Rüdiger Nazar

Fühlte mich wie ein Neandetaler

Endlich waren wir in Italien angekommen. Ein wunderschöner Ort mit Namen Malcesine
empfing uns in brütender Hitze.
Das Haus ...welches wir bewohnen sollten...lag auf einem Berg.
Eine Gartenkundin von mir...überließ sie uns für drei bis vier Wochen...kostenlos.
Na ja...was heißt kostenlos ? Ich versprach...das ganze Haus von innen neu zu streichen...
sämtliche Wände weiß rollen...und die Türen und Fenster von innen und außen ebenfalls.
Mit wir meine ich meine  damalige Lebensgefährtin und ich.
Sie kam gerade frisch operiert aus dem Krankenhaus und ich wollte ihr mit dem Urlaub eine
kleine Freude machen...sie sollte sich mal richtig entspannen.
Täglich strich ich ein Zimmer...komplett mit Türen und Fenster...war schon eine Schinderei bei diesem Wetter.
Wenn wir auf der Terasse saßen...hatten wir einen traumhaften Blick auf den Gardasee.
Eines Tages nach getaner Arbeit...wollte ich mal ein bischen die Umgebung  kennenlernen.
Die Stadt Malcesine kannten wir nun zu Genüge.
Gehst du mit fragte ich meine Lebensgefährtin ? Aber ich wußte das sie viel ruhen mußte und deshalb ...nein sagte.
Die Tour wäre auch viel zu anstrengend für sie gewesen.
Ich wollte den Monte Baldo erklimmen...ein Berg  der sich weit über Malcesine erstreckt.
Ich packte  meine Umhängetasche...Messer und einige kleinere Utensilien...die man so braucht...oder auch nicht...ich jedenfalls wohl.
Der Weg begann auf einer schmalen Strasse bergauf. Es fuhr auch eine Seilbahn nach oben...aber das hätte mir den Spaß genommen.
Also trottete ich los...schweißgebadet...das T-Shirt klebte am Körper. Eine atemberaubend schöne Gegend. Überall blaugrüne Zypressen...Olivenbäume und Kakteen.
Ein Kaktus stand in voller Blüte...gelb...und er hatte schon einige Fruchtdolden am Blatt.
Davon pflückte ich einige um sie zu trocknen und zuhause in Deutschland einzupflanzen.
Ein Geschwirr an Schmetterlingen erfüllte die Luft...sowie Zirkaden. Hellblaue...Zitronenfalter...Schwalbenschwänze...Pfauenaugen...und Schachbrettchen in Hülle und Fülle. Eine Wohltat für`s Auge und für die Seele.
Überall` huschten Mauereidechsen herum...die sich auf Felsen sonnten.
Die Strasse endete....ein kleiner Sandweg begann sich langsam nach oben zu schlängeln.
Ein Stock mußte her. Also suchte ich im Unterholz danach...fand den passenden und schnitt ihn mit meiner Klappzugsäge ab...die ich immer dabei habe...außer wenn ich tanzen gehe...grins...! Der Weg war beschwerlich...ließ sich dennoch verhältnismäßig gut gehen.
Ich hatte feste Wanderschuhe an und dicke Socken...trotz der Hitze...und aus gutem Grund. Ein Pärchen im mittleren Alter kam mir bergab entgegen. Hallo...sprechen sie vielleicht deutsch fragte mich die Frau. Ja sagte ich...ich glaube schon. Sie wollten den Weg nach Riva wissen. Oh sagte ich...das sind aber noch einige Kilometer...erklärte ihnen den Weg...und als sie gehen wollten sagte ich...sie sind aber sehr leichtsinnig hier in offenen Sandalen im Wald herumzulaufen. Die Frau sah mich verdutzt an. Wieso ?
Ich konnte mir eine Schadenfreude nicht verkneifen als ich sagte...hier gibt es Schlangen und Skorpione. Die Frau wurde weiß im Gesicht. Nein ? Doch sagte ich...und nicht zu wenige. Ist halb so schlimm sagte ihr Mann...wir bleiben ja auf dem Wege. Ist auch besser so sagte ich. Sie gingen weiter ihres Weges. Ich hatte die halbe Strecke schon hinter mir...der Gipfel schien noch sehr weit. Aber es war so langweilig auf den ausgetretenen Pfaden zu gehen. Also beschloss ich quer  durch den Wald zu gehen...den Weg zu verlassen.
Es war sehr mühsam sich durch den Wald zu bewegen...der angehäuft mit trockenem Laub vom letzten Herbst war. Aber es machte Spaß...es war ein kleines Abenteuer.
Mit meinem 1,80 Meter langen Stab stocherte ich bei jedem Schritt im Laub vor mir...man konnte ja nie wissen...was sich darunter verbarg. Und richtig...es schreckte eine Schlange auf...die mich giftig anzischte. Hatte sie wohl in der Ruhepause gestört.
Ich ging einen Schritt nach hinten und verhielt mich ruhig. Nicht sie war der Störenfried...
sondern ich...es war ihr Reich...ihr Revier.
Zwanzig Zentimeter ihres Oberkörpers stellte sich auf...die Zunge züngelte...ihre kleinen schwarzen Knopfaugen sahen mich an...so glaubte ich jedenfalls.
