Norbert Wittke

So ändern sich die Zeiten



Wenn ich über eines froh war nach meiner Versetzung in den Ruhestand, dann darüber dass ich nicht mehr fast alttäglich für die Arbeit im Büro im Anzug und mit einem Oberhemd mit Krawatte herum laufen musste.

Als ich noch gearbeitet habe, war fast die tägliche Zeremonie, dass unser Sohn beim gemeinsamen Frühstück grinste, dass ich in diesem Aufzug zur Arbeit musste. Oft genug versuchte er mich zu veräppeln. Ich dachte nur dabei, irgendwann bist auch du dran.  So schlampig wie er damals in die Schule ging, das konnte ja nicht ewig bleiben.

Nun nach der Pensionierung gehöre ich nicht zu der Sorte Mann, die im gebügelten Anzug mit Hemd und Krawatte zu Hause herum hängt, als wenn sie auf einen sofortigen Einsatz bei seinem früheren Arbeitgeber wartet.  Ich kleide mich dagegen lieber leger. Bequeme Hose, möglichst ein Tshirt mit kurzen Ärmeln,  leichte Schlappen oder Sandalen. Ganz einfach nur ganz locker bequem eben. Natürlich achte ich auf Sauberkeit. Aber ich hole alles nach, was mich früher bekleidungsmäßig unter Zwang gesetzt hat.

Nach dem unser Sohn seine Schule und sein Studium vollendet hat. Inzwischen ist er auch Familienvater. Jetzt ist es nun an ihm, meine Rolle von früher zu übernehmen. Nämlich Anzug, Oberhemd, Krawatte, Lederschuhe. Wenn ich ihn jetzt so sehe, kann ich mir Bemerkungen nicht verkneifen. Es ist  meine persönliche Rache für früher.

Nur in Ausnahmefällen kommt mir jetzt noch eine Krawatte an den Hals. Das Alter und das Ausscheiden von der Arbeit hat doch einige Vorteile. So freue ich mich, dass ich alt genug geworden bin, um meine neuen Freiheiten zu genießen. Ach wie ist das doch schön. Auch du wirst einmal dran sein, mein Sohn, aber bis dahin heißt es Zähne zusammen beißen.

22.05.2011                       Norbert Wittke

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