Nicolai Rosemann

Ikarus

Ping.
Es begann mit einem Ping auf die Außenhülle. Ein kleines Staubkorn, mit dem freien Auge nicht erfassbar. Ohne Schaden anzurichten traf es auf die Hülle und trieb in scharfem Winkel wieder davon weg.
Doch dann kamen weitere Pings. Immer mehr und immer schneller. Als würde Regen auf ein Wellblech fallen und sich von einem kurzen Guss zu einem Sturm entwickeln.
Schließlich durchschlug der erste Stein die Hülle. Er kam nicht weit, durchbrach nur die Hülle, prallte gegen eine Transportkiste und fiel zu Boden. Doch durch das kleine Loch begann die Atmosphäre zu entweichen. Und ein weiterer, etwas größerer Stein schlug ein zweites Loch in die Hülle. Er flog weiter, durchschlug eine Kiste und eine Wand. Doch auch für diesen Brocken endete die Reise innerhalb des Schiffs.
Nicht jedoch für den dritten, beinahe faustgroßen Felsbrocken. Er durchschlug genau das Sichtfenster der Luftschleuse, zerstörte diesen Ausgang durch eine Blitzdekompression, und fuhr fort im Schiff Schäden anzurichten. Abteilung für Abteilung. Im Biolabor wurde das Terrarium der Schiffschlange zerstört und die schlafende Schlange von dem Felsen zerfetzt. Weiters zerstörte es den Navigationscomputer auf der Kommandobrücke, und den Androiden, der dieses Gerät bedienen sollte. Wegen der langen Reise war dieser jedoch im Stand-by-Modus.
Schließlich erreichte der Felsbrocken die Schlafkammer. Sieben Stasiskammern standen dort in einem Halbkreis. In jeder ein Mensch im künstlichen Tiefschlaf für interplanetare Tiefraumexpeditionen.
Der Captain des Schiffs hatte seine Kapsel ganz links, ihm folgten der erste, ausführende Offizier, der Bordarzt, die Chefwissenschaftlerin, der Navigator, der Ingenieur und schließlich der Ladeoffizier, der sich um die Fracht und Ausrüstung kümmern sollte.
Der faustgroße Brocken traf die Kapseln des Navigators, durchschlug seinen Arm und störte durch den Austritt die Funktion der Kapsel. Dadurch wurden alle geweckt.
 
Nur langsam ließen sich Umrisse erkennen. Sie waren nicht an ihrem Ziel, so viel erkannte der Captain sofort. Denn ansonsten würde mindestens einer der drei Androiden des Schiffs, vor der Kapsel stehen um sich um die Aufwachenden zu kümmern. Doch vom Androiden keine Spur. Die rote Lampe unter der Decke, direkt über der Tür zum Schlafraum, warf ihren kreisenden Lichtschein an die Wände. Das andere, beruhigende weiße Licht war also noch nicht aktiv. Folglich ein Alarm.
Entweder ein Notruf, ein Erstkontaktsignal oder eine Fehlfunktion.
Lass es keine Fehlfunktion sein, betete der Captain und hörte in diesem Moment die Plomben der Kapsel sich öffnen. Ein kurzer Druck gegen die leicht beschlagene Scheibe öffnete seine Kapsel. In den neuen Druckverhältnissen wurden ihm die Knie weich, und er wäre wohl zu Boden gefallen, wären da nicht die beiden Haltgriffs direkt unter dem Verschluss. Übelkeit stieg im Captain hoch, doch einen Moment später hatte er sich gefasst und setzte einen nackten Fuß auf den Boden.
Eiskalt, dachte er. Eigentlich sollte der Boden auch während der Reisen auf konstanter Temperatur gehalten werden. Außer es gab einen Atmosphärenverlust. Die Kapsel des ersten Offiziers öffnete sich. Blonde Locken hingen ihr ins Gesicht und ihre Wange war leicht gerötet. Folglich hatte sie wieder auf der Seite geschlafen statt wie vorgeschrieben auf dem Rücken liegend.
„Atemgerät!“ rief der Captain und nahm seines aus der Versorgungskiste neben der Kapsel.
Eine weitere Kapsel öffnete sich. Der Doktor. „Atemgerät!“ rief der Captain erneut.
„Atmosphärenverlust?“ fragte der Arzt noch etwas benommen. Der Captain nickte, seine Maske saß bereits fest.
„Da ist Blut auf der Kapsel von Jack“, rief der erste Offizier.
„Holt die anderen raus und setzt ihnen die Masken auf. Dann findet raus, was hier los ist!“ befahl der Captain und wollte die Tür öffnen.
„Warnung. Keine Atmosphäre mehr vorhanden“, schnarrte der Computer.
„Na toll. Das fängt ja gut an“, stöhnte der Captain und ging zu der Vorsorgungskiste zurück. Darin lag auch ein Raumanzug, doch es würde seine Zeit dauern ihn anzuziehen. Und irgendwie schien auch aus diesem Raum die Luft zu entweichen.
„Er ist tot. Wäre er nur im Schlaf geblieben“, meldete der Arzt und schlug ein Kreuz über dem schlaffen Körper des Navigators.
„Wir haben noch genug Energie für die Schwerkraft. Allerdings kann ich nicht sagen wie lange“, setzte der Ingenieur fort. „Ich muss auf die Brücke, Captain.“
„Dann los, Sam. Jenny, du gehst mit. Boris und Anja, wir sehen uns den Rest des Schiffs an. Vielleicht müssen wir es aufgeben.“
„Androiden aktiviert. Reparaturen werden eingeleitet.“
„Wenigstens arbeitet der Computer noch“, seufzte der Captain. Alle trugen nun die Raumanzüge und kontrollierten sich gegenseitig. Dann öffneten sie die Tür in den Korridor, der an der linken Außenhülle entlang durch das ganze Schiff führte, vom vorderen Frachtraum bis zu den Triebwerken.
 
