Werner Wadepuhl

Bergen / Norwegen

Aus meinem Reisetagebuch
Bergen / Norwegen.



Ruhige Nächte auf Schiffen dieser Größe in Fahrt, zumal auf dem Nordatlantik, sind wohl eine Illusion. Die vier Wärtsilä Sechszylinder-Antriebsdiesel laufen mit konstanter Drehzahl zwar ziemlich erschütterungsfrei und irgendwann nimmt man nicht einmal mehr ihr periodisch schwingendes Brummen wahr, aber wenn mit den Verstellpropellern die volle Rumpfgeschwindigkeit von etwas über 15 Knoten gefahren wird, dann bewegt sich mein Bett wie eine rhythmisch seitwärts geschüttelte Hand und das ist nicht unbedingt lustig, wenn man ans Einschlafen denkt. Dazu kommt das konstante Fauchen der Belüftung an der Decke und natürlich das Donnern der Wellenschläge am Rumpf. Am ruhigsten ist es später bei den nächtlichen Fahrten durch die Fjorde und Meerengen, wenn die Geschwindigkeit auf etwa zehn Knoten gedrosselt ist. Dann merkt man eigentlich nur am Vorübergleiten der Landschaft vor dem großen Kabinenfenster, dass da noch Bewegung im Schiff ist.

Ich stehe kurz nach fünf Uhr auf, durchlaufe die Bad- und Ankleideprozedur und steige allein nach oben ins Freie bis auf Deck sieben am Schornstein. Nur wenige Frühaufsteher genießen mit mir diese märchenhafte Inselwelt auf der Fahrt in den Krossfjord auf dem Wege nach Bergen. Es ist in Verbindung mit dieser zauberhaften Morgenstimmung, den leichten Dunstschleiern und der fast spiegelglatten See eine solche Traumwelt, dass ich plötzlich schlucken muss und mir die Tränen über die Wangen rollen und daran ist nicht nur der Fahrtwind schuld. Ich kann mich nicht losreißen, obwohl ich eigentlich gerne den Fotoapparat geholt hätte, zu grandios, zu überwältigend und doch gleichzeitig von so zarter Anmut ist diese erste Annäherung an Norwegens Küste.
Als weit voraus eine erste Hängebrücke sichtbar wird, ist das Wesentliche gelaufen, das Land
wird kompakter und ist besiedelt. Ich gehe zurück, um die Kamera zu holen. Leider spiegeln die Fotos nicht mehr diesen Traum der ersten Begegnung wider, doch werden wir später bei den Lofoten noch in ähnlicher Weise entschädigt

Die Sotra-Hängebrücke verbindet mit einer Spannweite von 1236 Metern die Insel Store mit dem Festland, während knapp vier Kilometer weiter die Askoy-Brücke wiederum als Hängebrücke mit 850 Metern Spannweite den Fjord Byfjorde überbrückt und die Stadt Bergen mit Askoy in Hordaland verbindet.
Es sind schon beeindruckende Bauwerke, die beide erst in den letzten zwanzig Jahren entstanden sind. Dann nähern wir uns Bergen, umgeben von sieben Bergen und gekrönt von einer dunklen Wolkenformation. Bergen gilt mit statistischen 280 Regentagen pro Jahr als die regenreichste Stadt Norwegens, doch noch scheint die Sonne. Vor dem Hafen dreht sich die Columbus um 180 Grad und gleitet langsam rückwärts fast achthundert Meter an den Skoltegrunnskaien entlang in einem Bogen zum Festungskaien in unmittelbarer Nähe der Burganlagen und des dahinter liegenden alten Hansehafens Bryggen. Dort macht sie fest, eine seemännische Meisterleistung mit einem offensichtlich wunderbar steuerbarem Schiff. Ich darf gar nicht daran denken, wie wir uns mit der Vermenton, unserem Wohnboot vom Canal du Nivernais angestellt hätten. Der Kahn war rückwärts überhaupt nicht steuerbar.

Es ist sieben Uhr morgens, als die Gangway herabgelassen wird und der Wachhabende Offizier die Freigabe des Schiffes durch die Behörden regelt. Doch jetzt wird erst einmal gefrühstückt, wir haben Zeit.


