Klaus-D. Heid

STILL

Guten Morgen, Schatz! Gut geschlafen? Na, was frage ich, Du schläfst ja immer gut, nicht wahr? Himmel, ich wäre wirklich froh, wenn ich ein einziges Mal so durchschlafen könnte, wie Du! Aber bei mir ist das eben alles nicht so einfach, wie Du weißt. Als Mann, mit dem ganzen Druck, den Problemen, die ich am Hals habe und mit dem verdammten Stress im Büro, da wache ich immer alle paar Stunden auf und morgens fühle ich mich wie gerädert! Was sagst Du? Du bekommst von alle dem nichts mit? Nein? Irgendwie bin ich ja beruhigt, dass ich Dich mit meinem unruhigen Schlaf nicht auch noch vom Schlafen abhalte, Schatz! Ich darf mir gar nicht vorstellen, wie schlecht es mir ginge, wenn ich Dir den Schlaf rauben würde. Wahrscheinlich würde ich dann noch weniger schlafen. Du weißt ja, wie sehr ich mich um Dich sorge, Schatz!

Und? Hast Du was Hübsches geträumt? Willst Du es mir erzählen, oder hast Du den Traum vergessen? Also ich kann mich nie an meine Träume erinnern, Liebling. Ob ich vielleicht gar nicht träume? Irgendwo habe ich mal gelesen, dass angeblich alle Menschen träumen, dass sich aber nur sehr wenige Menschen an ihre Träume erinnern können. In dem Buch habe ich auch gelesen, dass der Mensch denkt, er habe stundenlang geträumt, aber in Wahrheit dauerte der Traum nur ein paar Sekunden! Verrückt, nicht wahr? Im Traum läuft also die Zeit völlig anders ab.

Wird wohl Zeit, dass ich langsam aufstehe. Und Du? Willst Du noch liegenbleiben? Du könntest ja ein bisschen lesen oder einfach noch ein oder zwei Stunden schlafen, nicht wahr?

Weißt Du was? Ich stehe jetzt auf und mache schon mal Frühstück!

Ich könnte Dir das Frühstück ans Bett bringen. Magst Du ein Ei zum Frühstück? Kaffee? Ach so, entschuldige, Du willst bestimmt lieber Tee, oder? Nein? Doch Kaffee? Kein Problem, Schatz! Dein Wunsch ist mir Befehl! Geht gleich los, mein Herz! Wenn Du möchtest, schlage ich noch mal das Bett ein bisschen auf, damit Du Dich richtig wohl fühlst, während ich Frühstück mache, ja?

Hast Du eigentlich noch was von dieser Feuchtigkeitscreme, Liebling? Wie bitte? Nein, nicht für mich, aber ich dachte nur, dass Du vielleicht wegen Deiner trockenen Haut etwas Creme haben möchtest? Nein? Okay, aber bitte sei mir nicht böse, wenn ich Dir sage, dass Deine Haut in letzter Zeit wirklich etwas..., etwas..., etwas sehr trocken aussieht. Und auch um die Augen herum scheinst Du etwas müde auszusehen, Liebes! Bist Du Dir sicher, dass es Dir gut geht? Wirklich? Soll ich nicht doch die Creme holen?

Ach, was soll’s, es ist auch gar nicht so wichtig. Vergiss es einfach, was sich gesagt habe. Gibt es nicht schlimmere Probleme auf der Welt, als trockene Haut und diese..., diese... tiefen Falten auf Deinem Körper, die tatsächlich etwas seltsam aussehen? Mach Dir aber bloß keine Sorgen, mein Liebling, obwohl Du wegen deines Gewichtes irgendwann mal einen Arzt aufsuchen solltest! Du bist ja nur noch Haut und Knochen! Diese eingefallenen Augen in den schwarzen Höhlen, die Knochen, die so spitz herausstehen und auch Dein Haar. Es sieht so seltsam spröde aus und ich fürchte, es fällt auch aus! Ist doch so, oder? Findest Du nicht auch, Liebling?