Zehn Minuten später stand der Lagebericht fest.
„Navigation, Biolabor, Lagerräume drei bis fünf, Schleuse sowie Fluchtkapsel sind irreparabel geschädigt. Wir wissen weder wo wir sind, noch haben wir eine Chance es festzustellen. Wir bräuchten Ersatzteile, die es nur in Raumwerften gibt“, beendete Commander Jennifer Fisher ihren Bericht.
„Die Reparaturen an der Hülle sind beendet, also baut sich eine Atmosphäre wieder auf. Es dauert aber noch gut drei Stunden. Wir haben noch für dreieinhalb Stunden Luft in den Anzügen“, setzte der Ingenieur Samuel Miller fort.
„Was war der Grund für die Kollision?“
„Ein Asteroidenhaufen. Wir befinden uns in einem Gebiet des Raums mit Nullsicht, also zu wenig Restlicht für die Thermosensoren. Wir sind mitten rein gerauscht, als der Computer es feststellte war es zu spät. Er hat zwei Sekunden bevor der dicke Brocken das Schiff durchschlug ein Wecksignal gegeben, ein geschmolzener Schaltkreis verhinderte das Wecken. Aber es hätte sowieso nicht mehr gereicht um Kretzky zu retten.“
„Gut, Boris. Wie sieht es sonst aus?“
„Dafür, dass der Computer das Schiff in Schuss halten sollte, sitzen wir auf einem tollen Schrotthaufen. Ein Drittel der Wartungsandroiden ist defekt, drei wurden durch den Asteroiden irreparabel zerstört. Wir sind außerdem von unserem Kurs abgekommen, haben aber keine Möglichkeit festzustellen wie sehr. In welche Richtung Sicherheit liegt – keine Ahnung. Am besten wäre es einen Planeten zu finden, auf dem wir eine Bauchlandung machen können. Innerhalb von etwa fünf Jahren könnten Sam und ich dann feststellen, wo wir sind, einen Sender bauen und Hilfe rufen. Vorausgesetzt irgendjemand hört genau diesen Raumsektor ab. Das ist das blöde am Universum – es ist riesig und wir kennen nicht mal 1%.“
„Alternativen?“
„Eine Spritze mit Sauerstoff. Wir sind im Arsch“, schlug der Arzt vor.
 