Das Tagesprogramm sieht vier verschiedene Möglichkeiten vor, Bergen und seine Umgebung näher kennen zu lernen. Da gibt es eine Führung durch das historische Bergen mit Besichtigung des Freilichtmuseums Gamle Bergen und ein Besuch des Hanseatischen Museums mit der Geschichte der deutschen Kaufleute und Lehrlinge der Hanse-Niederlassung Bryggen. Dann gibt es eine Panoramarundfahrt durch Bergen mit Besichtigung vieler interessanter Orte und Fotostops dazu, besonders geeignet für Gehbehinderte, wie es in der Ankündigung heißt und, als Clou, allerdings ist heute das Wetter nicht besonders einladend dazu, einen Panorama-Rundflug in die weitere Umgebung Bergens.

Am Nachmittag ist dann eine Floyen-Wanderung-Aktivtour vorgesehen. Die führt mit einer Zahnradbahn zunächst auf den 320 Meter hohen Aussichtsbalkon des Floyen und von da weiter in einer wohl dreistündigen Wanderung bis auf den 568 Meter hohen Gipfel des Rundemanen, einer der sieben Berge um Bergen und wieder zurück zur Bahn ins Tal.
Die Prospekte preisen diese Fahrt als ein unbedingtes Muss. Wir haben uns zu keiner dieser Möglichkeiten entschlossen, weil man sich bereits am Vortage hätte festlegen müssen und wir aufgrund des unsicheren Wetters und der nicht gerade bescheidenen Kosten keinen Mut dazu hatten. In der Kabine fanden wir ein Merkblatt mit Wissenswertem zu Bergen und auf dessen Rückseite einen Stadtplan. Wir werden mal wieder auf eigene Faust auf Expedition gehen.

Wir bummeln zunächst durch die Festungsanlage Bergenhus, wo die mir Zugemutete die Hkonshalle mir als Kirche verkaufen wollte, während ich schon von der Kabine aus im Geiste darin mittelalterliche Kaufleute an ihren Stehpulten mit Gänsekielen eifrig in ihre Bücher schreiben sah. Tatsächlich war es einst der Sitz von König Olav Kyrre, der 1070 Bergen gegründet hatte. Benannt ist sie aber heute nach König Haakon Haakonsson, der als Zeitgenosse der Staufer die Burganlage nach mehreren Bränden zu dem gemacht haben soll, was sie heute noch darstellt.
Hinter dem Rosenkrantzturm, benannt nach Erik Rosenkrantz, einem einst mächtigen Gouverneur der Stadt, werden noch Vorbereitungen für heute in Anwesenheit des norwegischen Königspaares beginnende Musikfestwochen getroffen und dann nimmt mir Carola den Fotoapparat aus der Hand und geht beglückt lächelnd auf Safari. Sie ist entzückt, wie hier Frühling und Sommer auf einmal beginnen. Narzissen treffen sich mit Tulpen, blühendem Rhododendron und ebenfalls blühenden Obstbäumen.