Seit unserem Streit hast Du Dich tatsächlich verändert!

Liebling? Was hältst Du denn davon, wenn Du heute Abend in die Wanne steigst? Du nimmst es mir doch nicht übel, wenn ich Dir sage, dass Du schon mal besser gerochen hast, oder? Nicht, dass ich Dir Vorschriften machen möchte, aber so ganz langsam beginnst Du richtig übel zu stinken!

Weißt Du, worüber ich in letzter Zeit öfter nachdenke? Nein? Nun, ich denke daran, dass wir uns seit dem letzten Streit vor drei Wochen wieder richtig gut verstehen, Schatz! Kein lautes Wort mehr, keine Gemeinheiten und auch keine gegenseitigen Vorwürfe mehr. Ich glaube, dass wir noch nie so harmonisch zusammen gelebt haben, wie jetzt, nicht wahr? Und wenn Du jetzt noch etwas für dein Äußeres tust, könnten wir auch mal zusammen essen oder ins Theater gehen.

Liebling? Liebling? Magst Du nicht mal was sagen, hm? Mir kommt es fast vor, als würde ich die ganze Zeit alleine quatschen und Dich langweilen. Langweile ich Dich? Liebling? Ich langweile Dich doch nicht? Nein? Na gut, denn ich will nur, dass wir uns lieben! Harmonisch und ohne uns zu streiten. Wie ein gutes, sich liebendes Ehepaar nebeneinander liegen und kein böses Wort verlieren.

So einen Streit, wie den vor drei Wochen, sollten wir zukünftig vermeiden, nicht wahr? Streiten führt doch zu nichts und bei unserem Temperament endet so ein Streit immer handgreiflich. Du weißt ja, wie das ist. Ein Wort gibt das andere und plötzlich, ehe man sich versieht, fliegen Tassen und Teller durch die Luft, Mobiliar geht zu Bruch und wenn dann noch, so wie letztes Mal, plötzlich ein Messer in Reichweite ist, fließt auch mal Blut!

Dass ich eine Winzigkeit schneller als Du war, tut mir im Nachhinein natürlich sehr leid, Liebling. Aber Du siehst, dass Streitereien richtig böse enden können, oder? Hinterher bereut man alles und dann ist es oftmals zu spät.

Ich für mein Teil schwöre Dir, dass ich mich nie wieder mit Dir streiten werde! Ich schwöre es hoch und heilig! Kein Streit mehr! Kannst mich drauf festnageln, Liebling! Du weißt ja, dass ich vielleicht ab und an etwas unbeherrscht bin, aber dass ich Dich noch niemals belogen habe. Das war also unser letzter Streit, Schatz!

Und jetzt mache ich uns Frühstück!

Ist Dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass Du seit drei Wochen keinen Happen mehr gegessen hast? Und den Kaffee lässt Du auch immer stehen, Liebling. Gesund ist das aber nicht! Du muss unbedingt wieder zunehmen und vielleicht erholt sich Deine Haut auch wieder, wenn Du Dich mal richtig satt isst.

Liebling?

Ich möchte heute Abend mal die Betten beziehen, ja? Ich glaube, Du hast Dich irgendwo geschnitten, denn auf Deiner Seite ist der Bettbezug völlig blutverschmiert und riechen tut es auch ganz schön unangenehm.

Liebling?

Wieder eingeschlafen? Na, was soll’s, dann bleib einfach liegen, während ich frühstücke. Das Bett kann ich auch später beziehen, nicht wahr? Ich will auf keinen Fall, dass wir uns deswegen streiten, Liebling. Nie wieder streiten. Nie wieder.

Ich werde Dir aber heute eine Feuchtigkeitscreme besorgen, ja? Und dann reibe ich Dich gründlich ein und erzähle Dir, was heute so alles passiert ist, okay? Einverstanden? Ja?

Und jetzt schlafe ruhig weiter...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.06.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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