Das Schiff befand sich nun fünf Tage im Blindflug. Zwar gab es einen Haufen Daten auszuwerten, die seit dem Einschlafen vom Computer gesammelt worden waren, doch das Damoklesschwert der Katastrophe war in den Köpfen von allen. Sie hatten nur für wenige Wochen Vorräte an Bord, weil sie eigentlich erst aufwachen sollten wenn sie ihr Ziel erreicht hatten. Wäre der Planet als unbewohnbar eingestuft worden, hätten sie direkt den Rückflug starten sollen.
Wenigstens hatten sie eine Spur gefunden, die sie in einen Teil des Weltraums mit genügend Restlicht gebracht hatte, das sie nicht mehr blind flogen. Doch laut Computer war der nächste Sternensystem drei Jahre Flug entfernt und, da es nur aus Gasriesen ohne erkennbare Monde bestand, unbewohnbar.
Captain Hunter stellte seiner Crew seinen Plan beim Abendessen vor. „Wir legen uns wieder schlafen und warten bis wir in dem Sternensystem sind. Von dort versuchen wir das nächste Sternensystem zu ermitteln und fliegen dorthin. Das machen wir solange, bis wir einen Punkt gefunden haben, von dem aus wir uns orientieren können.“
„Toller Plan, Cap. Es ist wahrscheinlicher ein schwarzes Loch zu finden“, stellte Anja Burke fest.
„Wenn wir das finden, haben wir es wenigstens hinter uns. In Anbetracht unserer Geschwindigkeit und der Wahrscheinlichkeit einen Fixstern zu finden, an dem wir uns orientieren können, werden wir etwa 250 Jahre unterwegs sein, bis wir vielleicht zufällig etwas entdecken, das uns weiterhilft. Und dann steht uns bestimmt noch mal eine Reise von der Dauer bevor, bis wir wieder Zuhause sind. Ich will jetzt nicht der Miesepeter sein, aber bis dahin wir es wohl keine Erde mehr geben. Oder sie wird nicht mehr so sein wie wir sie in Erinnerung haben.“
„Alternativen?“ fragte der Captain, sich der Antworten wohl bekannt.
„Wir sind alle Anfang 20 und wurden allein für diesen Einsatz erzogen und ausgebildet. Wenn wir im Schnitt alle fünf Jahre aufwachen um festzustellen, dass wir nicht wissen wo wir sind, werden wir etwa Ende 50 sein bis wir wieder auf der Erde sind. Besser das als hier zu sinnlos zu sterben“, überlegte Boris, „ich denke wir haben nichts zu verlieren.“
„Wir sollten bei Gelegenheit Jack begraben. Vielleicht findet eine andere Expedition das Grab und erfährt was mit uns passiert ist“, fügte Anja hinzu.
„Tolle Überlegungen, wirklich. Aber ihr vergesst eine Sache. Wir waren jetzt sieben Jahre unterwegs und ein Drittel der Wartungsandroiden ist Schrott. Bei der aktuellen Entwicklung fällt der Kahn noch vor unserem nächsten Zwischenstopp auseinander. Und selbst wenn mir alle helfen, brauchen wir sechs bis neun Wochen um den Computer auf die neuen Parameter einzustellen. Solange reichen die Vorräte nicht, oder Boris?“
„Sam hat recht. Wir haben noch knapp fünf Tage Wasser und Essen. Selbst wenn wir es rationieren, auf das absolute Minimum, schaffen wir vielleicht die Hälfte. Nur in ein paar Tagen werden wir nicht mehr fähig sein mit ausreichend Effizienz zu arbeiten. Oder Doc?“
„Genau. Cap, sehen Sie es ein. Wir sind im Arsch.“
Ein Ruck ging durch das Schiff. Alle krallten sich in den Konferenztisch, denn es fühlte sich als wären sie in ein tiefes Loch gefallen.
„Was zum Teufel ist das jetzt wieder?“
„Kein Atmosphärenverlust, außer der Computer ist ausgefallen und warnt uns nicht mehr“, sagte der Ingenieur und hangelte sich zur Wand. Dort war ein Zugriffsterminal, das jedoch Status 1 anzeigte. „Alles in Ordnung. Wir haben nur gerade einen Sprung von keine Ahnung wie vielen Lichtminuten gemacht.“
„Und wo sind wir?“
„Keine Ahnung, der Computer erkennt keine bekannten Sternbilder. Aber wir haben ein helles Bild, also sind wir wohl in einem Sternensystem. Direkt vor uns ist ein Körper mit der Masse des Jupiters. Feste Materie.“
„Ein Planet?“ fragte Anja.
„Wir sollten auf die Brücke gehen und uns das ansehen.“
 
„Es ist eindeutig ein Planet, erdähnlich. Ich erkenne fünf nicht miteinander verbundene Wasserflächen, die etwa drei Fünftel der Oberfläche einnehmen. Der Äquator ist vulkanisch sehr aktiv, es gibt zwei kleine Pole. Die Landflächen sind zu 90% üppig bewachsen. Die anderen 10% sind dürr oder Wüste. Keine Spuren von Infrastruktur, Straßen oder größeren gebäudeähnlichen Anlagen“, beendete Anja ihren Bericht.
„Sieht doch gut aus. Wo können wir runtergehen?“
„Eigentlich überall. Die Luft ist atembar, mit einem geringfügig höheren Anteil von Edelgasen als auf der Erde. Vor allem die Heliumanteile sind überaus häufig vertreten. Außerdem Schwefel und Ammoniak“, antwortete Jenny.
„Toll, eine Welt in der wir uns wie Mickey Mouse anhören und es nach Fürzen stinkt. Wäre ich nur in Estland geblieben“, maulte Boris.
 