Wir laufen stadteinwärts und stehen vor dem UNESCO-Weltkulturerbe, dem Hanseviertel Bryggen, früher Tyske Bryggen, zu deutsch: der deutsche Kai. Mittelalterliche Holzhäuser, bunt gestrichen, bilden ein dicht bebautes eigenes Stadtviertel mit vielen kleinen Geschäften und unterschiedlich gegliederten Innenhöfen, dann kommt es erst mal zu ein bisschen Nieselregen.
Am Hanseatischen Museum entlang erreichen wir den Fischmarkt, wo neben Wollsachen und allerlei Souvenirs und kunstgewerblichen Gegenständen, von Besuchern aus vier verschiedenen Kreuzfahrtschiffen umringt, unfassbare Mengen an appetitlichem Fisch und Meeresfrüchten angeboten werden und das zu vergleichbaren Preisen wie bei uns, wenn man die ausgeschilderten Preise durch acht teilt, dem Wert eines Euros gegenüber der Norwegischen Krone.
Weiter geht es zur Börse, zur Post und am Rathaus entlang in Richtung Kunstmuseum, das hier genauso heißt wie in Deutschland, bis hin zu den monumentalen Griegshallen, wohl so eine Art Bergener Gasteig oder Philharmonie und nach dem norwegischen Komponisten der Romantik Edvard Hagerup Grieg benannt. Dann umrunden wir den Lille Lungegrds Vann, einen weiträumigen See mit Springbrunnen mitten in der Stadt, umrangt von Blumenbeeten, dahinter der Festplatz mit einem eindrucksvollen Würfelmonument aus Edelstahl. Es verleitet unwillkürlich dazu, zu behaupten, Kunst käme auch von Können. Denn, wer auch immer diese Skulptur geschaffen hat, sie ist auch eine großartige handwerkliche Leistung.
Schließlich setzen wir uns auf eine dieser grün gestrichenen Holzbänke, schauen einer Kindergartengruppe beim Taubenfüttern zu und versuchen angesichts der Tulpenpracht und der blühenden Bäume und Sträucher um uns herum den Unterschied zwischen Norwegen und südlichen Gefilden zu definieren.
Nach einem Blick in den geschenkten Reiseführer wird entschieden, auch noch die Marienkirche zu besuchen, zumal sie auf einem nur geringfügigem Umweg zurück zum Schiff liegt. Dieses aus dem 12. Jahrhundert stammende Bauwerk galt als die Kirche der deutschen Kaufleute und ist als Marienkirche der Beschützerin der Seefahrt geweiht. Der zweitürmige Bau vereinigt Romantik und Gotik und weist laut Beschreibung im Inneren eine Reihe interessanter Details auf. Leider finden wir sie wegen Renovierungsarbeiten abgezäunt vor und der „adgang“ ist auf norwegisch „verbuiten“.

Eine kleine, aber amüsante Episode sollte nicht vergessen werden. Ich habe dieses Musikfestival erwähnt und so ein Festival zieht natürlich viele Künstler an. Einer davon hatte die Idee, etwas aus den unterschiedlichen Klängen der Schiffshörner, den Typhons, zu komponieren und da heute vier verschiedene Kreuzfahrtschiffe im Hafen lagen, hatte er die Kapitäne, so erzählte es Kapitän Gottschalk über die Bordlautsprecher, dazu überredet, in einer Art Konferenzschaltung über Telefon nach einer Einstimmung der Klänge an diesem Versuch mitzumachen. Wir hatten am Vormittag bereits einundzwanzig Böllerschüsse aus Anlass des Besuches von König Olaf über uns ergehen lassen und nun begann um die Mittagszeit das ohrenbetäubende Konzert mit den Schiffshörnern oder zumindest der Versuch dazu. Es klang recht lustig, aber auch laut, als in unterschiedlicher Reihenfolge die einzelnen Schiffe wohl diszipliniert ihren Beitrag leisteten. Später habe ich dann im Internet Hinweise entdeckt, dass diese „horn battles“ unter Kreuzfahrtschiffen in den Häfen gar nicht so unüblich sind.

Um 17:00 verlässt die Columbus unter dreimaligem Dröhnen ihres Horns und erneut erwidert von den umliegenden Schiffen den Liegeplatz in Bergen und nimmt Kurs auf das nächste Etappenziel, den Geiranger Fjord, den wir nach 220 Seemeilen morgen früh gegen 08:00 Uhr erreichen werden. Auf dem Pooldeck ist die Sail Away Party mit musikalischer Begleitung und dem Cocktail Tequila Sunrise eingeleitet, aber die Meisten ziehen es vor, sich in den wärmeren Palmgarten zurückzuziehen.

Die -Delphin
Voyager- folgt uns nach Bergen Die Sotra-Brücke Die Askoy-Brücke Die Nykirken
von Bergen Bryggen,
Weltkulturerbe der UNESCO Blick auf die
Strandskaien gegenüber Bryggen Von der Sonne
getroffen, zu Stein erstarrt, ein Troll Der Festplatz
am Lille Lundegards vann Kirschblüte in
Bergen? Kunst kommt
auch von Können Der
Oldtimerhafen zu Bryggen

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