Aus meinem Reisetagebuch
Die Stabkirche von Hopperstad
Foto W. Wadepuhl
Im Morgengrauen, das hier eigentlich um Mitternacht beginnt, also sagen wir doch richtiger in den frühen Morgenstunden, ist die MS Columbus in den Sognefjord eingelaufen. Er ist mit 204 Kilometern Länge der längste Fjord Norwegens und mit 1308 Metern Tiefe der tiefste Fjord der Erde. So steht es zumindest im vom Kapitän für uns geführten Logbuch, das wir am Ende der Reise in Form eines Faltblattes erhalten haben.
Eine halbe Stunde früher als im Programm stehend gleitet der Anker an seiner schweren Kette für uns geräuschlos in die Tiefe. Bis dreizehn Uhr werden wir hier auf Reede liegen und wiederum gibt es drei Angebote für Landausflüge, die in den erhaltenen Reiseunterlagen wie folgt beschrieben werden.
Eine Busfahrt unter dem Titel „Der Zauber Norwegens“ führt durch abwechslungsreiche Landschaft zwischen Sognefjord und Hardangerfjord, beginnend mit der Besichtigung der Hopperstad Stabkirche gleich hinter Vik, weiter das bewaldete Morktal auf das karge und seenreiche Fjell und durch das Myrkdalen zum Tvinde Wasserfall. Durch die kleinen Dörfer Vinje und Oppheim wird Stalheim erreicht, wo bei gutem Wetter wie heute ein imposanter Ausblick über das Tal versprochen wird. Nach dem Mittagessen geht es über alte, steile Serpentinenstraßen nach Gudvangen. Auf beiden Seiten der Straße sieht man imposante Wasserfälle wie den Stalheimfoss und den Siviefoss. Zurück im Tal werden die mit Kerzenlicht illuminierten Weißen Höhlen besichtigt und dann geht es nach Flam, wo man am Nachmittag von der Columbus abgeholt wird.
Eine weitere Fahrt, die vor allem die Eisenbahnfreunde begeistert, ist eine ähnliche Busreise, jedoch wird nach einem Mittagessen in Voss, die Bergen-Oslo Bahn benutzt, um nach Myrdal zu gelangen. Dort wird in die Flambahn, einer der steilsten Normalspurbahnen der Welt mit kühn angelegter Strecke hinunter nach Flam umgestiegen, wo man nach 20 Kilometern Bahnfahrt mit meist 55 °/oo Gefälle oder Steigung auf die andere Reisegruppe stößt.
Schließlich gibt es noch eine Busfahrt um Vik herum mit Rückkehr an den Ausgangspunkt. Wir sind nun mal lieber Einzelgänger und haben auf alle drei Möglichkeiten verzichtet. Einerseits haben wir die Fahrt mit der Berninabahn noch in großartiger Erinnerung, zum anderen kann man sich auch an Bergen und Wasserfällen einmal satt sehen und, nicht zuletzt, die Beteiligungskosten an diesen Ausflügen erscheinen etwas sehr, um nicht zu sagen zu luxuriös.
Nach gemächlichem Frühstück benutzen wir einen der ständig zum Land und zurück pendelnden Shuttle oder Tender. Im Infocenter am Hafen besorgen wir uns bei einer wiederum jungen Deutschen eine Ortsbeschreibung und eine Landkarte. Dann machen wir uns mit Hilfe ihrer freundlichen Hinweise auf den Weg zur Stabkirche von Hopperstad, die wir bei strahlendem und ungewöhnlich warmen Wetter nach dreißig Minuten bergauf erreichen.
Diese Kirche wurde im 12. Jahrhundert erbaut, so lesen wir im Fremdenführer, und es sei an ihr erkennbar, dass das Heidentum weit verbreitet gewesen sei. Die Drachenköpfe, die das Kirchendach schmücken, seien ein typisches Beispiel heidnischen Glaubens der Wikinger. Die Drachen sollten die bösen Geister fernhalten. Von den dreiunddreißig in Norwegen noch existierenden Stabkirchen ist sie eine der Ältesten, wurde allerdings in den letzen hundert Jahren mehrfach renoviert und verändert. Stabkirchen nennt man sie, weil sie in ihrer Holzkonstruktion ausschließlich aus senkrechten Holzstäben oder Stämmen bestehen im Gegensatz zu den meist üblichen Blockhauskonstruktionen mit wagrechten Balken.
Es handelt sich um eine dreischiffige Säulen-Stabkirche, wobei der Ausdruck Säulenstabkirche fast wie weißer Schimmel klingt, denn es sind durchweg senkrecht stehende Baumstämme, die das Dach des erhöhten Mittelschiffs tragen. Das Innere der Kirche ist düster und schmucklos, abgesehen von einer Marienfigur unter einem Baldachin auf der Nordseite. Trotzdem hat uns eine ältere Norwegerin im Inneren der Kirche zweimal 45 Norwegische Kronen abverlangt. Mit zehn Euro zeigte sie sich dann aber auch zufrieden. Als die Lektorin auf dem Schiff uns erklärte, die Kirche sei geteert, habe ich mir einen hässlich schwarzglänzenden Anstrich vorgestellt und wollte es nicht glauben. Dieses eindrucksvolle, zusammen mit einer gewaltigen Rotbuche auf einem eigenen Hügel an seinem immer noch ursprünglichen Standort verweilende Bauwerk wurde den zugänglichen Informationen zufolge erst 2008 letztmalig geteert und man kann sich eigentlich gar nichts anderes als Anstrich vorstellen. Es ist einfach imposant wie auch der dazugehörende Friedhof, der in seiner schlichten Art, einer nur aus mit Grabsteinen versehenen Wiese an Friedhöfe in Großbritannien erinnert.
Es ist ein echter Sommertag mit 21° Celsius am Thermometer, als wir, unsere Jacken in der Hand tragend, bergab zurück zum Schiff wandern. Wir erfreuen uns an der Blumenpracht und staunen vor allem über den kniehohen und kräftigen gelben Löwenzahn, der wohl auch hier den Höhepunkt des Frühlings anzeigt.
Und während wir uns mal wieder im Palmgarten am Mittagsbüffett vergreifen, heißt es für die Mannschaft der Columbus „Anker auf“ und wir verlassen langsam die Reede von Vik mit Kurs auf den Aurlandsfjord, um gegen sechzehn Uhr dort in Flam die Ausflügler der Tagesreisen aufzunehmen.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.06.2011.
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