Die Landung war mehr mit einem Absturz als einer kontrollierten Landung zu vergleichen. Der Quantensprung, wie es Doktor Burke erklärt hatte, hatte zwar keine weiteren Teile des Schiffs zerstört, aber der Zustand war davor schon ausreichend gewesen. Große Teile der Stabilisatoren waren beim Eintritt in die Atmosphäre einfach abgerissen und hatten ein schönes Feuerwerk in diesem Mix von Gasen veranstaltet.
Das Schiff Ikarus war mitten in einem Tal aufgeschlagen, das in sanfte grüne Hügel mündete, die Blick auf eine silberne Wasserfläche eröffneten. Es hatten aber alle den Absturz überlebt und von der Ausrüstung konnte genug geborgen werden um ein brauchbares Basislager zu bauen.
Am Fuße eines nahen Berges, in der Nähe einer Quelle, beerdigten sie die Überreste von Navigator Jack Kretzky.
Schnell fanden die beiden Doktoren auch essbare Früchte in der Fauna des Planeten, die zwar starke Blähungen verursachten, aber die Nahrungsvorräte der Ikarus gut ergänzte.
Sam und Boris machten sich sofort daran den Himmel abzusuchen um die Position des Sonnensystems ungefähr zu ermitteln und einen Sender zu bauen. Captain Hunter und Commander Fisher erkundeten die Gegend.
Sie fanden keine Anzeichen einer Zivilisation.
 
„Viel Fauna, wenig Flora. Nicht einmal im Wasser gibt es Tiere. Sehr seltsam“, erklärte Lloyd beim Abendessen, zwei Monate nach der Bauchlandung.
„Leben entwickelte sich auf der Erde mehrstufig, vom Einzeller zu komplexen Lebensformen und Pflanzen. Hier scheinen sich nur Pflanzen entwickelt zu haben. Ich kann mir noch keinen Reim machen wie sie sich fortpflanzen. Auf der Erde benötigt es dazu Winde und Insekten. Hier gibt es so gut wie kein Wetter, wir hatten erst einmal Niederschlag, direkt nach der Landung. Der könnte aber auch durch eine Störung, ausgelöst durch unser Eintreffen, entstanden sein. Und Tiere gibt es gar keine, soweit wir wissen.“
„Das hier ist nur ein kleiner Teil. Vielleicht sind wir in einem entlegenen, unfruchtbaren Teil des Planeten gelandet. Oder die ganzen Tiere und alles haben unsere Anwesenheit übel genommen und sind woanders hingegangen“, schlug Samuel vor. „Ich denke nur daran wie viel Müll wir bisher gemacht haben. Vielleicht ist das Ökosystem hier so empfindlich, dass durch unsere Landung auch alle ausgestorben ist.“
„Dann hätten wir Kadaver gefunden, oder sonst was vergleichbares“, entkräftete Jenny dieses Argument.
„Vielleicht schauen wir auch nicht richtig. Anja und ich sollten dem Cap und dir helfen statt hier rumzusitzen und nach was zu suchen, was vielleicht nicht da ist. Je mehr wir vom Planeten sehen, desto eher verstehen wir was hier Sache ist.“
„Wie weit seid ihr mit dem Sender?“
„Der Sender wäre fertig, wir müssen nur noch wissen wohin wir ihn ausrichten sollten. Wir haben ein Dutzend Sternenkonstellationen erkannt, die von anderen Expeditionen ermittelt wurden. Nur ist es sehr kompliziert von unserer Position auf diese Position und von dort auf die Erde zu rechnen. Wir brauchen dazu bestimmt noch ein paar Wochen. Durch den Crash ist einiges vom Computer Schrott, und der Nav-Computer wäre eine tolle Hilfe bei den Berechnungen. Hätten wir ihn, könnten wir morgen starten.“
 
