Bernhard W. Rahe

Taxi

Taxi

Am Bahnhof sitzt ein Taxifahrer hinter seinem Lenkrad und erledigt sozusagen seine kleine, über einige Tage liegengebliebene Buchführung. Es nähern sich drei Männer, so zwischen 20 und 25 Jahre alt. Sie scheinen angetrunken zu sein.

Es kommt zu folgendem Dialog:

Der Anführer der drei jungen Fahrgäste wischt sich unelegant eine fettige Strähne seines verschnittenen, halblangen Haares aus der Stirn.

„He, Taxifahrer, karr uns mit deinem Rapskocher ins Viertel, aber hurtig Meister, wir haben nicht viel Zeit, das Leben läuft uns davon.

Der Taxifahrer ist sehr vertieft in seine Arbeit, er ordnet Papiere, macht hier und dort ein Häkchen mit dem Kugelschreiber. Er blickt geistesabwesend auf.

„Wie, äh, was denn, was ist passiert? Bitte, ich habe hier noch fünf Minuten zu tun, einen Moment eben, meine Funke - die Zentrale meldet sich. Gehen sie doch eben rüber zu meiner... .“

Wortwechsel mit der Zentrale.

„Wie? Nein, ich bin nicht unterwegs, ich stehe gerade, die Fuhre zur Klinik ist erledigt, die Frau hat nichts mehr gesagt, nein, nein, sie bleibt im Krankenhaus, sie hatte schon alle ..., was? Fünf Minuten Wehen.“

Der Anführer von den drei jungen Fahrgästen leckt sich die aufgesprungenen trockenen Lippen. Sein Vogelscheuchenkopf nähert sich schräg gestellt dem heruntergekurbelten Seitenfenster. Der Taxifahrer riecht den beißenden Atem des jungen Mannes.

„He, eiserner Gustav, was wirbelst du so rum in deiner Rikscha? Roll unsere ärsche mal eben ins Viertel hinein. Was ist eigentlich mit deinem Rasierwasser, Fuhrknecht, das Leben ist bald zu ende und dein Aftershave riecht wie rechtsdrehender Jogurt? Meine Kumpels und ich wollen in diesem Leben noch ins Viertel, also lass dein Lenkrad rotieren.

Der Taxifahrer ist leicht erregt, er schaut mit zusammengezogenen Augenbrauen aus seinem Wagen heraus. Er atmet sparsam.

„Sie sehen doch das ich..., im Moment bin ich nicht... und außerdem werden mir die Vorträge zu frech.“

Wieder mit der Zentrale im Gespräch.

„Ja, ich stehe immer noch hier, ich hab die Frau vorsichtig in den Kreissaal, ich meine, in das Krankenhaus gefahren. Sie konnte die Treppen nicht, ihre Fruchtblase war schon mehr oder minder... , sie zog eine Tropfenspur hinter sich... .“

Anführer von drei jungen Fahrgästen - setzt ungerührt nach.

„Sag mal, warum wirbelst du so hitzig herum in deiner Rapsmühle, hast du schon geschlafen heute, was, noch nicht? Ich konnte schon Jahre nicht mehr schlafen und das ist super, Freund, einfach irre, total krass, abgefahren. Wir wollen nicht mit Fruchtblasen zusammen fahren, verstehst du, nur wir allein, ins Viertel, in diesem Winter, heute, sofort, mehr nicht. Was ist mit deinen Haaren los, hast du sie etwa in diesem Jahrtausend schon gewaschen?“

Der gestresste Taxifahrer spricht jetzt ganz langsam, erhebt dabei die Stimme.

„Wie, krass, was? E i n e n Moment noch, sagte ich das nicht schon? Ich muss hier eben etwas klären. Menschenskind Jungs, lasst mich endlich für ein paar Minuten in Ruhe und pilgert zu meiner Kollegin, die ist frei, mit gültigem Führerschein und außerdem hat sie... , nun aber ab mit euch.“

Der Wortführer der drei jungen Fahrgäste - lässt sich nicht abweisen, fühlt sich eher ermutigt, ein Gespräch zu beginnen. Seine Freunde wenden sich manchmal ab und müssen lachen.