Dann drehte sie sich mit einem  Ruck um...und suchte das Weite. Ich sah nur noch ...wo trockene Blätter sich bewegten. Uff...hatte ich Glück. Wenn ich darauf getreten hätte ?
Nun war ich noch wachsamer...achtete  auf  jede kleine Bewegung.
Eine Felsformation erweckte mein Interesse...aber sie war noch weit oben. Also steigen ...quer durch das Blätterreich...über umgefallene Baumstämme...Brombeersträucher und sonst noch allerlei Dornengestrüpp.
Als ich dort ankam...hatte sich die Mühe wirklich gelohnt. Es waren Höhlen...drei Stück an der Zahl. Die erste war nicht begehbar...nur auf dem Bauch konnte man einige Meter voran.
Ich kroch hinein. Der Boden war lehmig...ein kleines Rinnsal lief heraus.
Und meine Phantasie ging mit mir durch. Steinzeithöhle ?  Nein...dafür war sie nicht groß genug. Die zweite Höhle war wesentlich größer. Man konnte stehen...der Raum...war cirka
zehn mal zehn Meter groß. Was ein Traum. In den Wänden waren kleine Nischen. Ich glaube nicht daß sie natürlichen Ursprung`s waren. Instinktiv suchte ich die Wände ab.
Wonach eigentlich. Na ja...vielleicht nach eingeritzte Bilder oder so !
Ich suchte jeden Winkel ab...den ganzen Boden...nichts. Naja...konnte ja auch nicht.
Wenn es eine Höhle aus dem Neolithikum war...war sie bekannt...und daher auch wohl leergeräumt...von Archäologen und Höhlenforschern.
Die dritte Höhle hatte die gleichen Ausmaße...nur war der Grundriss eher langgezogen.
Ganz hinten in dem Raum war es stockfinster. Ich hatte schon ein komisches Gefühl im Magen.
Aber was sollte sich da schon verbergen. Ich fand die Antwort. Etliche leere Flaschen Rotwein...jede Menge Zivilisationsmüll...!
Vor der Höhle ragte ein mittlerer Felsen empor. Ich ging in die Hocke und verharrte ...und lauschte...es war atemberaubend schön und geheimnisvoll.
Ich saß da...mit meinen Stock an der Seite...wie ein Neandertaler auf Beobachtungsposten.
Ich träumte dahin...das war meine Welt...Forscherdrang.
Dann gab es ein furchtbares Geräusch.
Ich sah einen Säbelzahntiger durch`s Unterholz schleichen...er hatte Beute entdeckt...
hoffentlich nicht mich.  In der Luft kreisten Flugsaurier...an einem Stamm hing ein
Archäopterix....der nach kleineren Insekten Ausschau hielt....Dimetrodon drückte kleine Stämme zur Seite... Meine Nerven waren gespannt wie die Saiten einer Geige.
Ach war das ein schöner Traum...eine schöne und spannende Vorstellung.
So mußten sich wohl die Urmenschen gefühlt haben.
Aber nun wurde es Zeit den Heimweg anzutreten. Ich stützte mich an dem Felsen und sah so beiläufig auf meine Hand. So cirka fünf Zentimeter neben ihr...saß ein großer schwarzer Skorpion. Ich traute mich garnicht...meine Hand zu bewegen.
Blitzartig zog ich sie weg...und der Skorpion...sichtlich erschrocken durch diese ruckartige Bewegung...suchte das Weite.
Der Weg bergab war leichter. Es war ein schönes Erlebnis...der Abend dämmerte...und die Sonne stand rotglühend am Himmel.
Als ich das Haus erreichte...sagte meine Lebensgefährtin...sieh mal da...was ich hier habe.
Den habe ich mit nackten Füßen zertreten. Ich sah einen kleinen roten Skorpion...der nun wohl etwas platt war. Oh mein Gott...mit den nackten Füßen schoss es mir durch den Kopf. Da hast du ja noch mal richtig Glück gehabt.
Es war ein gelungener Tag.


                                                                                                           Rüdiger Nazar
                                                                                                      melvin6@gmx.de
                                                                                                            06.Mai 2011


Ich kaufte mir ein Buch über die Geschichte von Malcesine und Umgebung...und siehe da...es waren wohl Höhlen aus dem Neolithikum...der Jungsteinzeit...aber leider...und natürlich...schon längst erforscht. Man fand dort einige Artefacte aus dieser Zeit...wie Tonscherben...Pfeilspitzen...Feuersteinschaber...ein Steinbeil...das leider beschädigt war...und eine Menge an Knochen von tierischen Mahlzeiten. Ich nahm mir ein Stück Felsgestein aus dieser Höhle als Andenken mit....ein Stück Geschichte vom Monte Baldo...





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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.05.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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