Am nächsten Tag besuchten sie das Grab von Kretzky. Doch der Erdhügel war verschwunden, selbst das Holzkreuz war weg. Der Boden war von Schlingpflanzen überwuchert, als würde jede Spur verwischt werden.
Captain Hunter ließ sofort Schaufeln holen und sie gruben nach der Leiche von Kretzky. Nach fünf Metern Tiefe gaben sie das Graben jedoch auf. Die Leiche war weg, wie jeder Hinweis auf seine Anwesenheit auf dem Planeten.
„Ich hab Angst. Das waren bestimmt nicht die Pflanzen, oder?“ fragte Jenny.
„Ich habe keine Ahnung, aber wir sollten ab sofort vorsichtig sein. Keiner bleibt mehr allein. Und wir sollten uns auf die Suche nach Wrackteilen machen. Falls wir sie noch finden.“
Zurück im Lager berichteten die Suchtrupps vom Verschwinden des Grabs. Da platzten die beiden Ärzte mit einer anderen Information heraus. „Ich dachte eigentlich, dass ich nur schlampig gearbeitet habe und die Ausrüstung verloren ging. Seit unserer Ankunft sind diverse Dinge verschwunden – kleine Werkzeuge, Unterlagen, ein Foto. Nichts, weswegen man sich aufregen sollte. Aber jetzt habe ich die Befürchtung, dass wir nicht allein sind. Das irgendwo jemand sitzt und uns beobachtet.“
„Es sind demnach Meister der Tarnung. Wir haben nie eine Spur gefunden, geschweige denn einen Pfad, eine verlassene Lagerstätte oder was vergleichbares. Es ist als hätten die Bäume Augen.“
„Ich habe die Absturzstellen der Wrackteile in etwa ermittelt. Alle liegen einige Tagesmärsche entfernt, die anderen haben wir schon eingesammelt, soweit wir sie fanden. Doch in Anbetracht der neuen Situation ist es wohl zu gefährlich das Lager zu verlassen oder sich zu trennen. Wir hatten nur zwei Waffen, und die sind in einem Versorgungsmodul hundert Meilen von hier“, erklärte Sam.
„Wir setzen jetzt ein Notsignal ab. Wir strahlen einfach in alle Richtungen. Ich glaube wir haben nichts zu verlieren“, schlug der Captain vor. Niemand hatte Einwände.
 
Jenny wurde mitten in der hellen Nacht wach als sie hörte wie die Tür zu ihrem Raum sich langsam öffnete. Sie war eine Chaotin, deshalb lagen überall Dinge am Boden herum, darunter ein paar Flaschen, die am meisten Lärm machten.
Verschlafen richtete sie sich auf und sah einen Schatten, der sich hereinzwängte. „Sam?“ stöhnte sie. Doch sie erhielt keine Antwort, die Tür wurde nur ins Schloss gedrückt. Jenny wurde skeptisch und schaltete das Licht ein. Doch sie fand sie allein im Raum. Es war niemand zu sehen und sie dachte es war nur ein Traum gewesen. Sie wollte gerade das Licht wieder ausschalten, als sie sah dass ihr Schreibtisch leer war. Alle Unterlagen waren verschwunden.
Sofort sprang sie auf und drückte den Alarmknopf.
 
„Die Bewegungsmelder haben nichts erfasst. Ebenso wenig die Wärmesensoren. Es war niemand im Lager außer uns. Und wir haben außer Sam, auf Wache, alle geschlafen. Sam war beim Sender und kontrollierte die Parameter“, erklärte Boris den Auswertungen.
„Ich habe aber jemanden gesehen, der in meine Kammer kam. Und meine Unterlagen sind weg“, beharrte Jenny auf ihrer nächtlichen Begegnung.
„Vielleicht ein Geist. Kretzky liegt nicht mehr in seinem Grab, also wandelt er wohl unter den Lebenden“, feixte Boris, ein bekennender Fan des Zombiefilmgenres.
„Wir sollten einen Gemeinschaftsschlafraum einrichten und alle wichtigen Gegenstände dort horten. Außerdem eine doppelte Wache“, schlug Anja vor.
„Ein paar Wände versetzen und das ist gebongt. Ich mach das sofort“, sagte Sam und zückte sein Werkzeug.
„Ich hab ein ganz mieses Gefühl. Jeder sollte ein Videotagebuch anlegen, nur zur Sicherheit“, sagte Jenny. „Nur für den Fall dass uns etwas passiert.“
„Sobald es hell ist, stelle ich den Sender auf Automatik und ein Rastersystem.“
„Dann haben wir jetzt etwa drei Stunden für das Videotagebuch“, sagte der Captain. „Verliert keine Zeit.“
 
Tagesbericht der General Washington, Captain Rourke:
Nach unserem Vertrag mit den Medusen befindet sich die General im Orbit um einen Verwaltungsplaneten der Medusen. Sie sprechen von einer Kontaminierung von Menschen. Ich sehe zwar keine Anzeichen, die Sensoren haben jedoch eine Art Siedlung ausgemacht. Ich sehe mir das genauer an.
 