„Warum die Aufregung, Taxidriver, dreh nur nicht durch, erschieß uns nicht, wir wollen bloß mal eben ins Viertel, das dauert maximal drei Sekunden. Du bist doch Kutscher, oder? Dein Auto ist leer und wir wollen einsteigen und nur mal kurz - aber du bist ja gar nicht belastbar. Ein Taxifahrer, der einfach keinen seelischen Druck aushält, dem schon das Wasser im Hirn kocht, wenn er einen Fahrgast sieht. Meine Kumpels und ich haben zwischenzeitig unsere Geburtstage mehrfach durchgefeiert, die Schuhe besohlen lassen, uns etliche Male rasiert, während du mit deiner Zentrale die Welt neu definierst. Nun aber hurtig, hurtig, Fahrergesell.“

Der Taxifahrer wird nun wütend.

„Mensch, verdammt noch mal, ich hab euch doch gesagt, ich.... oh, diese beschissene Funke! Geht endlich weiter, haut ab von meinem Taxi!“

Angestellter, gestresster Taxifahrer erneut im Gespräch mit der Zentrale.

„Herbert, nun lass mich doch bitte eben mal Luft holen, meine ganzen Quittungen... und dann stehen hier ein paar vollgedröhnte, abgedrehte Typen, die lassen mich nicht in Ruhe. Oh Shit, ich melde mich gleich wieder zurück, ja, bis dann.“

Anführer der drei jungen Fahrgäste - tatsächlich vollgekokst bis zum Stehkragen. Er näselt beim Sprechen - Nasenscheidewände mit Edelstahl ausgekleidet.

Sagt mal Leute, ist das hier wirklich ein Taxi, ich glaub das nicht. Wir sind hier im Hafen. Der Karren muss ein Containerkahn mit drei Tagen Liegezeit sein - warum kannst du Taximann nicht mit Menschen umgehen? Du solltest psychologisch geschult sein, oder? Du „Freudloser“ Genosse, damit du dir deine Fahrgäste nicht vergraulst oder sogar beschimpfst. Und außerdem, was ist mit deinen Haaren los? Weißt du eigentlich, das die Welt aus Galaxien besteht, das Jahr Dreihundertfünfundsechzig Tage hat und wir hier schon Lichtjahre auf einen Lift ins Scheiß Viertel warten, weißt du das, Taxischnecke, du Schwermetall? Bist du verheiratet, Mann? Was machst du sonst so, wenn du mal nicht in deinem Taxi sitzt und nicht Taxi fährst und Fahrgäste nicht auf die Folter spannst und nicht nach Milchsäure riechst und deine Haare nicht geschnitten bekommen hast, die Welt an dir vorbeirast und du kein kein kein Taxi fährst und dich nicht mit Fahrgästen streitest und du deine Fruchtblase nicht halten kannst und du vollgekokst im Kreissaal liegst, weil deine Spuren auf der Fahrbahn plötzlich und plötzlich und plötzlich weiß und weiß und weiß wie Schnee sind, wie?“

Dem Taxifahrer dreht sich alles, er will jetzt aussteigen, schielt auf seinen Elektroschocker.

„Ich werd mir doch nicht von euch dichtgedröhnten Bettnässern den Tag verderben lassen, ihr hässlichen Krähenvögel. Ich will euch jetzt mal zeigen, wie kreativ ich beim Ausquartieren von mit Drogen vollgepumpten Typen bin, die nicht und keineswegs und niemals meine Fahrgäste sein werden.“

Der zweite Anführer von drei jungen Fahrgästen scheint besonnen zu sein, er erklärt und lacht - ist aber doch erschrocken, tritt etwas zur Seite:

„Lassen sie nur, unser Kumpel hier ist immer so ausgeflippt, deswegen wollte er auch vorne bei ihnen sitzen, ha, ha.“ Alle schütten sich aus vor Lachen.

Der sich langsam beruhigende - wieder hinsetzende - Taxifahrer muss nun auch grinsen.

„Also, steigt endlich ein und wenn’s geht, seid still. Nehmt euren Irren nach Hinten. Also, ins Viertel wollt ihr - in welches Viertel denn nun?

Ein anderer von den Sonderlingen wirkt wie leicht chloroformiert, der lallt und beginnt seine Rede langsam und lachend.

Ins letzte Viertel der Milchstraße bitte, aber hurtig, mein Fahrensmann, das Leben geht zu ende, mach deine ölschleuder klar, schwing die Hebel, las die Kolben bumsen, hast du eigentlich Kinder?“

Fahrender Taxifahrer, verreißt fast das Lenkrad.

„Schnauuuuzeeeeeeee!“

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