfeigen und schlimmes mit ihm veranstalten...

                                                                                                                                                    ...diese Memme....
                                                                                                                                                                                genau. Offiziell wird es natürlich anders begründet. Der Personalbedarf sie mehr als eng beschnitten, heißt es in dem Ablehnungsbescheid. Die Stadt könne sich aus finanziellen Gründen keinen Männerbeauftragten leisten. Außerdem sei zu befürchten, daß die weiblichen Mitarbeiter - unser aller Oberbürgermeister nennt sie doch tatsächlich Mitarbeiterinnen! Welche Dreistigkeit! Welche Unverschämtheit! - Dienst nach Vorschrift machen, wenn nicht gar scharenweise den kommunalen Dienst verlassen.

Aber wäre nicht genau das in unserem Sinne? Weiber gehören doch an den heimischen Herd!?

Richtig. Der Oberbürgermeister sieht das aber anders. Er behauptet, er könne nicht auf "das Fachwissen, die Handlungskompetenz, den Arbeitseifer und das Engagement der Mitarbeiterinnen" verzichten.

So ein Lümmel! So ein Flegel! Was werden wir jetzt machen?


Aufruf!

Männe aller Ämter! Vereinigt euch! Kämpft um eure Rechte! Keine Weiber als Chefs! Keine Frauen als Vorgesetzte! Wehret den Anfängen! Kämpft um euren Aufstieg! Kämpft um bessere Bezahlung! Die Stadtverwaltung ist unser!

Ordo ecce hominem



Es ist zum Verzweifeln. Unser Aufruf an den männlichen Teil der Stadtverwaltung warein sprichwörtlicher Schuß in den Ofen. Viele Männer haben ihn befolgt. Sie wollten den beruflichen Aufstieg schaffen, Karriere machen und mehr Geld verdienen. Also haben sich die Männer Mühe gegeben, mehr, länger, härter und besser gearbeitet. Und was ist passiert? Die Frauen sind an ihnen (beruflich) vorbeigezogen und sind in Führungspersonen gelangt. Uns Männer hat es nichts gebracht, daß wir die Arbeit der Stadtverwaltung qualitativ verbesserten. Es festigte eher noch die Weiberherrschaft. Die Damen der Nicht-Schöpfung konnten die Füße hochlegen und behaupten, sie hätten doch alles richtig gemacht!



Chef!

Ja?

Wir müssen was unternehmen!

So? Und was?

Siehst du den Herren-Vergnügungssalon da drüben?

Ja, ich sehe ihn. Und?

Wir errichten eine Mahnwache davor.

Eine Mahnwache? Was soll das denn bringen?

Wir zünden Kerzen rund um das Gebäude an. Wir postieren Fackelträger vor der Haustüre. WIr informieren über die Gefahrene, die dort lauern.

Gefahren? Was für Gefahren denn?

Du willst ein Beispiel wissen? Bitte sehr, das kannst du haben: Herzinfarkt und Gehirnschlag beim übermäßigen Liebesspiel...



Die Aktion war aus einem ganz anderen Grunde ein Schlag ins Wasser. Die Beschützer der Liebesdienerinnen kamen nämlich an und verprügelten uns ganz heftig. Wir würden ihre Geschäfte stören, behaupteten sie. Wie hat es Geronimo gesagt? "Wehe unseren Freudennuckeln!"

Was interessiert den echten Mann? Er schraubt gerne an seinem Auto. Er interessiert sich für Fußball. Er trinkt gerne Bier. Und wenn er abends zu Bett geht, hat er gerne eine lebende Wärmflasche namens Frau.

Was haßt der Mann? Auch diese Frage läßt sich leicht beantworten. Der echte, wahre Mann haßt Kosmetik aller Art. Hausarbeit ist ihm ein Greuel. Mit Töchtern kann er wenig anfangen - mit Söhnen kann man wenigstens Fußball spielen.

