Daniela Hoppaus

Die Quelle

Eines Morgens, als der Portier durch die noch dunklen Gänge schlurfte, geschah es, dass eine Maus sich ihren Morgenkaffee in Form einer Bohne, die aus dem Automaten gefallen war, genehmigte.
Der Portier kam erst nach ihr zum Automaten und stellte fest, dass dieser nicht funktionierte. Nachdem er alle Kabel überprüft und auch den Füllstand der einzelnen Behälter kontrolliert hatte, bei der Gelegenheit entnahm er auch das Kleingeld, funktionierte der Automat immer noch nicht. Noch bevor er den Techniker erreichen konnte, trafen die ersten Mitarbeiter ein.
Wie jeden Morgen bildete sich sogleich eine Schlange vor dem Automaten. Die ersten Beschwerden wurden laut, als der Automat weder auf Geld noch auf Tritte hin zu bewegen war, auch nur einen Becher zu füllen.
Der Portier beschwichtigte die Mitarbeiter, der Techniker käme im Laufe des Tages, um sich das Gerät anzusehen.
Grummelnd machten sich die Mitarbeiter an die Arbeit.
Es dauerte nicht lange, bis sich der Kaffeeentzug bemerkbar machte. Als erstes traf es Frau Müller. Noch während sie am Kopierer stand und auf ihre Kopien wartete, knallte ihr Kopf auf das Gerät. Sie hatte nicht mal Zeit, in die Knie zu gehen, um den Knall abzufedern, so schnell war sie eingeschlafen.
Der nächste, den es erwischte, war Herr Kurz. Sein Kopf sackte auf die Tastatur seines Rechners. Auf dem Bildschirm erschien fast gleichzeitig das Wort "maaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa…"
Der Portier wurde schließlich auch vom Entzug übermannt, selig schlummerte er im letzten Raum, den er hatte aufsperren müssen, auf einem Sessel.
Es war noch nicht mal Mittag, als ihm ganzen Haus tiefe Stille eingekehrt war, unterbrochen nur von der Tastatur des Herrn Kurz, die nach vielen weiteren a's beschlossen hatte, überfordert zu piepsen. Und dem gelegentlichen "FFFFt" des Kopierers, der lauter Blätter mit Frau Müllers Gesicht auswarf.
In der Stille der Mittagspause ertönte plötzlich ein versuchsweises "Hallo? Ist jemand da?" Zaghaft steckte der Techniker seine Nase zur Tür rein. Ihm bot sich ein seltsamer Anblick. Der Blätterhaufen, den der Kopierer ausspuckte, verdeckte Frau Müller mittlerweile fast ganz.
Schulterzuckend ging der Techniker zum Kaffeeautomaten, öffnete ihn und fand hinter dem Behälter mit den Kaffeebohnen … die Maus. Sie zuckte und zitterte und starrte mit großen Augen umher. Mehrere angeknabberte Kaffeebohnen lagen um sie herum. Vorsichtig nahm er das arme Tier und setzte es auf den Boden. Fast sofort war die Maus in ihrem Loch verschwunden. Der Techniker zuckte wieder mit den Schultern und schloss den Draht, den die Maus gelöst haben musste, wieder an. Kaum hatte er den Automaten wieder geschlossen und den ersten Testlauf gestartet, als sich die ersten Mitarbeiter zu regen begannen.
Herr Kurz schlüpfte verschlafen herein. "Es riecht nach Kaffee…", sagte er und warf mit großer Anstrengung eine Münze in den Automaten. Als er seinen Becher in der Hand hatte, erwachte auch Frau Müller, vom Kaffeeduft beflügelt, und wühlte sich aus dem Papier. "KAFFEEEEEE !" Der Ruf hallte durch alle Büros und ereilte schließlich auch den Portier, der verschlafen aus dem letzten Raum kam, den er hatte aufsperren müssen.
Ihm begegneten bereits viele fröhlich wirkende Mitarbeiter, Frau Müller tanzte an ihm vorbei, den Kaffeebecher schwenkend, als wäre er eine Weihrauchschale.
Der Portier bezahlte müde den Techniker für die Arbeit, der ihm dafür einen Gratiskaffee in die Hand drückte. "Bis zum nächsten Mal.", meinte der Techniker, als er das Büro verließ. Er ließ fröhliche Mitarbeiter und einen glückseligen Portier hinter sich zurück.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.04.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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