Hella Schümann

Liebens-Wert

Ich kann dich nicht lieben, aber ich habe dich sehr gern...
Jasmin war stumm, was sollte sie auch dazu sagen? Zwei Ehen waren gescheitert, in der ersten war sie nur Haushälterin, Kinderbetreuerin und eheliche Pflichten Erfüllerin. Ansonsten stand sie in der Ecke wie ein alter Regenschirm. Ach ja, sie taugte auch zum Vorzeigen, denn sie war hübsch und immer geschmackvoll angezogen.
Doch eins gefiel den Männern nicht, ihre Intelligenz, aber das konnte man schnell ändern.  
So wurde sie runter gemacht, ignoriert und missachtet.
Die zweite Ehe sah ganz anders aus, hier war sie Finanzminister, Haushälterin und Cotrinkerin. Wie in der ersten Ehe hielt sie 15 Jahre durch, aber im Gegensatz dazu, wo sie sich am Ende das Leben nehmen wollte, weil sie eh nicht mehr vorhanden war, für niemanden, ging sie diesmal einfach.
Als dann der dritte Mann vor der Tür stand und wie alle anderen anfing, sie herunter zu machen, sie zu ignorieren und zu missachten, war für sie der Punkt gekommen, mal ihr Leben zu überdenken.
War sie nicht nur Opfer, war sie auch Täter? Nun, sie hatte sich immer gewehrt, war sie zu leise, nicht nachdrücklich genug? Sie wurde einfach überhört.
Als dann ihr Vater mit 93 Jahren starb fiel eine große Last von ihr ab, denn er war es gewesen, der parallel zu ihren Männern sie klein machte, sie ignorierte und missachtete, ja sogar misshandelte. (Auch von ihrer Mutter wurde sie misshandelt, missachtet, ignoriert)
Das heißt also, das was ihr Vater ein Leben lang mit ihr gemacht hatte, wiederholte sich in jeder Beziehung. Einmal muss doch Schluss damit sein, dachte Jasmin, doch wie fängt man es an? Bei ihrer dritten Beziehung, dem Mann ohne Liebe, hatte sie gleich am Anfang klar zu machen versucht, dass sie sich ein paar Sachen nicht gefallen lassen wollte. Jens war im Gegensatz zu den anderen Männern intelligent und das einzig schöne an der Beziehung waren die langen Gespräche. Sie merkte gar nicht, was er so mit ihr machte. Selbst als sie sagte: "Wenn du mich klein machst bin ich weg“, wusste sie nicht, dass er es schon längst tat. Sie kannte es ja nicht anders.
Die Jahre vergingen, sie wurde immer älter, die Zeit rannte ihr davon, denn obwohl sie immer noch gut aussah, es wollte sie kaum noch jemand. Nach einer Psychotherapie wurden die Männer für sie wie ein aufgeschlagenes Buch. Schon nach dem ersten Treffen wusste sie, mit wem sie es zu tun hatte.
Sollte es für sie in ihrem ganzen Leben keine Liebe geben? Bin ich nicht liebens-wert fragte sie sich manchmal. Es gab noch zwei Menschen, die mit ihr schlecht umgingen, die sie ignorierten und übersahen: Ihre Tochter, die eine Behauptung in die Welt gesetzt hatte und wegen der Jasmin dachte, sie hätte Schuld daran. Sie litt jahrelang darunter, bis sie Beweise fand und sich herausstellte, dass ihre Tochter sie angelogen hatte.
Der zweite Mensch war ihre Schwester, die sie einlud und dann einfach alleine im Wohnzimmer sitzen ließ, oder als sie sechs Wochen im Krankenhaus lag, kam sie ein einziges Mal zu Besuch. Geht man so mit anderen um, fragte sich Jasmin manchmal. Gehe ich so mit anderen um? Nein!
Irgendwann ging Jasmin dann ein großes Licht auf:
Ihre Tochter kann nicht anders mit ihr umgehen, weil sie das von ihrem Vater so gelernt und abgeguckt hat. Er hat ihr von klein auf gezeigt, wie man mit der Mutter umgeht, missachtend, ignorant und am besten gar nicht.

Ihre Schwester konnte auch nicht anders, sie hatte es von den Eltern gelernt.
Einen Versuch startete Jasmin noch, denn ihre Schwester war ja nun schon lange erwachsen und auch nicht dumm, sie schrieb ihr einen netten Brief, in dem sie alles offen legte, was ihr auf dem Herzen lag, mit der Bemerkung, dass die Schwester ja nicht schuld sei an der Misere. (Gespräche hatte Jasmin versucht, sie redete ins Leere.)
Es kam auch ein Brief zurück, aber daran merkte Jasmin, dass sie erstens den Brief nicht richtig gelesen hatte, dass sie alles von sich wies und so wie so nichts verstanden hatte. Jasmin war ihr nicht mal der Mühe wert, sich damit auseinander zu setzen.
Nun steht die Zeit still, Jasmin hat den Boden unter den Füßen verloren. "Bin ich nicht der Liebe wert," fragt sie sich oft. Wie soll es weiter gehen? Wie gut, dass sie Freunde hat…

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