Tagesbericht der General Washington, Captain Rourke:
Anscheinend ist hier eines unserer Schiffe runtergegangen. Keine Anzeichen von Überlebenden. Korrektur: sie haben wohl überlebt, sind jedoch verschwunden. Die Anlage ist in schlechtem Zustand, beinahe vollständig von der Flora absorbiert. Die Computersysteme sind nicht mit unseren kompatibel. Ich habe alles geborgen was noch brauchbar ist und den Rest wie von den Medusen verlangt verdampft. Der Planet ist wieder keimfrei. Ich kehre zur Erde zurück.
 
Tagesbericht der General Washington, Captain Rourke:
Ich habe die Aufzeichnungen des Computers zum Teil entschlüsseln können. Es ist die Ikarus, ein alter Aufklärer, der seit achthundert Jahren als vermisst gemeldet ist. Das Schiff ist etwas elftausend Klicks von der vermuteten Position entfernt (Trümmerfund der Paris vor drei Jahren) auf diesem Planeten zerschellt. Laut Crewliste war der Navigator bei der Landung bereits tot. Weitere Daten konnte ich noch nicht entschlüsseln.
 
Tagesbericht der General Washington, Captain Rourke: (von der Medusenregierung zensiert und ergänzt)
Allem Anschein nach fiel die Ikarus […] und kam so zu der Position […]. Eine Erkundung des nahen Umfelds […] Die reiche Flora […] Der Planet eignet sich […]. Die Abgestürzten fanden keine Spur ihrer Crewmitglieds, das […] begraben haben. […]Videotagebücher wurden auf Befehl von Captain Hunter angelegt.
Empfehlung der Regierung: nicht kolonisierbar. Videotagebücher konfisziert
 
Aufnahme von Doktor Anja Burke, Bild ausgefallen (im Besitz von Captain Rourke)
Ich weiß nicht was ich mehr sagen soll. Dieser Planet ist ein Paradies, oder könnte eines werden wenn die Menschen jemals davon erfahren. Ich habe Angst. Angst, dass dieser Schatten, von dem Jenny erzählte, uns holen kommt und nicht nur unsere Ausrüstung. Was wenn Boris recht hat und es wirklich Jack ist, der wieder unter den Lebenden wandelt. Wenn ihr nur meiner Schwester etwas zukommen lassen könnte. Aber wahrscheinlich wird niemand jemals diese Sachen hören.
 
Dekret 22 der Medusenregierung gegen die terranische Verwaltung:
Über den dritte Planeten des Sternensystems 4 am Rande des Medusengebietes wir eine Quarantäne verhängt. Jedes Schiff der terranischen Allianz, das diesen Raum anfliegt, wird ohne Warnung von der gottgesandten Flotte der Medusen zerstört. Eine Kontaminierung des empfindlichen Ökosystems wird als kriegerische Handlung gegen das Volk der Medusen gesehen und mit aller Stärke bestraft.
Der Aufenthalt von Menschen wird strikt dementiert. Der dritte Planet des Sternensystems 4 wurde noch nie von einem Mitglied der Spezies Mensch betreten. Jede andere Aussage wird als Verleumdung der göttlichen Macht der Medusen betrachtet und mit aller Macht verfolgt.
 
„Captain Rourke, wie stehen Sie zu diesen Anschuldigen?“
„Werte Ratsmitglieder. Dieses Dekret ist viel Lärm um nichts, es sei denn die Medusen sind nicht so göttlich wie sie uns glauben lassen wollen. Ich beantrage die Entsendung einer Expedition um das Schicksal der Ikarus ein für alle Mal zu klären.“

Die Geschichte hat ein ähnliches Konzept wie "Götter auf Abruf". Hier steht allerdings nicht eine (primtive) Zivilisation den Menschen gegenüber, sondern ein Planet, der unter den Obhut einer (nach eigener Aussage) gottähnlichen Spezies steht.
Diese Ereignisse werden noch Wellen schlagen, wenn die Menschen die Konfrontation mit den Medusen suchen und, genau wie in "Götter auf Abruf", feststellen müssen, dass auch Götter bluten können
Nicolai Rosemann, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.06.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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