Doch wie bringt man dem Mann diese Themen nahe? Genau: Hodet heißt der Fernsehkanal nur für den Mann. Hodet ist ein Kunstwort. Es besteht aus den lateinischen Worten Homo videt = der Mann sieht (fern).

Was zeigen wir? Unsere Heimwerkersendungen zeigen, wie man zu Hause kleinere und größere Reparaturen durchführt, gärtnert und Autos repariert. Natürlich gibt es auch Fachsendungen über Motorräder, LKW`s, Fahrräder und was es sonst noch an Fortbewegungsmitteln gibt.

Der Samstagnachmittag gehört selbstverständlich dem Fußball. Können wir nicht direkt aus dem Stadion berichten, gibt es Hintergrundberichte. Wir haben uns schon selbst an so exotischen Themen wie die Fußball-Nationalmannschaft der Vatikanstadt oder die Weltmeisterschaft der Nicht-FIFA-Mitglieder (beispielsweise dem Vatikan, der Sahara, Gibraltar oder dem Souveränen Malteser-Orden) herangewagt.

Wir befragten natürlich auch unsere Zuschauer, welche Art von Spielfilmen sie gerne sehen würden. "Actionfilme!" sagten viele. "Western," antworteten wieder andere. "Polizeifilme / Detektivfilme," kam auch häufiger vor. Wir zeigen sie insbesondere am Abend zu männerfreundlichen Zeiten.

Wir seien eine kirchliche Männergemeinschaft, erwidern Sie? Was habe das alles mit christlichem Gedankengut zu tun, wollen Sie wissen? "Sehr viel," kann ich da nur antworten. An keiner Stelle in der Bibel steht, daß der Mann dem Weibchen untertan sein soll. Schlimmstenfalls sind wir gleichberechtigt. Jesus war der Heilsbringer - der Mann, nicht die Frau! Es war doch eher so, daß sich insbesondere die Frauen hilfesuchend an den Mann gewandt haben und seinen Tod betrauerten.

"Seid fruchtbar" heißt es in der Bibel. Kinder kriegen (wer kann) ist also eine heilige Pflicht. Doch damit ist nicht Rammeln um jeden Preis gemeint. Sex muß Spaß machen und doch auch gesund sein. Einige Brüder unseres gar nicht so prüfen Ordens sind damit beschäftigt, männerkundliche Filme zu produzieren. Selbstredend sind auch natürlich auch gelegentlich nackte Frauen zu sehen.

Inhaltlich geht es aber um andere Themen. Wie ist der menschlich-männliche Körper in der Hüftgegend aufgebaut? Welcher Teil ist für welche Funktion zuständig? Wie funktioniert unser Freudenspender? Was meinen Sie, wieviel Männer sich heimlich diese Aufklärungsfilme anschaut hatten und so erst erfuhren, wie sie an ihre Kinder gekommen sind? Die dachten wirklich noch, der Klapperstorch hätte sie gebracht.

Die Brüder Gerobald und Yohann Xaverius drenen einen ganz verwegenen Film. Sie haben nämlich herausgefunden, daß es in der sexualkundlichen Literatur Bücher gibt, die beschreiben, mit welchen Stellungen man(n) seinen Sexualtrieb ausleben kann. Lecken, rubbeln, reiben - es scheint viele Möglichkeiten zu geben. Ich werde mir das fertige Produkt mal anschauen. Gibt es wirklich noch etwas anderes als die Missionarsstellung?

Was das alles mit unserem Kampf gegen den Feminismus zu tun hat? Sehr viel. Wir geben den Männern ihre Würde zurück. Sie erlangen so ein größeres und stärkeres Maß an Selbstbewußtsein und Eigenständigkeit. Natürlich haben sich einige Waschlappen von Männern nicht getraut, sich gegen ihre Hausdrachen aufzulehnen. Aber daran werden wir noch arbeiten...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 18.04.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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